Seit einigen Monaten ist der Name Gruner + Jahr verschwunden. Es ist die Folge der Übernahme durch RTL Deutschland, die vor mehr als einem Jahr für über 230 Millionen Euro beschlossen wurde. Zahlreiche deutschen Magazine und Marken wie "Stern", "Brigitte", "Geo", "Capital", "Schöner Wohnen", "Eltern" oder "Art", segeln nun unter RTL-Flagge. Da sich der Verlag in den letzten Jahren Stück für Stück von seinen internationalen Ambitionen verabschiedet hat, ist das der verbliebene Kern des Verlags.
Konzernchef Thomas Rabe sprach damals von einem weiteren Meilenstein in der Strategie "nationale Cross-Media-Champions" zu schaffen. Im wachsenden Wettbewerb mit den globalen Tech-Plattformen seien exklusive, lokale Inhalte der Schlüssel zum Erfolg – insbesondere, um das Wachstum der eigenen Streamingdienste weiter zu beschleunigen. "Mit einem deutlichen Zuwachs an Größe, Ressourcen und Kreativität werden RTL Deutschland und G+J ihre Investitionen in jene Bereiche erhöhen, die den Unterschied machen: Premium-Inhalte und journalistische Exzellenz", so Rabe im vorigen Jahr.
Inzwischen ist die Zukunft am Hamburger Baumwall unklarer denn je. Schon seit mehreren Monaten ist bekannt, dass sich Rabe vorstellen kann, sich von einigen Magazin-Titeln trennen. Da das Magazin-Geschäft aktuell "besonders unter Druck" stehe, werde man "das Titelportfolio überprüfen und nur solche Titel mit RTL zusammenführen, die wirklich synergetisch sind", erklärte der mächtige Konzernboss, der als Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann und Geschäftsführer der gesamten RTL Group fungiert, bereits im September (DWDL.de berichtete).
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet nun in einem langen Stück darüber, dass sich derzeit viele große deutsche Zeitschriftenverlage in Stellung bringen, um einzelne Marken zu kaufen. Von einem "Bieterverfahren" und "harten Verhandlungen um nahezu alle Titel aus dem alten G+J-Portfolio" sei die Rede. Interessant: Selbst das bislang sicher geglaubte "Geo" könnte verkauft werden. Einzig der "Stern" sei noch niemandem angeboten, heißt es in dem Bericht.
Dass sogar "Geo" zur Disposition steht, überrascht, immerhin betreibt RTL Deutschland unter dieser Marke einen eigenen Pay-TV-Sender und arbeitet an einer stärkeren Fernsehpräsenz - etwa in Form einer neuen Quizshow, die RTL jüngst für 2023 in Aussicht gestellt hat. Vor der Kamera wird dann auch der Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens stehen, den die Kölner vom ZDF abgeworben haben. Gearbeitet wird mit ihm nach DWDL.de-Informationen auch an einer Doku-Reihe, die auf den Arbeitstitel "Geo-Blockbuster" hören soll.
Und so bleibt ungewiss, was genau die RTL-Führung um Thomas Rabe mit dem früheren G+J-Titeln machen möchte. Offiziell ist von einer "Analyse des Titelportfolios" die Rede, deren Ergebnisse erst für das erste Quartal 2023 geplant seien. Bis dahin wolle man sich "nicht zu Spekulationen über einzelne Titel oder Maßnahmen äußern", sagte ein RTL-Sprecher zur "SZ". Die Zeit der Unklarheit dauert für die Hamburger RTL-Belegschaft damit weiter an.
Mahnende Worte kamen prompt vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). "Wir appellieren an die Eigentümer der Gruner + Jahr-Magazine, die traditionsreichen und wichtigen Blätter zu erhalten", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Donnerstag und forderte das Management dazu auf, den Betriebsrat transparent an den Zukunftsplänen zu beteiligen. "Die Vertreter der Beschäftigten müssen eingeweiht und eingebunden werden. Im Fokus muss der Erhalt der Arbeitsplätze stehen. Es geht auch um menschliche Schicksale."