Zehn Jahre ist es her, dass RTL eine neue Zielgruppen-Definition im Fernsehmarkt zu etablieren versuchte. 14-59 statt 14-49 lautete seither die Devise - zumindest offiziell. "Im Gegensatz zu den 14- bis 49-Jährigen bildet sie auch auf längere Sicht deutlich über 50 Prozent der Bevölkerung ab, und sie umfasst mehr als 80 Prozent der heutigen Produkt- und Mediaplanungszielgruppen", erklärte Julian Weiss, damals Geschäftsleiter Marketing bei IP Deutschland, dem Vorgänger des heutigen RTL-Vermarkters AdAlliance schon damals. Und: "Aus unserer Sicht hat 14-59 die besten Chancen, sich als neue Referenzgröße zu etablieren."

Eine Dekade später lässt sich zweierlei festhalten: So recht geklappt hat das Unterfangen nicht. Noch immer blickt ein Großteil der Privatsender-Branche auf die 14- bis 49-Jährigen. Doch dass es mehr denn je Handlungsbedarf gibt, ist ebenso klar. Das zeigt schon ein Blick auf die aktuellen TV-Charts: Am gestrigen Mittwoch verfehlten sämtliche Formate der privaten Sender in der sogenannten werberelevanten Zielgruppe die Millionen-Marke. Mehr als zwei oder drei Millionen 14- bis 49-jährige Zuschauerinnen und Zuschauer verzeichneten im zurückliegenden Jahr außerhalb des Fußballs allenfalls noch vereinzelte "Tatorte", der Eurovision Song Contest und "Wetten, dass..?".

Ein Grund dafür ist neben einer veränderten Fernsehnutzung, die sich nicht zuletzt in jüngeren Zielgruppen immer mehr in Richtung Streaming verlagert, besonders der demografische Wandel. Im Jahr 2022 bildeten die 14- bis 49-Jährigen kaum noch mehr als ein Fünftel des gesamten Publikums ab. Erweitert man die Zielgruppe um zehn Jahre bis 59, würde sich der Anteil nahezu verdoppeln. Da überrascht es nicht, dass Verantwortliche von TV-Sendern schon heute mehr oder weniger offen predigen: Will man bei den 14- bis 49-Jährigen nennenswerte Marktanteile erzielen, muss man vor allem die über-40-Jährigen ansprechen. Das gilt in Köln ebenso wie in Unterföhring.

Doch vor allem RTL ist es nun, das nach zehn Jahren einen erneuten Vorstoß wagt und die bisherige Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen einmal mehr durch die der 14- bis 59-Jährigen ersetzen will - und das im Zweifel sogar auf Kosten der Marktführerschaft. Allerdings wollen die Kölner fortan eine kumulierte Reichweite ausgeben, die auch den Streamingdienst RTL+ umfasst, mit dem das Unternehmen ein deutlich jüngeres Publikum anspricht. Lineare Reichweiten-Verluste sollen auf diese Weise durch die wachsende On-Demand-Nutzung ausgeglichen werden. 

Gut möglich also, dass die Erweiterung der linearen TV-Zielgruppe im Interesse der Werbekunden ist, die man mit hohen Reichweiten locken will. Allerdings wird es nicht zuletzt auch darauf ankommen, die eigene Belegschaft mitzunehmen, denn auch wenn RTL offiziell schon seit zehn Jahren auf 14-59 blickt, so war hinter vorgehaltener Hand dann doch zumeist von der klassischen Zielgruppe die Rede und nicht von der neuen. Das erklärt dann vielleicht auch zum Teil, weshalb sich 14-59 bis heute kaum durchgesetzt hat.

Zur Wahrheit gehört zugleich, dass man sich bei ProSiebenSat.1 bislang mit der erweiterten Zielgruppen-Definition schwer tut: Während Sat.1 von einer Veränderung durchaus profitieren würde, fielen die Marktanteile des deutlich jünger positionierten ProSieben ungleich niedriger aus als bei 14-49. Kann es vor diesem Hintergrund eine Lösung geben? Die AGF Videoforschung, die im Auftrag der Sender für die Reichweitenermittlung zuständig ist, brachte das Thema 14-59 im vergangenen Jahr erneut auf die Tagesordnung und lieferte mit Blick auf die demografische Entwicklung Argumente, die für eine Umstellung sprechen würden. Die Entscheidung liegt aber letztlich nicht bei der AGF, sondern bei den Sendern. Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang, dass der neuerliche Kölner Vorstoß nach DWDL.de-Informationen wieder ohne Absprache mit ProSiebenSat.1 erfolgt. Dabei wäre eine einheitliche Zielgruppen-Definition wichtig.

Soll 14-59 nachhaltig im Markt etabliert werden, wird RTL jedenfalls kaum ohne die Unterstützung aus Unterföhring auskommen. Die RTL-Führung um Thomas Rabe, Matthias Dang und Stephan Schmitter wird also noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen. Vielleicht stehen die Chancen dafür heute aber zumindest besser als vor zehn Jahren.