Nachdem Thomas Rabe, in Personalunion zugleich Chef von Bertelsmann, der RTL Group und RTL Deutschland, in dieser Woche nach Monaten der Unsicherheit die Karten auf den Tisch legte und Verkauf oder Einstellung eines großen Teils des Magazin-Portfolios von Gruner + Jahr sowie einen enormen Stellenabbau verkündete, äußerte er sich nun in einem ausführlichen Interview mit dem "Spiegel" und verteidigte die Maßnahmen als unumgänglich. Vor allem beteuerte er, dass sie nichts mit der Zusammenführung mit RTL zu tun hätten.

"Gruner + Jahr [wäre] in seiner heutigen Aufstellung in genau die gleichen Probleme gelaufen – mit oder ohne RTL", so Rabe. Das liege zum Einen am Markteinbruch im vergangenen Jahr, zum Anderen an Versäumnissen in der Vergangenheit. Man habe nicht die richtigen Weichen gestellt, um mit digitalen Abo-Modellen Geld zu verdienen - wie es anderen deutschen Verlagen gelingt. "Wir hätten mit dem 'Stern' ausgezeichnete Startbedingungen gehabt. Die haben wir nicht genutzt, das war ein strategischer Fehler", sagt Rabe.

Eine Mitschuld räumt er dabei durchaus ein, eigentlich sieht er die Verantwortung aber anderswo: "Wir räumen den Geschäftsführern ein hohes Maß an Autonomie ein. Dass dann die Ebene darüber allein schuld sein soll, wenn etwas schiefläuft, ist sicher nicht richtig". Nötige Investitionen bei Gruner + Jahr seien in der Vergangenheit jedenfalls "sicher nicht daran gescheitert, dass Bertelsmann zu wenig Mittel zur Verfügung gestellt hat. Geld war immer da", so Rabe. Es sei eine "Mär", dass Bertelsmann Geld aus dem Verlag herausziehe. Bezüglich des hohen operativen Gewinns von G+J von 134 Millionen Euro 2021 stellte er klar, dass dieser noch vor Abschreibungen entstanden sei und zudem das Frankreich-Geschäft, die Beteiligung am "Spiegel", Applike, DD+V und der Agentur Territory umfasst hätte. Hätte man also schon da nur aufs eigene deutsche Publishing-Geschäft geschaut, hätte es auch da schon anders ausgesehen.

Rabe äußert sich in dem Interview auch noch einmal zu RTL+ und beteuert nun, dass die "Multipurpose-App", die Video-, Audio- und Magazin-Inhalte umfasst, doch noch kommen soll. Daran gab es seit Rabes Auftritt vor der "Stern"-Redaktion im November vergangenen Jahres doch erhebliche Zweifel. In einem bis heute vom Unternehmen unwidersprochenen Bericht hatte er "Medieninsider" zufolge damals gesagt, die Bündelung in einer App würde zu einer Überforderung der Nutzerinnen und Nutzer führen. "Das ist dann die Super-App, die alles kann, aber niemand will", soll damals gefallen sein - wie gesagt: Trotz Nachfrage hat RTL dem bis heute nicht widersprochen. Im "Spiegel"-Interview spricht er nun nur noch von Verzögerungen, weil man die technische Komplexität unterschätzt habe - kommen soll sie aber. In welchem Umfang dann Inhalte von "Stern Plus" integriert sein werden, habe man noch nicht festgelegt. Es soll aber offenbar kein Gesamt-Zugang zu "Stern Plus" sein, sondern einen Teil der Texte umfassen.

Neben den Problemen in Deutschland hat Rabe als Chef der RTL Group zuletzt auch in anderen Ländern Niederlagen erlitten: In Frankreich und den Niederlanden wurden die angestrebten Fusionen von den Kartellämtern untersagt. Die Vorhaben seien ein "Wagnis" gewesen, so Rabe, das er aber weiterhin als richtig ansieht. "Aus meiner Sicht sind das vor allem verpasste Chancen für die europäische Medienindustrie." Die Projekte seien nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben - einstweilen werde man es aber anders versuchen. "Es gibt auch andere Wege zur Konsolidierung, die sind allerdings länger: Partner suchen, kooperieren, kleinere Akquisitionen", so Rabe.

Trotz der Rückschläge mache er sich nach eigenen Aussagen "null" Sorgen um seinen Job - die Risiken habe er mit Vorstand und Aufsichtsräten besprochen und Schaden sei durch die gescheiterten Fusionen nicht entstanden. Was er aber nicht mehr allzu lange haben will, seien die drei Jobs als Bertelsmann-, RTL Group- und RTL Deutschland-Boss in Personalunion. Zum Jahresende werde er "voraussichtlich nicht mehr Deutschland-Chef von RTL sein". Dass er den Posten übernommen habe, liege daran, dass sich das Unternehmen in einer schwierigen Lage befand und es "niemanden gab, der diese Aufgabe ad hoc hätte übernehmen können". "Wäre es nicht erforderlich gewesen, hätte ich es definitiv nicht gemacht. Das ist ganz sicher kein Modell für die Zukunft und ich empfehle es nicht zur Nachahmung", so Rabe.

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