Daniel Rosemann wirkt zufrieden. "Jeder, der schon hier war, spürt, dass es etwas super-besonderes ist", sagt der Senderchef von Sat.1. Der Ort, an dem er sich befindet, ist eine TV-Kulisse in Hürth - doch an eine solche soll das Publikum nicht erinnert werden, wenn hier ab der übernächsten Woche ein großer Teil des täglichen Sat.1-Programms entsteht. Um das Ambiente heimeliger zu gestalten, haben die Dekorateure für eine wohnliche Einrichtung mit schönen Details gesorgt, in dem sich nicht nur Jasmin Wager und Jochen Schropp wohl fühlen sollen, sondern vor allem auch die Zuschauerinnen und Zuschauer.

"Film und Fernsehen neigen manchmal dazu, etwas herzustellen, das zuhause niemals so aussehen würde", sagt Rosemann. "Aber das hier sieht wirklich nach Leben aus." Das ist es nun also, das "volle Haus", das der Branche seit Monaten Rätsel aufgibt und mit dem Sat.1 kurz vor seinem 40. Geburtstag noch einmal einen neuen Anlauf nehmen will. Doch zwei wild vors Sofas geworfene Socken und ein Paar Sneaker alleine werden vermutlich kaum reichen, um das Publikum montags bis freitags zwischen 16 und 19 Uhr zum Einschalten bewegen.

Das weiß auch Daniel Rosemann, der schon vor einem Jahr von einem Paradigmenwechsel sprach. Bei einer digitalen Pressekonferenz sprach der Senderchef am Mittwoch davon, Ziele, Kompass und Strategie ändern und nichts mehr  übrig lassen wollen von dem, was bislang gezeigt wurde. Man sei zwar viele Jahre mit Scripted Reality erfolgreich gewesen, habe damit aber immer kleinere Zielgruppen erreicht. Nun soll es darum gehen, die Rituale des Publikums zu ändern. "Das ist komplett anders als das, was wir vorher hatten", betont Rosemann.

Daniel Rosemann © Seven.One Entertainment Group Daniel Rosemann
Dass drei Stunden ein Risiko sind, ist ihm bewusst. "Wenn man etwas grundsätzlich ändern will, dann reicht es nicht mehr, nur eine halbe Stunde zu ändern", erklärt Rosemann. "Wenn wir neue Leute einladen wollen zu Sat.1 zu kommen, dann müssen wir das Programm grundsätzlich über eine lange Strecke ändern." Und doch sei die neue Sendung "keine 'Frühstücksfernsehen'-Variante am Nachmittag', stellt der Sat.1-Chef klar. "Volles Haus" sei kein Magazin und setze daher auch nicht auf kurze Beiträge, sondern auf lange Strecken.

Die einzelnen, zu festen Zeiten geplanten Elemente sollen zwischen 15 und 34 Minuten lang dauern und etwa zu Beginn auch weiterhin die Talkshow "Britt" umfassen, auch wenn deren Quoten weiter überschaubar sind. Dazwischen sind Wochenserien und Dokusoaps geplant - darunter "Lieselotte sucht einen Mann" mit einer ehemaligen "Topmodel"-Kandidatin oder ein Format, in dem Promis wie Marijke Amado oder Cora Schumacher in fremde Familien einziehen. Auch den früheren "DSDS"-Kandidaten Menowin Fröhlich will Sat.1 im Rahmen der Sendung auf seinem Weg in ein neues Leben begleiten.

Dazwischen: Platz für Talks, Service und "Bunte live", eine Promi-Strecke, die täglich um 18 Uhr an den Start gehen soll. Eine Herausforderung stellen die Regionalprogramme um 17:30 Uhr dar, die in einzelnen Bundesländern die neue Vorabendschiene sprengen. Doch Daniel Rosemann verspricht hier einen "sehr professionellen und galanten Übergang ins Regionalprogramm". Vorzustellen habe man sich das "wie die Wagentrennung in Hamm" bei der Deutschen Bahn, scherzt der Senderchef. Man möchte ergänzen, dass der einmal getrennte Zug im weiteren Verlauf der Fahrt nie mehr zusammenfindet. Doch das ist freilich allenfalls eine Randnotiz.

Spannender ist die Frage, wie live das "Volle Haus" letztlich wirklich sein wird. Sicher, Jasmin Wagner und Jochen Schropp, stehen ab Ende des Monats Tag für Tag im Studio und auch all die Doku-Elemente werden von der Regie live eingespielt - doch wie viel Raum das Moderations-Duo zwischen all den vorproduzierten Elementen tatsächlich einnehmen wird, bleibt bislang im Unklaren. Sat.1 bietet die Sendestrecke aber gewiss den Vorteil, sein Publikum wieder direkt ansprechen zu können - was bislang zwischen "Frühstücksfernsehen" und den abendlichen Nachrichten nicht der Fall ist. Dementsprechend kann "Volles Haus" auch auf aktuelle Ereignisse reagieren.

Gleichwohl ist sicher, dass der Neustart, um die sich die neu gegründete ProSiebenSat.1-Tochter Flat White Productions kümmert, kein Selbstläufer sein wird. "Wer am Montag oder Dienstag doppelte oder dreifache Quoten erwartet, hat die Funktionalität des Nachmittags nicht verstanden", räumt Sat.1-Chef Daniel Rosemann ein und ergänzt: "Das wird dauern. Das wissen wir seit Tag eins." Immerhin: Die auserkorene Zielgruppe, ein älteres weibliches Publikum, sitzt tagsüber in großer Anzahl vor dem Fernseher. "Der Markt am Nachmittag trifft auf die Kernstrategie von Sat.1", weiß Rosemann. Nun gilt es, daraus etwas zu machen.

"Volles Haus - Sat.1 live", ab dem 27. Februar montags bis freitags um 16:00 Uhr in Sat.1