Bertelsmann will den Umgang des Unternehmens mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern wissenschaftlich aufarbeiten lassen. Die Ankündigung des Unternehmens erfolgt nur einen Tag, nachdem der Norddeutsche Rundfunk die gesamte Fälschung öffentlich zugänglich und zum Gegenstand der ARD-Satireshow "Reschke Fernsehen" gemacht hat. Schon im vergangenen Jahr hatte der Bertelsmann-Vorstand das Insitut für Zeitgeschichte (IfZ) um eine unabhängige Aufarbeitung der eigenen Geschichte gebeten (DWDL.de berichtete).
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Thomas Rabe
Das IfZ untersucht im Auftrag von Bertelsmann bereits die Phase ab der Gründung des „Stern“ durch Henri Nannen 1948 bis zu dessen Ausscheiden 1983. Mit der Analyse will Bertelsmann eigenen Angaben zufolge "einen objektivierenden, wissenschaftlichen und nachhaltigen Beitrag" zur jüngst wieder aufgekommenen Diskussion um die Person des langjährigen Chefredakteurs Henri Nannen leisten. Mit der historischen Analyse des Umgangs mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern würden Forschungszeitraum und -gegenstand erweitert, "um ein objektives Bild zu erhalten, wie und warum es zur Veröffentlichung der Fälschung kommen konnte", heißt es nun.
Der NDR hatte am Donnerstag überraschend die kompletten 60 Bände der "Hitler-Tagebücher" lesbar und auch recherchierbar gemacht. Dem Projekt liegen demnach Kopien der Tagebücher zugrunde. Mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz konnte die gefälschte Handschrift Hitlers in ein Transkript übersetzt werden. Damit werde zugleich erstmals in vollem Umfang deutlich, in welcher Absicht die Fälschungen verfasst wurden und wie der "Stern" bereit war, die NS-Geschichte neu zu deuten und zu verharmlosen, erklärte der NDR.
Seit dem Skandal um die Fälschungen lagen bislang die Tagebücher bei Gruner + Jahr in einem Safe. Man habe sie nie für die Öffentlichkeit freigegeben, um "Missbrauch zu verhindern", erklärte der "Stern". Die nun angekündigte historische Analyse soll indes mehrere Jahre in Anspruch nehmen, ehe geplant ist, die Ergebnisse vollumfänglich veröffentlichen zu wollen, wie Bertelsmann am Freitag mitteilte. Im Zuge des Forschungsprojektes sollen alle historisch relevanten Unterlagen von Gruner + Jahr und dem "Stern" ins Unternehmensarchiv von Bertelsmann nach Gütersloh überführt werden.
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