Es könnte einen entspannteren Zeitpunkt für RTL Deutschland geben, als genau jetzt mit einem Venture Fonds Risikokapital an junge Unternehmerinnen und Unternehmer zu geben. Der Zusammenschluss mit Gruner + Jahr rumpelt so vor sich hin, noch ist das Zeitschriften-Portfolio nicht bereinigt und auch am Standort in Köln sollen über die kommenden drei Jahre insgesamt 300 Stellen gestrichen werden. Da könnte es schwer fallen der restlichen Belegschaft zu verdeutlichen, dass es für RTL Ventures, so der Name des neuen Investmentarms des Medienunternehmens, genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist. 

Doch schaut man mal ganz nüchtern auf die Marktsituation, könnte sich das Vorhaben von RTL Deutschland am Ende tatsächlich lohnen. Durch die anhaltende Inflation und steigende Zinsen stehen viele Unternehmen unter Druck. Investorinnen und Investoren haben das Geld längst nicht mehr locker sitzen wie vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Start-ups halten ihre Reserven daher zusammen. Diese Gemengelage könnte es Venture Fonds wie dem von RTL ermöglichen, günstig an Beteiligungen zu kommen. 

Beate Koch © RTL Deutschland Beate Koch
Das weiß man auch in Köln ganz genau. "Aufgrund von makroökonomischen Effekten stehen insbesondere Gründer und deren Unternehmen aktuell massiven Herausforderungen gegenüber", sagt Beate Koch, Senior Vice President Growth & Investments RTL Deutschland, im Gespräch mit DWDL.de. Bei RTL Ventures verantwortet Koch mit ihrem Team das Geld. Sie spricht von einem "enormen Potenzial". Und RTL will längst nicht nur Geld in die jungen Unternehmen stecken, sondern sie auch mit Media-Leistungen ködern. Heißt: Die Start-ups erhalten Werbeplätze im Fernsehen, digital oder in einem der RTL-Magazine und geben dafür Anteile ab. Media for Equity nennt sich dieses Geschäft, mit dem im letzten Jahrzehnt allen voran ProSiebenSat.1 ein breites Portfolio an Beteiligungen aufgebaut hat. 

Verkauft wird, wenn es gute Angebote gibt

Anders als zuletzt in Unterföhring soll es bei RTL Ventures aber keine Unklarheiten darüber geben, auf welche Unternehmen man den Fokus legt. Während ProSiebenSat.1 immer wieder unterscheidet zwischen solchen Start-ups, die auf das Kerngeschäft Entertainment einzahlen und solchen, die das nicht tun, sagt Beate Koch ganz klar: "Wir sind kein strategischer Investor." Investiert RTL Ventures in ein Unternehmen, muss das also nicht zwangsläufig irgendwas mit Medien zu tun haben. "Grundsätzlich suchen wir herausragende Gründer und Gründerinnen, die starke B2C Unternehmen aufbauen mit Geschäftsmodellen die smart sind und mit Produkten, die Menschen benötigen, die ihnen nützlich sind oder ihnen helfen", so Koch. Und das alles in großen und wachsenden Märkten. "Wir verfolgen keinen Branchen-Fokus, sondern suchen opportunistisch nach Marktpotenzial", sagt sie gegenüber DWDL.de. 

Ute Henzgen © RTL Deutschland Ute Henzgen
Im Verlauf der Zeit sollen die Beteiligungen von RTL Ventures, wie bei jedem Risikokapitalgeber, wachsen und an Wert gewinnen. "Und wenn sich die richtige Gelegenheit ergibt, agieren wir renditeorientiert und verkaufen unsere Anteile", sagt Ute Henzgen, General Director Sales Ad Alliance Unit 3. Zusammen mit ihrem Team der Unit 3 verantwortet Henzgen bei RTL Ventures die Medialeistung und die Mediaberatung. Angst vor einer Entwertung der Werbeplätze, wenn man diese an die eigenen Beteiligungen gibt, hat sie nicht. "Diese Gefahr besteht nicht, denn genau darin manifestiert sich unser Ansatz: Wir setzen auf die Werthaltigkeit unserer Media und der Power, die wir zusammen mit all unseren Ad Alliance Partnern bewirken können, sei es für klassische Werbekunden oder eben für unsere Ventures." 

"Nicht die Scheunentore aufreißen"

Mit der Aussage, kein strategischer Investor zu sein und Beteiligungen bei entsprechend guten Angeboten auch wieder zu verkaufen, positioniert sich RTL Ventures ziemlich klar im Markt. "Eine systematische Verknüpfung mit strategischen Zielsetzungen durch Zukäufe über RTL Ventures ist explizit nicht vorgesehen, da daraus entgegengesetzte Interessen innerhalb des Gesellschafterkreis des Portfoliounternehmens resultieren würden", erklärt Beate Koch im Gespräch mit DWDL.de. 

Strategische Investments erfolgen bei RTL und Bertelsmann ohnehin auf anderen Ebenen. Das vor einiger Zeit von der RTL Group übernommene Ad-Tech-Unternehmen Smartclip etwa wird auf Ebene von RTL Deutschland betrieben. RTL Group und Bertelsmann halten darüber hinaus weitere Beteiligungen - strategische wie nicht-strategische. Alleine über Bertelsmann Investments hält der global agierende Medienkonzern aktuell mehr als 300 Beteiligungen. Investments in Unternehmen, die das Kerngeschäft stärken, soll es bei passenden Gelegenheiten auch künftig bei RTL geben. RTL Ventures ist dafür aber explizit nicht vorgesehen.

Als RTL seinen Venture Fonds vor wenigen Wochen ankündigte, hieß es, man habe viel vor. Ute Henzgen konkretisiert das nun auf einen "kurzfristigen Planungshorizont". Gut möglich also, dass RTL Ventures demnächst schon die ersten Investments verkünden kann. "Wir werden bei der Auswahl nicht die Scheunentore aufreißen. Uns ist es wichtig, gezielt die richtigen Ventures mit guten Teams zu finden, mit denen wir gemeinsam den Erfolgsweg beschreiten können." Und Beate Koch ergänzt, man verstehe sich als "Brücke zwischen early und growth Stage". Da könne man den größten Mehrwert für die jungen Unternehmen einbringen. 

Eine systematische Verknüpfung mit strategischen Zielsetzungen durch Zukäufe über RTL Ventures ist explizit nicht vorgesehen, da daraus entgegengesetzte Interessen innerhalb des Gesellschafterkreis des Portfoliounternehmens resultieren würden.
Beate Koch, Senior Vice President Growth & Investments RTL Deutschland


Anders als bei ProSiebenSat.1 bleiben bei RTL Ventures eigentlich keine Fragen mehr offen, nun muss man in Köln ran an die Arbeit und demnächst mit den ersten Investments aufwarten. Ob sich diese dann gelohnt haben, wird sich meist wohl erst nach einigen Jahren zeigen. In Unterföhring kennt man das beschwerliche Geschäft, junge Unternehmen und ihre Ideen mit Geld und TV-Werbung groß zu machen. Zuletzt aber rückte die NuCom-Group, hier sind alle Beteiligungen gebündelt, in den Hintergrund des Medienkonzerns. Nach einem langen Aufwärtstrend waren die Umsätze hier rückläufig und es hieß immer wieder, man wolle sich auf das Kerngeschäft Entertainment konzentrieren. Wie Beteiligungen an den Vergleichsportalen Verivox und billiger-mietwagen.de in diese Strategie passen, wird man noch erklären müssen. 

Vielleicht passiert das schon am kommenden Dienstag, den 28. März. Für diesen Tag hat ProSiebenSat.1-CEO Bert Habets zu einem "Strategie-Update" geladen. Gut möglich, dass es dann auch um die NuCom-Beteiligungen und mögliche Verkäufe eben dieser gehen wird. Vielleicht kann man das ein oder andere Start-up ja noch bei den Kolleginnen und Kollegen von RTL Ventures unterbringen.