Post bekommen hat in den vergangenen Tagen der Verwaltungsrat des RBB. Beim Dritten Programm für Berlin und Brandenburg endet in Kürze die Amtszeit von Interimsintendantin Katrin Vernau, am Freitag wählt der Rundfunkrat ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger. Mit dieser Person wird der Verwaltungsrat nach der Wahl dann den Vertrag aushandeln. Jener Brief, der nun einging, war nach Angaben von NDR und RBB24 zwar nur acht Zeilen lang, wirft aber einige Fragen auf zur politischen Unabhängigkeit der Gremien. 

Geschrieben hat den Brief Dietmar Woidke, seines Zeichens Brandenburgs Ministerpräsident. Er wäre den Verwaltungsräten "dankbar", wenn sie die Hinweise der Rechnungshöfe zur Deckelung des Gehalts künftiger RBB-Intendantinnen und Intendanten "prüfen und berücksichtigen" würden. Die Rechnungshöfe Berlin und Brandenburg hatten bereits zuletzt eine maximale Höhe von 180.000 Euro ins Spiel gebracht (DWDL.de berichtete). Das Problem: Die Rechnungshöfe haben in dieser Sache keine Entscheidungsgewalt, es ist die Sache der Politik, einen möglichen Gehaltsdeckel zu beschließen. 

Woidke behauptet in dem Brief nach Angaben von NDR und RBB24 dann auch, dass Berlin und Brandenburg beabsichtigen würden, die Gehälter von Intendantinnen und Intendanten beim RBB künftig zu deckeln. Woidke hat diese mögliche Gehaltsobergrenze aber nicht politisch zusammen mit Berlin beschlossen, sondern wollte ganz offensichtlich über den Verwaltungsrat Druck ausüben, um einen entsprechenden Deckel zu erzwingen. Das ist vor allem deshalb kurios, weil seit einem Jahr klar war, dass im Sommer 2023 die Wahl zur RBB-Intendanz ansteht. Da wäre eigentlich genug Zeit gewesen, den Staatsvertrag zu ändern. 

Kritik auch aus den eigenen Reihen

Die versuchte Einflussnahme des brandenburgischen Ministerpräsidenten sorgt nun für reichlich Kritik, auch aus den eigenen Reihen. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und medienpolitische Sprecherin der Partei im Berliner Abgeordnetenhaus, Melanie Kühnemann-Grunow, fordert in einer Stellungnahme gegenüber NDR und RBB24, die "Unabhängigkeit der Organe des RBB" unbedingt zu respektieren. Das laufende Auswahlverfahren für die Besetzung der Intendanz habe "absoluten Vorrang". Es gelte, "politisch keinen Einfluss zu nehmen".

Christian Goiny, RBB-Rundfunkrat und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in Berlin, kritisierte Woidke für den Brief mit den Worten, dass das Schreiben geeignet sei, "das Vertrauen in die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beschädigen. [...] Überspitzt kann man sagen, Ministerpräsident Woidke weist den Verwaltungsrat per Dekret an, wie er sich bei der aktuellen Intendantinnenwahl verhalten soll. Dieses Vorgehen ist nicht durch den Rundfunkstaatsvertrag gedeckt."

Bislang kein Kommentar von Woidke

Auch Sabine Jauer, die Vorsitzende des RBB-Personalrats und Teil der Findungskommission eines neuen Intendanten oder einer neuen Intendantin zeigt sich wenig erfreut: Sie sieht in dem Schreiben einen "Verstoß" gegen die Unabhängigkeit des RBB und das Gebot der Staatsferne. Dass Woidke den Brief schrieb, bezeichnet sie als "dreist". Auf Anfrage von NDR und RBB24 hat Woidkes Büro am Montag keine Fragen beantwortet und erklärt, man könne sich erst am Dienstag zum Sachverhalt äußern. 

Jan Weyrauch © Radio Bremen / Andreas Weiss Jan Weyrauch
Der Brief von Dietmar Woidke ist auf den 8. Juni datiert, also vergangenen Donnerstag. Da saßen die Bewerberinnen und Bewerber um den Spitzenjob im RBB vor dem Rundfunkrat und stellten sich und ihre Konzepte vor. Und schon in den Tagen zuvor ging es um das Gehalt des künftigen Intendanten bzw. der künftigen Intendantin. Jan Weyrauch zog seine Bewerbung zwischenzeitlich sogar zurück, weil Verwaltungsratschef Benjamin Ehlers eine entsprechende Obergrenze als Ausschlusskriterium für die Wahl vorgegeben hatte. Einen offiziellen Beschluss des Verwaltungsrats gibt es dazu aber gar nicht, auch in der Ausschreibung für den Job war davon keine Rede. Weil die Personalvertreterinnen der Findungskommission Weyrauch für den besten Kandidaten hielten, gingen sie auf die Barrikaden und machten den Vorgang öffentlich - daraufhin kehrte Weyrauch in den Bewerbungsprozess zurück und auch Ehlers schlug versöhnlichere Töne an (DWDL.de berichtete). 

Mitarbeitende sahen schon zuvor versuchte Einflussnahme

Nach DWDL.de-Informationen sahen einige RBB-Mitarbeitende schon vor dem 8. Juni einen verstärkten Versuch der Politik, Einfluss zu nehmen auf das Wahlprozedere - insbesondere aus Brandenburg und von der SPD. Sie befürchten, die SPD wolle im RBB auf Teufel komm raus Tabula rasa machen, um vor allem selbst zu profitieren. Aktuellen Umfragen zufolge ist ein Großteil der Menschen im Bundesland unzufrieden mit der Arbeit der Regierung, die AfD ist inzwischen gleichauf mit der SPD. 

Benjamin Ehlers kommt wie Dietmar Woidke aus der Lausitz. Er ist gut vernetzt in der Brandenburger SPD, gehörte zur Landesschiedskommission und zum Parteitagspräsidium. Gegenüber NDR und RBB24 verweist Ehlers darauf, dass nur der Verwaltungsrat für den Vertragsabschluss mit der künftigen Unternehmensspitze zuständig sei und "dass weder die Landesparlamente noch die Landesregierungen befugt sind, in diesen Verantwortungsbereich einzugreifen." Gegenüber Woidke soll Ehlers nach Informationen von RBB24 und NDR noch deutlicher geworden sein: Er habe ihm den "Hinweis" gegeben, wer laut Rundfunkstaatsvertrag für was zuständig sei. Demnach soll er Woidke darum gebeten haben, genau dies zu respektieren.

Bereits in der Vergangenheit soll Woidke versucht haben, sich in die Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzumischen. Bei einem Besuch im RBB-Studio in Cottbus 2022 soll der Politiker seinem Ärger Luft gemacht haben, er sah die Lausitz in der Berichterstattung zuvor negativ dargestellt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RBB sahen darin einen Versuch der politischen Einflussnahme. Die Staatskanzlei dementierte das und verwies darauf, dass sich Woidke schon seit langer Zeit für eine stärkere Betrachtung Brandenburgs im RBB-Programm einsetze. Der Landtagsabgeordnete und frühere Fraktionschef Erik Stohn bezeichnete die Vorwürfe damals als "lächerlich". Stohn: "Die Brandenburger Beitragszahler dürften vielmehr von einem Brandenburger Ministerpräsidenten erwarten, dass dieser mehr Berichterstattung über Brandenburg einfordert – das ist sein Job." Stohn sitzt für die SPD im RBB-Rundfunkrat.