"Jetzt wird es konkret"– mit diesen Worten ist die Pressemitteilung der ARD zur jüngsten Sitzung der Intendantinnen und Intendanten überschrieben. Wer weiter liest, könnte sich allerdings fragen, ob man in der Pressestelle versehentlich noch einmal den Text aus dem Februar angehängt hat. Damals hatte man die Gründung von "Kompetenzzentren" angekündigt, angefangen mit den Bereichen Hörspiel, Gesundheit, Klima und Verbraucher. Eine ARD-interne Steuerungsgruppe wurde eingesetzt, die im Juni erste Ergebnisse vorlegen sollte.

Nun ist der Juni also gekommen - und der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke gibt sich begeistert: "Die ARD hält Wort, die ARD liefert. Wir liefern alles, was wir uns vorgenommen haben. Jetzt ist die Zeit für Reformen, es gibt kein Zurück mehr." Geeinigt haben sich die Intendantinnen und Intendanten auf die Grundsatzentscheidungen - also eben die Einrichtung von Kompetenzzentren, die nun plötzlich Kompetenzcenter heißen, auf  Inhalte-Pools, auf eine "Gemeinschaftsredaktion" bei den Hörspielen und auf das gemeinsame Erneuern und Vereinheitlichen der digitalen Infrastruktur.

Doch wirklich Konkretes? Bislang steht nicht fest, wer bei den einzelnen Kompetenzzentren, pardon, -centern die Federführung übernehmen soll. Und es steht auch nicht fest, welche Medienhäuser sich wie stark in welches Kompetenzcenter einbringen werden. Die Entscheidungen hierzu sollen nun im Herbst fallen, sodass diese "bereits 2024" starten könnten – was in ARD-Kreisen offenbar als sehr ambitioniertes Ziel gilt. Ebenfalls im Herbst will man entscheiden, was die nächsten Kompetenzzentren sein könnten - in der Diskussion sind aktuell Reise/Touristik, Ernährung/Kulinarik und Künstliche Intelligenz.

Zur Aufgabe dieser Kompetenzcenter heißt es, dass sie "zentralisiert lineare und digitale Angebote" erstellen sollen, die dann von den Landesrundfunkanstalten übernommen werden können. Wenn wie angekündigt Beiträge für Gesundheits- und Verbrauchermagazine der einzelnen Dritten künftig vorrangig vom jeweiligen Kompetenzcenter kommen, dann bleibt allerdings die Frage: Braucht es dann überhaupt noch unterschiedliche Magazine? Die wären überflüssig, wenn man den ambitionierten Plan eines gemeinsamen Mantelprogramms umgesetzt hätte, das deutlichere Einsparungen ermöglichen würde. Davon ist inzwischen keine Rede mehr, stattdessen spricht man in der ARD nun von "modularen Mänteln" und einem "Baukastensystem". Da die genaue Ausgestaltung noch erarbeitet werden muss, warfen die Präsentationen der ARD-Intendantinnen und -Intendanten, die die Pläne am späten Vormittag vor ihrer jeweiligen Belegschaft präsentiert hatten, dem Vernehmen nach erstmal mehr Fragen auf als dass sie Antworten lieferten.

Ein bisschen mehr ins Details ging es schon bei den Radiowellen. Auch hier sollen Beiträge zu einem bestimmten Thema auch nur noch einmal erstellt werden und dann von allen Landesrundfunkanstalten abgerufen werden können. Bei den Info- und Kulturwellen wird man gemeinsame Abendprogramme ab 20 Uhr sowie fürs Wochenende anbieten. Teil dessen sollen auch Dialogformate sein, die die ARD grundsätzlich ausbauen will. Ob die einzelnen Landesrundfunkanstalten die Gemeinschaftssendungen, die es bislang ja auch schon nachts gibt, übernehmen, liegt aber letztlich in deren Ermessen. Auch soll es immer "Ausstiegspunkte" geben, an denen regionale Inhalte eingeflochten werden können.

Mehr Zusammenarbeit soll es künftig unterdessen auch bei der Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur geben, nicht nur wenn es um Empfehlungs- und Personalisierungsdienste geht, auch was das ganze Backend anbelangt. An die Stelle der einzelnen Systeme jeder ARD-Anstalt soll eine Infrastruktur treten, die dann auch mit dem ZDF verzahnbar ist. Das Gesamtprojekt wurde hier in 18 Module aufgeteilt, die in den nächsten Jahren abgearbeitet werden sollen – und zwar unabhängig davon, ob die ARD den dafür bei der KEF angemeldeten finanziellen Mehrbedarf nun genehmigt bekommt oder nicht. Immerhin: Hier ist man sich schon einig, wer für welchen Baustein verantwortlich sein wird. Die Details des Projektes sollen aber auch hier erst bis Ende des Jahres ausgearbeitet werden, das Gesamtkonzept soll dann bis Ende 2024 stehen, die Umsetzung will man ab 2025 angehen.

Am Ende bleibt der Eindruck: Man hat in der ARD inzwischen endlich verstanden, dass die Zeichen angesichts kaum durchsetzbarer Beitragserhöhungen auf Kooperation und Arbeitsteilung stehen müssen. Die Rede war davon, dass die Beschlüsse einstimmig fielen – was im Vorfeld offenbar nicht für jeden selbstverständlich war. 73 Jahre nach ihrer Gründung scheint die ARD nun also tatsächlich erkannt zu haben, wofür das A in ihrem Namen steht - Arbeitsgemeinschaft. Insofern ist man einen wichtigen Schritt weiter. Bevor man sich ein drittes Mal dafür feiern lässt, wäre aber anzuraten, auch wirklich konkrete Umsetzungen oder zumindest einen Plan dafür vorweisen zu können.