Bereits Anfang des Jahres hat der WDR bekanntgegeben, künftig in Kiew ein eigenes Studio betreiben zu wollen. Bis dahin gehörte die Ukraine zum Berichtsgebiet des ARD-Studios Moskau, wo die ARD seit den 1950er Jahren vertreten ist. Dass das nach dem andauernden Angriffskriegs Russlands auf sein Nachbarland nicht mehr möglich ist, war schnell klar. Am Dienstag ist das Studio in Kiew unter erschwerten Bedingungen eröffnet worden. 

Wie die Ukraine-Korrespondenten Vassili Golod (Foto oben), der als crossmedialer Leiter des Studios agiert, Rebecca Barth, Andrea Beer und Birgit Virnich sowie WDR-Auslandschefin Sabine Scholt am Mittwoch in einem digitalen Pressegespräch mit Journalistinnen und Journalisten erklärten, sei es am Dienstag rund zwei Stunden vor der Eröffnung zu einem Luftalarm in der ukrainischen Hauptstadt gekommen - dem ersten seit rund zwei Wochen. 

Vor allem Sabine Scholt hat dieser Zustand nachhaltig beeindruckt - sie weilt aktuell nur anlässlich der Studioeröffnung in Kiew. Für die Personen, die dauerhaft für die ARD aus dem Land berichten, dürfte ein solcher Luftalarm mittlerweile schon zum Alltag gehören. Vassili Golod erklärte dann auch, wie man in solchen Situationen mittlerweile vorgehe. Erst einmal checke man, welche Gefahr genau drohe. Dann entscheide man, ob man im Büro bleibe oder einen Schutzraum aufsuche. 

Hohe Kosten für Sicherheit und Versicherungen

In diesem Fall war der Alarm schnell wieder vorbei und die Eröffnung des ARD-Studios konnte wie geplant über die Bühne gehen. Es kamen rund 50 Gäste, darunter der Deutsche Botschafter in der Ukraine, der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko und darüber hinaus Personen der Zivilgesellschaft, aber auch einflussreiche Menschen aus dem Umfeld der ukrainischen Regierung. "Das Interesse an der Eröffnung war sehr groß. [...] Was uns sehr gespiegelt wurde war der große Respekt und Wertschätzung für die Entscheidung, ein eigenes Studio in Kiew zu eröffnen", sagt WDR-Auslandschefin Sabine Scholt.

Der WDR setzt damit tatsächlich ein klares Zeichen. Eines, das auch viel Geld kostet. Den Löwenanteil der Kosten trage der WDR, erklärte Jörg Schönenborn in dem Pressegespräch am Mittwoch. Hohe Beträge fallen etwa für Versicherungen und Sicherheitsbegleitungen für die Teams vor Ort an. Es sind Kosten, die dem Kriegszustand geschuldet sind. Schönenborn formulierte am Mittwoch auch die Hoffnung, bei einer hoffentlich bald eintretenden Normalisierung auch wieder normale Kosten zu haben. Bis es soweit ist, dürfte es aber noch dauern. Getragen wird das Konstrukt auch durch eine Mittelumschichtung: Im ARD-Studio in Moskau arbeiten mittlerweile nicht mehr sechs Korrespondentinnen und Korrespondenten, sondern nur noch vier. Hintergrund sind auch die deutlich verschärften Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten in dem Land seit dem Überfall auf die Ukraine. Und dennoch: "Wir werden so lange es geht an dem Standort Moskau festhalten", erklärte am Mittwoch WDR-Auslandschefin Sabine Scholt.

Jörg Schönenborn gibt sich selbstkritisch 

Die WDR-Verantwortlichen, neben Schönenborn und Scholt war auch Chefredakteurin Ellen Ehni mit in der Presserunde, machten aber auch deutlich, wie wichtig das Studio in Kiew aus inhaltlicher Sicht ist. "Als der Krieg quasi zur Normalität wurde, ist mir klar geworden, dass wir nie wieder glaubwürdig aus Moskau über die Ukraine berichten können", sagt Schönenborn, der sich auch durchaus selbstkritisch gab. Lange habe man die Sowjetunion als ein großes Land gesehen und viele historische Brüche nie wirklich berücksichtigt. Diesen Fehler will man mit dem russischen Krieg nicht noch einmal machen. Für die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung sei das Studio in Kiew "zwingend", so Schönenborn.

"Russland und die Ukraine werden auf Generationen hinweg verfeindet sein", sagt auch Ellen Ehni. Und dennoch ist das ARD-Studio in Kiew an die spezielle Situation angepasst. Bei einem Rundgang durch die Räumlichkeiten sind vor allem sehr spärlich eingerichtete Räume zu sehen. Schreibtische, auf denen Computer stehen, und ein Equipment-Raum, hinzu kommt ein Besprechungszimmer. An der Wand eines Büros hängt eine große Ukraine-Landkarte. "Das kann alles schnell zusammengepackt werden", sagt WDR-Chefredakteurin Ehni. Es ist eine Ansage für den Fall der Fälle. Falls Russland seine Angriffe noch einmal verstärkt und vielleicht doch noch einmal Bodentruppen in Richtung Kiew marschieren. Zur Not, daraus macht das Team aus Kiew keinen Hehl, werde man auch mobil berichten können - so wie in den zurückliegenden 20 Monaten.