Wenn es um das Privatfernsehen in Österreich geht, führt an Markus Breitenecker kein Weg vorbei. Als "Mister Privatfernsehen" bezeichnete ihn die Tageszeitung "Der Standard" vor wenigen Jahren. Von der Hand zu weisen ist das nicht: Breitenecker ist nicht nur langjähriger Geschäftsführer der ProSiebenSat.1Puls4 GmbH, sondern auch der Gründer der Österreich-Aktivitäten von ProSiebenSat.1. Erst verkaufte er nur Werbezeiten auf den deutschen Sendern, später baute er Puls 4 auf und formte eine ganze Gruppe, die auch viel Geld in eigene Inhalte investierte. 

Nun also der Wechsel nach Unterföhring. Am Montag ist bekannt geworden, dass Markus Breitenecker zum 1. April in den Vorstand der deutschen Konzernmutter einzieht. Als Chief Operating Officer soll er die Steuerung des Entertainment-Bereichs übernehmen, sein Fokus liegt auf den Bereichen Streaming und digitale Plattformen. Gleichzeitig zieht Breitenecker in die Geschäftsführung der Seven.One Entertainment Group ein. 

Es bleibt abzuwarten, wie gut das Zusammenspiel zwischen Bert Habets, Breitenecker und auch Henrik Pabst funktioniert. Sie alle sind nun für das Entertainment-Geschäft zuständig und es drängt sich ein bisschen die Frage nach den vielen Köchen und dem Brei auf. Aus Sicht von Konzernboss Habets ist Markus Breitenecker aber eine nachvollziehbare, ja fast schon zwingende Personalie. Der langjährige Österreich-Manager ist uneitel und hat in seiner Karriere gleich mehrfach ein beeindruckendes Maß an Beharrlichkeit gezeigt. Es ist keine unangenehme Beharrlichkeit, Breitenecker kann seine Anliegen eloquent vortragen, dabei auf mögliche Bedenken eingehen und sein Gegenüber für die Sache gewinnen. Er versteht das große Ganze. 

Diese Beharrlichkeit musste er auch schon konzernintern zeigen. Als er Anfang der 00er Jahre Österreich-Programm auf den eigentlich deutschen Sendern der Gruppe zeigen wollte, stieß das nicht sofort und überall im Unternehmen auf Gegenliebe. Doch Breitenecker blieb hartnäckig und hat sich durchgesetzt, der Erfolg gab ihm recht. Später folgten bei Puls 4 auch Investitionen in große Shows wie etwa "Austria’s Next Topmodel". 

Breitenecker war es auch, der jahrelang das Mantra der Kooperationen vor sich her trug. Der ProSiebenSat.1Puls4-Chef machte klar, dass es nicht sein könne, dass sich vergleichsweise kleine österreichische Medienunternehmen gegenseitig zerfleischen, wenn gleichzeitig große US-Konzerne Werbegelder aus dem Land abziehen und das Publikum immer stärker an sich binden. Breitenecker schrieb dazu mit seiner Info-Chefin Corinna Milborn sogar ein Buch ("Wie wir uns das Netz von Facebook und Google zurückerobern"). Es hat zwar eine gefühlte Ewigkeit gedauert, aber inzwischen weht der Geist der Zusammenarbeit durch viele österreichische Medienunternehmen. 

Herkulesaufgabe Joyn

Nirgends ist das besser zu beobachten als bei Breiteneckers Prestige-Projekt: Joyn. Dort sind alle relevanten Anbieter von österreichischen Bewegtbild-Inhalten versammelt. Die Nutzerinnen und Nutzer finden dort also nicht nur die Livestreams von ORF und ServusTV, sondern auch deren On-Demand-Inhalte. Joyn ist in Österreich tatsächlich die Super-Plattform, die Bert Habets gerne auch in Deutschland haben würde. Zuletzt wurde bekannt, dass immerhin sieben Prozent der gesamten ORF-Streaming-Nettoviews auf Joyn zurückzuführen sind - und das bei einem Start der Plattform vor weniger als einem Jahr. 

Nun soll Markus Breitenecker das Unmögliche schaffen und auch die deutsche Konkurrenz, allen voran RTL und die Öffentlich-Rechtlichen, zur Kooperation bewegen. Das dürfte einigermaßen herausfordernd sein, ist die Marktsituation hierzulande doch eine gänzlich andere als in Österreich, das aufgrund der Kompaktheit des Marktes ganz anderen Zwängen unterworfen ist. Aber wenn einer das Wunder für Bert Habets vollbringen kann, dann ist es Markus Breitenecker, der die Sache pragmatisch angehen und der Konkurrenz mit Sicherheit auch entgegenkommen wird. Er wird ihnen das von ihm ehrlich empfundene Gefühl vermitteln, dass es nur noch miteinander geht. Unklar bleibt vorerst freilich, ob er damit in Deutschland auf ähnlich offene Ohren stößt.

Breitenecker, Weißmann, Habets © Monika Fellner Als Markus Breitenecker und ORF-Chef Roland Weißmann (links) im vergangenen Jahr zum 4Gamechangers-Festival luden, kam auch Bert Habets

Markus Breitenecker ist vielleicht auch der Mann, der eine entscheidende Frage rund um Joyn beantworten könnte. In Österreich nutzt man die ORF-Inhalte nicht auf Basis einer Vereinbarung mit dem öffentlich-rechtlichen Sender - sondern verweist lediglich auf die Judikatur des EuGH. Das hatte DWDL.de vor wenigen Wochen recherchiert. Weshalb man das in Deutschland nicht auch so macht, blieb damals aus Unterföhring allerdings unbeantwortet. Gut möglich, dass es in diesem Punkt in den kommenden Wochen und Monaten nochmals neue Entwicklungen gibt.

Auf seinem Weg hat sich Breitenecker auch angepasst. Es gab eine Zeit vor Corona, da waren Medienpanels in Österreich ganz schwer zu ertragen, weil sich Private und der ORF immer wieder in einer Art Kleinkrieg verhedderten. Nicht selten war auf diesen Panels Breitenecker der Vertreter der Privaten. Mr. Privatfernsehen eben. Seit einigen Jahren ist Markus Breitenecker vor allem in Bezug auf den ORF jedoch deutlich ruhiger und sachlicher unterwegs. Das hat ihm und seiner Sache spürbar gut getan, inzwischen veranstaltet man das von Breitenecker initiierte 4Gamechangers-Festival sogar zusammen. Was der österreichische Manager wohl ziemlich sicher auf die deutschen Medienkongresse mitbringen wird, sind seine Hoodies - inzwischen vor allem mit Joyn-Schriftzug. 

Aber natürlich ist nicht alles Gold, was bei ProSiebenSat.1 in Österreich glänzt. Und da geht’s überhaupt nicht um die Flugtaxis, die in der Gruppe 2019 ein großes Thema waren und über die Markus Breitenecker damals im DWDL.de-Interview sagte, sie würden in wenigen Jahren in Wien unterwegs sein. Sie sind es bis jetzt jedenfalls noch nicht (aber das kann ja noch werden). Die linearen Kanäle, neben Puls 4 gehört inzwischen ja auch ATV zur Gruppe, haben in den vergangenen Jahren merklich an Zugkraft verloren. Die Sendungen, die im Schnitt auf mehr als 100.000 Zuschauerinnen und Zuschauer kommen, kann man an zwei Händen abzählen. Der erfolgreichste Privatsender im Gesamtmarkt ist längst ServusTV. 

Vollendet Breitenecker sein "Lebensprojekt"?

Puls 4 hat großen Shows zuletzt eine Absage erteilt, auch "The Masked Singer Austria", die Produktion erfolgte am Set in Deutschland, ist inzwischen Geschichte. ATV ist im Reality-Doku-Bereich zwar gut positioniert, mehr aber auch nicht. Dafür war und ist ProSiebenSat.1Puls4 in der Information schon immer stärker gewesen als die deutschen Sender, mit Puls 24 betreibt man seit 2019 gar einen eigenen Nachrichtensender. 

In Österreich endet mit Breiteneckers Wechsel in den Vorstand nun eine Ära. In den zurückliegenden Jahren ist der Manager in schöner Regelmäßigkeit mit dem Job des ORF-Generaldirektors in Verbindung gebracht worden. Viele Journalistinnen und Journalisten in dem Land sehen darin immer noch das ultimative Ziel für Medien-Manager. Doch Breitenecker hat immer abgewunken und ProSiebenSat.1 als sein "Lebensprojekt" bezeichnet. Auch unter diesem Gesichtspunkt kommt der Gang nach Deutschland nun nicht wirklich überraschend. 

Aber der Schritt ist auch mit einem persönlichen Risiko für Breitenecker verbunden. Er gibt bekanntes und vor allem sicheres Terrain auf, um Neues zu wagen. Egal, wer den ProSiebenSat.1-Konzern in den letzten Jahren von Unterföhring aus geführt hat: An dem Stuhl von Breitenecker hat niemand gesägt. Im Gegenteil, sie alle sonnten sich im Licht seines 4Gamechanger-Festivals und dessen teils illustren Gästen. Nun also sein Sprung nach Deutschland. Das kann gutgehen, muss aber nicht. Markus Breitenecker hat jedenfalls alle Voraussetzungen dafür, um auch in Deutschland zum Gamechanger zu werden.

Vielleicht muss er dazu nur etwas beharrlich sein.