Wenn Felix Wesseler die Produktionsfirma beschreiben soll, für die er seit mehr als 25 Jahren arbeitet, dann sagt er gerne diesen einen Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: „Die Filmpool ist der McDonald’s unter den Fernsehproduzenten: Hohes Volumen, breite Zielgruppe, gleichbleibend hohe Qualität.“ Angeblich gehe keiner zu dieser Burgerbraterei, aber komischerweise verkaufe sie trotzdem Millionen Burger.

Dieser Vergleich schmeckt Wesselers Kollege in der Geschäftsführung von Filmpool Entertainment, Vittorio Valente, angeblich nicht sonderlich gut. Weil es zwischen Fast-Food und Filmpool-Formaten doch einen Unterschied geben muss? Zeitungen mögen es ja auch nicht, wenn ihr Wert mit dem Äquivalent von Brötchen bemessen wird.

Andererseits: Bringt es Felix Wesseler nicht genial auf den Punkt? Ist Guilty Pleasure nicht ein Phänomen, das man sowohl kulinarisch als auch fernsehkulturell betrachten kann? Bestätigt der Langlauferfolg von Filmpool-Formaten wie „Berlin – Tag & Nacht“ nicht die These des TV-Managers, dass Zuschauer gar nicht so doof sind und oftmals viel mehr verstehen, als Kritiker „anmaßend, arrogant und falsch“ meinen so wie der selige Marcel Reich-Ranicki einst beim Deutschen Fernsehpreis?

Für ihn selbst stand in seiner Karriere jedenfalls früh fest: „Ich möchte massentaugliche Unterhaltung machen, eher 'Bild'-Zeitung als 'Die Zeit'.“

Spüren wir also dieser Fährte mit geschärften Sinnen nach und schalten rüber nach „Holly-Hürth“. Umgeben von Feldern, Abfallwirtschaftsbetrieben, den EMG-Studios und Stefan Raab residiert die Filmpool-Zentrale seit 20 Jahren westlich von Köln. Morgens um halb zehn weht dort schon der Duft von Hardy Remagens legendärer Würstchenbraterei herüber in die Büros, was so mancher Fernsehschaffender zu schaffen gemacht haben soll.

Neuerdings gibt es in Hürth auch eine Döner-Connection, über die noch zu reden sein wird.

Vom Pressesprecher zum Co-CEO

Felix Wesseler © filmpool entertainment
Felix Wesseler ist, wie man so schön sagt, ein echtes Firmengewächs und ein sehr fröhliches dazu, anders als es die ernsten Fotos neueren Datums vermuten lassen. Bei Eintritt in die Filmpool-Welt im Jahr 1999 war er Mitarbeiter Nr. 14 und hat seither fast alle denkbaren Stationen durchlaufen. Er war Pressesprecher, Business Development Manager, Head of HR, Director of Operations und COO. In diesem Mai rückte er als Co-CEO von Filmpool an die Seite von besagtem Vito Valente. Und schon seit Frühjahr 2024 haben sie auch bei der Holding All3Media Deutschland gemeinsam das Sagen.

Ginge es nach Wesseler, führten wir das Gespräch zu dritt, mit Vito, seinem Geschäfts- und Sparringspartner und besten Freund, der auch Pate seiner Tochter ist. Seit nunmehr 27 Jahren arbeiteten sie „trotz oder vielleicht gerade wegen der jeweiligen Macken“ so eng und erfolgreich miteinander und hätten die Filmpool dabei immer wieder neu zu erfinden versucht.

Beruflich sind die Rollen folgendermaßen verteilt: Valente denkt sehr frei, dreht gerne auch mal durch und haut Ideen raus, bei denen Wesseler dann oft schauen muss: Wie kriegen wir das hin? Geht es um Social Media und PR, ist es wiederum Valente, der Wesseler einbremsen muss. Klingt nach einem idealen Gespann? Ist es offenbar.

Genau genommen war es Wesseler, der den zehn Jahre älteren Valente einst zur Filmpool lotste. Beide kannten sich aus der Voice-Company von Talk-Lady Ilona Christen, wo Wesseler als Jung-Redakteur die Zeit nach der Bundeswehr überbrückte, aber nicht blieb. Nicht bei diesem „Hungerlohn“, den man ihm bot. Wesseler machte dann mit Ilona Christens Chefredakteur Andreas Geier rüber zur Filmpool. „Komm rüber“, sagte man ihm, „wir bauen ein neues Format auf, das es so nur in Amerika gibt: eine Court-Show.“

Wer zuletzt lacht...

Richterin Barbara Salesch ist also der Grund, warum Felix Wesseler einst zur Filmpool ging – und übrigens immer noch Freude an ihr hat. Genüsslich erzählt er die Anekdote vom RTL-Produzentenempfang in diesem Sommer, als Inga Leschek das Primetime-Special der Gerichtsshow ankündigte. Fast alle Produzenten lachten, „außer uns“. Am nächsten Tag war die Quote da. „Dann haben wir gelacht.“ Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es da Nachschub geben wird. Die Letzten lachen am längsten, heißt es doch.

Bei der Gründung der Filmpool im November vor 51 Jahren war Felix Wesseler noch gar nicht geboren und erst ein Kindergartenstöpsel, als Gründerin Gisela Marx den legendären „WWF Club“ im WDR produzierte und selbst noch gar nicht auf dem Schirm hatte, dass sie einmal das Nachmittagsfernsehen mit Gerichtsshows umwälzen würde. Seine Welt, die ihn in den 1980ern umgab, bestand vornehmlich aus „Theater, Theater“.

Karl „Charly“ Wesseler, sein Vater, war Intendant in Neuss und Münster, arbeitete über Jahre mit dem Theater-Zampano Peter Zadek und brachte den Kölschen Nationalheiligen Peter Millowitsch ins Charakterfach. Auch die Mutter, die Dramaturgin Dorothea Renckhoff, und die Schwester und promovierte Musikdramaturgin Fedora Wesseler haben ihr Leben der Bühne verschrieben. Und obwohl er im Kulturbetrieb gelandet ist wie sie, bezeichnet sich Felix Wesseler als „eher das schwarze Schaf“ in seiner Familie. Als so genannter Trash-TV-Produzent habe er allerdings nie diskutieren müssen, ob es in Ordnung ist, dass er zum Fernsehen geht: „Mein Vater hat den angeblichen Widerspruch zwischen E und U nie akzeptieren wollen. Das finde ich sehr sympathisch.“

Diese Frage hörte er aber schon: „Sag mal, willst du nicht zu Arte gehen?“

Felix Wesseler © filmpool entertainment

Plutôt pas, lieber nicht, dabei hätte Wesseler, der das deutsche Abi plus das französische Bac ablegte, sprachlich sicher keine Probleme gehabt. Sein Interesse an den Öffentlich-Rechtlichen hielt sich in seiner Sturm-und-Drang-Zeit nur sehr in Grenzen seit einem WDR-Praktikum im Rahmen des Volontariats bei der Filmpool. In der Programmgruppe von Unterhaltungschef Georg Habertheuer wurden im Jahr 2000 Programmabläufe, mon dieu, noch mit der Schreibmaschine abgetippt. Auch hörte der Excel-Aficionado oft den Satz: „Junger Mann, das machen wir seit 30 Jahren so.“ (Mittlerweile denkt Wesseler, natürlich, dass beim WDR „viele kluge Leute daran arbeiten, genau diese Kultur zu ändern“.)

Seinem „mir wird unglaublich schnell langweilig“-Naturell kam damals jedenfalls das tagesaktuelle, schnelle Arbeiten und der Stress in der Redaktion von Sat.1-„18.30“ eher entgegen. Die Nachrichtenmacher in Berlin hätten den Praktikanten aus Köln gerne fest übernommen – aber da funkte ihnen Gisela Marx dazwischen.

Was Gisela Marx ihm außer grauen Haaren brachte

Ins Büro der Firmenmatriarchin war Felix Wesseler eigentlich nur gegangen, um sich für das abgeschlossene Volo zu bedanken und Richtung Sat.1 zu verabschieden. Herauskam er als ihr Assistent. Die Sorge, dass er Briefe tippen und Kaffee kochen müsse, hatte ihm Marx zuvor glaubhaft genommen. Sie versprach, ihm ihr Bauchgefühl nahzubringen, wie man Projekte entwickelt, Netzwerke aufbaut und verhandelt. Es war ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte.

Obwohl er bei Sat.1 sofort mehr verdient hätte, hat sich seine Entscheidung für die Filmpool im Nachhinein „vielfach ausgezahlt“, wie er betont. Gisela Marx habe Wort gehalten. Er habe von ihr gelernt, „unter Hochdruck und enormer Geschwindigkeit zu arbeiten und dennoch kreativ zu sein“. Der Preis dafür war freilich hoch. Die Hälfte seiner grauen Haare führt Wesseler direkt auf Gisela Marx zurück. Und bestätigt damit das Branchensagen, dass das Arbeiten mit ihr nicht immer nur Vergnügen war, sondern oft auch Kampf.

Vielleicht fiel es ihm von Anfang an etwas leichter als anderen, die Druckwellen abzufedern, weil er erstens schon als Volontär den Mumm hatte, sich direkt bei der Chefin Feedback für eine Sendung einzuholen, anstatt schüchtern um ihr Büro herumzuschleichen. Zweitens attestiert er sich selbst Problemlöserfähigkeiten und Biss, Liebe zum Austausch mit Menschen und Interesse an ihren unterschiedlichen Perspektiven, dazu die Superkraft, zwischenmenschliche Verbindungen zu sehen, die in einer anderen Konstellation noch einmal nützlich werden könnten.

Ein breites Kreuz hilft nicht nur als Türsteher

Drittens: Wer so ein breites Kreuz hat wie er, hält mutmaßlich viel aus, oder?

Seit Schultagen rudert Felix Wesseler. Er schwimmt. Er betreibt Bodenkampf (nicht im militärischen Sinne). Jeden Tag eine Stunde auspowern, besser zwei. Damit bekämpft er nicht nur eins seiner Laster – er isst gern, Würstchen, Döner, egal, her damit. Dank Sport hält der TV-Manager auch in Konferenzen länger durch. Die beeindruckende Physis kam ihm in jungen Jahren sehr zupass für einen Nebenjob parallel zur Filmpool, mit dem er sein Marketingstudium finanzierte, nämlich als Personenschützer und Türsteher.

Er begleitete Maria Carey zur Autogrammstunde im Saturn, stand beim Ricky-Martin-Konzert im Graben der Kölnarena, bewachte die Tür vom Joe Champs am Rudolfplatz, beriet PR-technisch das Flamingo Royal am Friesenwall. Mit dem Security-Gewerbe wurde es problematisch, als Wesseler 2002 beim Deutschen Fernsehpreis auf dem Roten Teppich Dienst tat und die Filmpool selbst nominiert war. Da kam die Einsicht: „Du kannst nicht für ,Barbara Salesch‘ arbeiten und gleichzeitig die Preisträger beschützen.“

Nun verlangt auch das Leben als TV-Manager sozusagen kreative Verteidigungsstrategien, um in schwierigen Zeiten wie den heutigen zu überleben. Die Sender und Streamer bestellen nicht nur weniger und streichen Marketingbudgets ein. Sie drängen auch: „Macht es uns billiger.“ Ein Lichtpaket für 80.000 Euro ist nicht mehr automatisch drin, weil es den meisten Zuschauern angeblich egal ist, ob da schwarze Löcher zu sehen sind, und es keinen Abonnenten mehr bringt.

These: Da müsste doch die Filmpool klar im Vorteil sein. Denn wenn jemand billig kann, dann ist es ja wohl die Spezialistin von sehr kostengünstig produziertem Reality-Laiendarsteller-Programm wie „Berlin – Tag & Nacht“, das Wesseler, damals total Avantgarde, mit Social-Media-Verknüpfung aufgleiste, oder?

Na ja, nicht ganz.

Gut aufgestellt für Zeiten steigenden Kostendrucks

Natürlich spüren sie auch in Hürth-Kalscheuren diesen enormen Druck in der Produzentenbranche. Er hatte zur Folge, dass Felix Wesseler und Vito Valente im vorigen Jahr bei der All3Media Deutschland zum Mittel der Restrukturierung greifen mussten. Sprich: Sie liquidierten die Tochter Tower Productions, die für Erfolgsformate wie „Die Verräter“ stand.

Felix Wesseler © filmpool entertainment
So schmerzhaft dieser Schritt war, in erster Linie natürlich für das betroffene Team: Liquidator Wesseler kann Positives erkennen. Sie hätten endlich „diesen Sozialismus beendet“, dass über viele Jahre hinweg alle Formate aus dem Katalog von All3Media automatisch zur Tower Productions gingen. Jetzt gilt die Direktive: Derjenige in der Firmengruppe soll das Format bekommen, der es am besten produzieren und verkaufen kann. Die Folgen dieser Logik bereiteten wiederum Wesseler etwas Schmerzen: Als er sein Lieblingsformat „Undercover Boss“ zur Filmpool schieben wollte, wurde er von seinem Kompagnon Vito gestoppt, und er sah ein, dass es die Doku-Kollegen von der South & Browse „noch eine Spur besser machen können“.

Die Stellschrauben, um es, egal bei welchem Format, nicht nur besser, sondern auch billiger zu machen, verrät Felix Wesseler leider nicht. Aber sie werden gedreht. Auch in der Fiction und manchmal ohne, dass es die Profis erkennen. Als ein sehr bekannter holländischer Produzent die Kosten für die Sat.1-Daily „Die Landarztpraxis“ schätzen sollte, habe dieser sechsstellig drübergelegen, erzählt er nicht ohne Stolz.

Was wäre denn auch die Alternative, als sich den Gegebenheiten anzupassen? An die Adresse der Auftraggeber gerichtet sagt der Produzent, dass es in dieser schwierigen Phase „der Sargnagel“ wäre, weniger oder keinen frischen Content zu produzieren. „Das würde eine Abwärtsspirale in Gang setzen und die Zuschauer wegtreiben.“ Deshalb müssten sie auf Produzentenseite schauen, „welche Produktionen für ein bestimmtes Geld noch möglich sind.“ Da sei die Filmpool „eine gute Adresse“.

Viel lieber als über Kosten und Geldnöte spricht der CEO – wer kann es ihm verdenken – über Chancen. Also die Chancen, jetzt den Katalog der All3Media auswerten zu können und nicht mehr ausschließlich Neues zu entwickeln. Oder die Chancen, im von ihm verantworteten Auslandsgeschäft zu wachsen und „Erfolgsgeschichten“ wie die der Scripted-Reality „Verdachtsfälle“ in Ungarn („vom Fleck weg 30 Prozent Marktanteil“) zu wiederholen.

Die Döner-Connection

Nichtsdestotrotz ist Felix Wesseler dabei, die Filmpool unabhängiger von Fernsehen zu machen. Das war das erklärte Ziel bei der Gründung der Magic Connection vor drei Jahren, deren Geschäfte er – natürlich gemeinsam – mit Vito Valente führt. Mit dieser Tochterfirma wollen sie ganz klar auch außerhalb der TV-Branche agieren. Das scheint nicht immer einfach zu sein.

Es gibt Kunden-Gespräche, bei denen Felix Wesseler merkt: „Wenn ich ,Berlin – Tag & Nacht‘ nur erwähnen würde, könnte ich wieder aufstehen und gehen.“ Es gibt andererseits Kunden, wo es ihm zufolge ein Plus ist. Wo wahrgenommen werde, was die Marketingbude in Sachen Storytelling, Liebe zu Charakteren und Zielgruppenkommunikation draufhat. Dazu zählt: Mangal Döner.

Die Meldung von dieser ungewöhnlichen Döner-Connection mit Lukas Podolskis Imbisskette ist noch relativ frisch. Felix Wesseler findet, dass beide Marken, die Magic und die Mangal, perfekt zueinanderpassten: „Wir sind beide sehr hungrig zu wachsen.“ Trotzdem, so ist aus Wesselers lebhafter Erzählung zu schließen, muss die Geschäftsanbahnung wie ein Battle auf dem Grill abgelaufen sein.

Podolskis Co-Geschäftsführer Marco Schepers sei „sehr sportlich“ in die Honorarverhandlungen gegangen. Sie hätten „hin und her gefeilscht“. Am Ende, als sie fast am Ziel waren, habe die Digitalchefin der Magic, die zugleich Wesselers Lebenspartnerin ist, gesagt: „Okay, können wir so machen, aber jeden Monat soll Mangal bitte einen Dönerteller mit alles für jeden im Team drauflegen.“ Das haben sie dann auch so vereinbart.

Na, dann lasst es euch in Holly-Hürth weiter gut schmecken!