Wir müssen noch einmal zurückschauen auf das, was vorigen Samstag in der Nürnberger Messehalle los war. 2.600 Nürnbergerinnen und Nürnberger inklusive ein paar Zugerasten vom Mainzer Lerchenberg rasteten aus, als würden sie auf einer Herdplatte hüpfen. Sie waren, um mal diese aus der Mode gekommene Redewendung zu verwenden, heiß wie Frittenfett. Und wer hat sie auf Temperatur gebracht? Thomas Gottschalk, the hottest showmaster in Europe, seit es „Wetten, dass..?“ gibt?

Nicht ganz. Nicht er allein.

Das erste Mal in seiner Wettshowgeschichte ließ der herbstblonde Halbgott einen Vertreter jener Erdlinge ran, die zu den großen Unbekannten des Fernsehens gehören, weil sich ihr Tun hinter der Kamera abspielt: Christian Oberfuchshuber ist einer von nicht einmal einem Dutzend professionellen Publikumsanimateuren, die auf den Showbühnen Deutschlands im Vorfeld für die nötige Hitze sorgen, stimmungstechnisch.

Wieso wählte das ZDF ihn? Und wieso überhaupt einen wie ihn für das Retro-TV-Revival des Jahres? War Gottschalk nicht dafür bekannt, das Warm-up vor „Wetten, dass..?“ stets selber zu übernehmen? Und weiß Christian Oberfuchshuber vielleicht mehr, wie es weitergeht mit dem 14-Millionen-Zuschauer-Erfolg?

Christian Oberfuchshuber © privat
Die laaaange Nacht von Nürnberg liegt ein paar Tage zurück, als man ihn in einem Kölner Hotel erreicht, um ihm diese Fragen zu stellen. Aufgekratzt wirkt Oberfuchshuber. Ein Grinsen so breit und ansteckend wie das von Micky Maus, das sein weißes T-Shirt ziert. Ist das berufsbedingte Dauerfröhlichkeit? Oder die Nachwirkung von „Wetten, dass..?“

„Da war so viel Energie, der schiere Wahnsinn!“, sagt Oberfuchshuber. Und eine gute Portion davon hat er ganz offensichtlich auch selbst abbekommen. Beim Warm-up habe er nicht viel machen müssen, „die Leute waren von alleine so gut drauf“. Der nicht aufhören wollende Applaus, die Gesänge von den Rängen, „Oh, wie ist das schön“ – alles spontan, alles ungeprobt, vom Publikum selbst angestimmt. Ein easy job für den Stimmungsprofi. Für die anderen endlich mal wieder ein Event wie in den guten alten Fernsehzeiten, als kein Virus die Menschen aus den Shows verjagte.

Er fühle sich noch immer „geadelt, geehrt, gebauchpinselt, geschmeichelt – alles auf einmal“, weil das ZDF das Vertrauen ausgerechnet in ihn hatte: Wenn einer den Aufwärmjob bei „Wetten, dass..?“ machen kann, dann nur der Oberfuchshuber.

Ohne ihn (und seine Kollegen) geht bei deutschen TV-Shows tatsächlich nicht viel bis gar nichts. Dass das Publikum gut drauf ist, frenetisch klatscht und an den richtigen Stellen lacht, zumal in einem Land, in dem pure Begeisterungsfähigkeit und ausgelassene Spontaneität nicht gerade zur DNA gehören – dafür sind Warm-upper verantwortlich. Zu Oberfuchshubers Show-Sammlung gehören: „The Voice of Germany“ (Pro Sieben), „Klein gegen Groß“ (ARD), „Deutschland sucht den Superstar“ (RTL), „Willkommen bei Carmen Nebel“ (ZDF) und so fort. Quiz wie „Gefragt, gejagt“ (ARD) kann er ebenso wie Kabarett („Nuhr im Ersten“). Und international war er auch schon im Einsatz. Also nebenan in Österreich.

Was war das für ein Politikum innerhalb des ORF, als ausgerechnet ein Piefke beim Eurovision Song Contest in Wien die Fans anfeuern sollte! Viele Gegenstimmen gab es. Ja, haben wir denn keine eigenen Leute? Aber Regisseur Kurt Pongratz, mit dem Oberfuchshuber zuvor schon gearbeitet hatte, setzte sich durch für den Mann mit Großevent-Erfahrung. Alpine Wurzeln hat er dazu.

Christian Oberfuchshuber © privat Christian Oberfuchshuber beim Eurovision Song Contest in Wien.

Eben noch auf der Bühne beim Schulfest im Chiemgau, schon bei Europas Schlagergig ESC? Na, ganz so kometenhaft verlief Oberfuchshubers Karriere nicht. Weil in den Bergen, wo er herkommt, nicht viel los ist mit Fernsehen, zog er nach der Schule nach Köln und machte erstmal auf Wunsch der Eltern eine Lehre im Hotel. 1995, da war er grad volljährig, räumte er dann als Kandidat bei „Der Preis ist heiß“ ein Auto, ein Fernglas und (total Retro!) ein Fax ab. Sein Ehrgeiz war geweckt: Ich will auch mal da vorne stehen, so wie Harry Wijnvoord und Walter Freiwald.

Bei einem Promotionjob für den „RTL Club“ wurde das Redetalent entdeckt, allerdings nicht als Moderator. Hast du nicht Lust, Warm-upper zu werden, fragte ihn Tony Eisermann, damals eine gefragte Nummer unter den Stimmungskanonen auf Abruf. Oberfuchshuber hatte. Er und seine Sorte wurden gebraucht. Es war die Hochzeit des Privatfernsehens. Am laufenden Band wurde produziert. Allein 14 Talkshows jeden Nachmittag. Als dann Sat.1 eine tägliche Quiz-Show mit Jörg Pilawa on Air brachte, deren Moderation 2001 Christian Clerici übernahm, zog Oberfuchshuber nach Berlin um.

In der Hauptstadt lebt und liebt er seither. Dort hat er quasi ein Monopol aufs Warm-uppen, da die meisten anderen Kollegen sich in Köln knubbeln. Berliner Produktionen sparen durch ihn Reisekosten. Trotzdem ist der dialektfrei sprechende Berliner Bayer mehr im Zug unterwegs als zuhause. Außer es ist Pandemie.

Im Frühjahr 2020 von jetzt auf gleich beruflicher Cool-down statt Warm-up bei den Ehrlich Brothers in der Münchner Olympiahalle. Doch statt zu verzagen oder sich als Türsteher bei Edeka über Wasser halten zu müssen, richtete sich Oberfuchshuber im eigenen Büro ein Late-Night-Set für seine „Daily Anti Corona Show“ ein, die es immerhin auf gut 60 gestreamte Folgen brachte. Parallel richtete er mit Kollegen seiner Zunft einen Hilferuf an Sender und Produktionsfirmen: Bitte vergesst uns nicht! Drei Stunden, nachdem der Brief raus war, hatte Oberfuchshuber die ProSiebenSat.1-Geschäftsleitung an der Strippe: Auch wenn wir nicht produzieren und euch einsetzen können, bekommt ihr trotzdem euer Geld, denn wir brauchen euch bald wieder. Auch ein Fernsehmoderator bot finanzielle Unterstützung an. „Da weiß man, wer wirklich was von einem hält und wer nicht.“

"Besser kann es jetzt nicht mehr kommen"

Momentan (wir klopfen schnell dreimal auf Holz) läuft das Warm-up-Geschäft trotz Corona. Sollte 3G, 2G, 2G+ nichts helfen und das Fernsehen Publikum wieder ausladen, dann will Christian Oberfuchshuber wieder sein Keyboard auspacken mit den verschiedenen Tönen aus der Applaus-Datenbank. Besser so eine Reaktion als gar keine Reaktion. Aber noch wackelt keine Produktion. Nächste Woche wird der Berufsoptimist mit Jörg Pilawa in Offenburg Silvester für die ARD feiern.

Nur was kann das für ein Fest sein, wo er doch gerade den „Olymp unter den Shows“ bestiegen hat?

„Ich habe den ESC angeheizt. Ich war bei der geilsten Show der Welt ,Der Preis ist heiß‘ dabei. Aber vorigen Samstag ging endlich ein Traum in Erfüllung: einmal ,Wetten, dass..?‘ mitmachen. Besser kann es jetzt nicht mehr kommen“, findet Christian Oberfuchshuber.

Vielleicht doch: mit einer Fortsetzung?

„Unbedingt!“ ist auch er dafür, dass es mit „Wetten, dass..?“ weitergeht. „Mindestens einmal im Jahr, das wird kommen“, ist sich Oberfuchshuber sicher. Aber Genaues weiß auch er nicht. Die gerade anrollende Retro-Welle gefällt ihm, der das Fernsehen der 1990er Jahre für das bessere hält, jedenfalls sehr. „Wenn du den Leuten was Vernünftiges bietest, wo sie sich wohlfühlen, dann kommen die in Scharen. Bei ,Wetten, dass..?‘ hat es ja funktioniert.“

Zu Gottschalks Siebzigstem im vorigen Jahr in einer Berliner Kellerbar war er gebucht. Doch davor war für den TV-Animateur lange kein Herankommen an den Star, weder als Fan noch als Warm-upper, obwohl beide dieselbe Vorliebe für extravagante Show-Klamotten teilen. Der Thomas, sagt Oberfuchshuber, sei eben noch einer von der alten Garde: „Der nimmt sich wirklich Zeit für sein Publikum. Er sagt nicht kurz Hallo, sondern macht eine Viertelstunde seine Späße. Und das, glaube ich, braucht er auch für sich, um selber warm zu werden.“ Erst als Gottschalk zum Privatfernsehen wechselte, zur Late Night bei RTL, ließ er fürs Warm-up auch andere Unterhaltungshandwerker zu. Eine gewisse Vera Int Veen war das damals zum Beispiel. Nur „Wetten, dass..?“ blieb Warm-upper-freie Zone, bis die Interims-Lösung Markus Lanz die eigenen Leute aus seiner Talkshow mitbrachte.

Christian Oberfuchshuber © privat
Warum dann jetzt Gottschalks Kehrtwende bei der Wettshow? Oberfuchshuber zufolge war es diesmal so, dass man sich beim ZDF dachte, der Thomas braucht vielleicht ein bisschen Unterstützung bei der Sendung nach zehn Jahren Pause. Quasi eine zweite Michelle Hunziker, die aushilft, wo Gottschalk nicht mehr weiterweiß. Oberfuchshubers Rolle habe sich aber, wie er betont, nur auf „Hausmeister-Tätigkeiten“ beschränkt: auf Notausgänge hinweisen oder auf die Verhaltensregeln in Pandemiezeiten („Wir haben Corona. Knutschen wir heute mal nicht mit den Nachbarn“). „Also all diese wichtigen Sachen, die Moderatoren gerne mal vergessen.“

Oft wurde Christian Oberfuchshuber gefragt, warum er nie selbst den Sprung zum Moderator vor der Kamera gemacht hat. An fehlendem Wollen lag es jedenfalls nicht. Ein paar Mal landete er bei Castings in der Endauswahl und bekam dann zu hören: Wir brauchen jemand Frisches, aber den Oberfuchshuber kennt doch schon jeder. „Das ist natürlich Quatsch“, sagt er, „die Masse des Publikums kennt mich nicht.“ Böse ist er aber niemand: „Mit der Warm-up-Nummer habe ich im Prinzip einen sicheren Job. Ich mache mein Ding. Wenn eine Sendung abgesetzt wird, trifft es mich nicht wirklich. Ich gehe dann einfach weiter zur nächsten. Das ist doch eine recht komfortable Lage.“

Und so zieht er von Show zu Show, im Gepäck sein Gag-Repertoire, das er stets mit aktuellen Bezügen aufdatiert. Derzeit der Renner: „Ah, Helene Fischer ist schwanger? Aber meine Damen und Herren, keine Sorge, ich weiß, wo Dieter Nuhr vor sechs Monaten war.“ Und dann gibt es noch diese zeitlose Granate, die Oberfuchshuber egal wo zündet, und sie zeigt immer Wirkung, wenn auch nicht immer die gewünschte:

„Wer muss noch auf Toilette? Sie? Tut mir leid, ist zu spät.
Wenn Sie müssen, lassen Sie es einfach laufen.“

Bei „Wetten, dass…?“ habe das wieder „super funktioniert“, erzählt Christian Oberfuchshuber. Der größte Lacher! Ob es feuchte Flecken auf Sitzen gab, wie es der Warm-upper nach einer Aufzeichnung des Remakes von „Was bin ich?“ auf Kabel Eins tatsächlich einmal erlebte, weiß er nicht. Das zu überprüfen gehört ja nun wirklich nicht zu seinem Job.

Aber wetten, dass Christian Oberfuchshuber am heutigen Samstagabend wieder diesen einen Standardwitz raushauen wird? In München, bei der zweiten „Giovanni Zarrella Show“? Alle Anwesenden sollten sich wappnen. Mit Tüchern für wahlweise Lachtränen oder Tränen der Rührung. Und für sonstige Körperflüssigkeiten natürlich auch.