Warum sind wir nicht alle wie Elke Schneiderbanger? Das fragte die „Emma“ scheinbar hochachtungsvoll zu einer Zeit, als man selbst in Alice Schwarzers Frauenturm am Rhein das Wort „Diversity“ noch nicht gebrauchte, aber „Frauenquote“ sehr wohl kannte. Das Stück mit der Überschrift „Die Knallharte“ von 1997 war dann insgesamt eher weniger schmeichelhaft. Die Feministinnenbibel rieb sich am Lebensmotto dieser damals 36-jährigen aufstrebenden Blondine, die aus der Heftmitte vom Schwarzweißfoto strahlt wie ein Fernsehstar, der sie tatsächlich einmal war.

Karriere ist eine Frage des Charakters, wurde Elke Schneiderbanger darin zitiert. Wenn man etwas will, kriegt man es auch. Ergo: Wenn Frauen keine Karriere machen, haben sie sich nicht genug dafür eingesetzt. Entweder Mann, Kind und Katze. Oder Karriere.

Oha. So was durfte man doch nicht sagen! Und heute?

Ist Elke Schneiderbanger eine der wichtigsten Werbe-Managerinnen Deutschlands. Seit 2010 führt sie die Geschäfte der ARD-Werbung Sales & Services (AS&S), die sich Anfang dieses Jahres mit der Schwester AS&S Radio unter einem Dach zusammenschloss und auch deshalb ab Januar den deutlich weniger sperrigen Namen ARD Media tragen wird.

Wie denkt die Chefin ein Vierteljahrhundert nach „Emma“ über dieses Frau-Mann-Ding? Fragen wir nach, knallhart.

In Düsseldorf ließ sich Schneiderbanger vor mehr als 20 Jahren nieder, als sie aus München kam, um Geschäftsführerin und Programmdirektorin von Radio NRW in Oberhausen zu werden. In Düsseldorf blieb sie, als sie zur AS&S nach Frankfurt wechselte. Und aus Düsseldorf schaltet sie sich jetzt zu, weil ihr Büro auf dem Gelände des Hessischen Rundfunks zu ist, mal wieder. Es gilt Homeoffice-Pflicht seit dieser Woche. Das gefällt zwar vielen Mitarbeitenden, aber nicht der Chefin.

Mobile Office: Noch viele Fragen zu klären

„Ich glaube, das mobile Arbeiten birgt viele Chancen“, sagt Elke Schneiderbanger, aber dann kommt ihr Aber: „Es müssen noch viele Fragen geklärt werden.“ Wie entwickelt sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl in der Firma, wenn man allein daheim ist? Trägt es den gemeinsamen Spirit ausreichend oder höhlt es ihn mit der Zeit auch aus? Wie kriegst du Kreativität hin und Spontanität? „Wir brauchen in solchen Veränderungen auch neue Rituale. Und ich glaube, wir haben nicht viel Zeit, um diese zu entwickeln.“

Elke Schneiderbanger © Rui Camillo/AS&S
Beim Stichwort „Rituale“ wedelt sie mit ihrer aktuellen Lektüre in die Computerkamera: „Musenküsse. Die täglichen Rituale von Künstlern“ von Mason Currey. Dort steht, wenn man mit Alltagsroutine umzugehen weiß, gleicht sie einem exakt geeichten Mechanismus, der Zugang zu einer ganzen Bandbreite an beschränkten Ressourcen verschafft: Zeit, Willensstärke, Selbstdisziplin, Optimismus. Klingt, als hätte Currey von Elke Schneiderbanger gelernt.

Kein Porträt seit der „Emma“ (was sie übrigens „nicht gerade schön“ fand), das nicht erwähnt hätte, dass die gelernte Lokaljournalistin, die 1959 im oberfränkischen Breitengüßbach in ein Elternhaus mit Möbelgeschäft geboren wurde, „ehrgeizig ohne Ende“ ist und „immer einen Plan“ hat. Sie selbst hat in Interviews ihre Talente, speziell das als Netzwerkerin, nie unter den Scheffel gestellt. Im Gegenteil. Veranstaltungen, wo Champagner ausgeschenkt wurde, habe sie nicht zum Trinken genutzt, sondern um gezielt Leute kennen zu lernen. Die richtigen Leute, versteht sich.

So schaffte es Elke Schneiderbanger in den 1990ern zur „Rundschau“-Anchorwoman im Bayerischen Fernsehen. Im ZDF moderierte sie die Unterhaltungsshow „Wunder Bar“. Auf Sat.1 interviewte sie in Bonn Helmut Kohl in „Zur Sache, Kanzler“, sonntagmorgens in Hamburg brachte sie in „alSo“, der allerersten Call-in-Talkshow im deutschen TV, Zuschauer zum Mitreden über Politik. Und das alles tat sie nebenher zu ihrem Hauptjob in München als Chefredakteurin und stellvertretende Programmdirektorin von Antenne Bayern. „Kolossales Arbeitstier“ fiel der „Emma“ dazu ein. Sie selbst hat diese Phase als „sehr schön“ in Erinnerung behalten, aber auch als „sehr, sehr ambitioniert“ und die Doppelbelastung als „eigentlich nicht machbar im Rückblick“.

Ein Damen-Tennisturnier in Tennessee

Und was sie da so alles erlebt hat in ihrem ersten Beruf! Als beispielsweise der Kollege Lehmann am Anfang ihrer Radiokarriere ihr, der Moderatorin mit der Frankentypischen D/T-Schwäche, die Meldung reingab vom mit „2.000 Dollar dotierten Damen-Tennisturnier in Tennessee“ („ich bin an jedem einzelnen T gescheitert“). Oder die Kohl-Interviewsimulation vor der Bundestagswahl 1994, wo sie neben den Kanzler-Stichwortgebern Mertes von Sat.1, Diekmann von „Bild“ und Stockmann von der „FAZ“ das „klassische Feigenblatt“ war: „Ich war jung, ich war eine Frau, ich sah gut aus. Man brauchte jemanden für die sozialen Fragen – um die habe ich mich zwar nicht gerissen, aber die habe ich dann bekommen.“

Das alles würde sie so gerne mal an die jüngere Generation weitergeben, vielleicht in einem Audioformat. Wieder ans Radiomikro, da kennt sie sich aus, das juckt sie „total“. Und glauben soll man ihr, „das wäre nicht nur ernst, sondern da gäbe es auch viel zu lachen“!

Ob sie dann auch von dieser Geschichte hier erzählen würde?

Hauptverantwortliche Programmdirektorin von Antenne Bayern wollte Elke Schneiderbanger 1994 werden. Über diesen Vorstoß erzählt man sich in Radiokreisen, wie sie fürs Bewerbungsgespräch zu Helmut Markwort ging, der damals noch nicht mit „Fakten, Fakten, Fakten“ prahlte, sondern Gründungsgeschäftsführer der noch sehr jungen privaten Welle war. Sie haben sich aber in ein hübsches Kostüm geschmissen, soll ihr Markwort entgegnet haben. Entschieden hat er sich dann für ihren gleichaltrigen Konkurrenten Viktor Worms.

Hat sie sich je als Frau im Beruf benachteiligt gefühlt? Nein, dieses Gefühl hatte sie nie, antwortet Elke Schneiderbanger sehr bestimmt. Und dann setzt sie an zu einem Exkurs über Frauen und Männer und Chancengleichheit im Beruf, in dem sie im Prinzip wiederholt, was sie schon vor 25 Jahren der „Emma“ vor den lila Latz knallte: „Karriere ist schon eine Frage dessen, was man will. Es gibt Menschen, die sind karrierebewusst und treffen gerne Entscheidungen, egal ob Männer oder Frauen.“ Dass es immer wieder mal „Hindernisse in einer Karriere“ gibt, das würde sie nicht auf die Geschlechter beziehen. Es gebe auch Männer, die sich untereinander „stutenbissig“ verhielten oder sich gegenseitig nichts gönnten.

Elke Schneiderbanger © Rui Camillo/AS&S
Ihr Ideal von Emanzipation und Gleichberechtigung ist, wenn auch Männer die gleichen Lebensentwürfe haben könnten wie Frauen. Also wenn Männer sagen könnten, ich bleibe ganz daheim und kümmere mich um die Kinder oder arbeite nur halbtags. „Dann hätten wir weniger Probleme.“ Aus ihrer Sicht waren die Möglichkeiten für Frauen „noch nie so gut“ wie heute im Zuge der Quoten- und Diversity-Debatte. Generell, so ist Schneiderbangers Einschätzung, halte sich aber derzeit die Lust, Chef zu werden, bei beiden Geschlechtern in Grenzen: „Als Chef musst du Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen, die dich unter Umständen nicht so wahnsinnig beliebt machen. Das muss man mögen.“

Ja, gut, aber wie war das noch mal mit Markwort damals? „Wechselhafte Phasen“ hätten sie beide erlebt, in denen sie sich „manchmal nicht so ganz einig“ waren, aber sie seien stets von „gegenseitigem Respekt“ geprägt gewesen. Die Tatsache, dass er ihr nicht den Job bei Antenne Bayern gab, habe dazu geführt, dass sie das Headhunter-Angebot aus Oberhausen annahm. Rückblickend für sie: „nicht die schlechteste Entscheidung“.

Als Ober-Chefin von über 40 werbefinanzierten Lokalradios in NRW bekam Schneiderbangers Karriere „noch mal eine ganz andere, spannendere Facette“. Vierzehn Jahre navigierte sie die unterschiedlichsten Tongeber und Temperamente an Rhein und Ruhr durch die Komplikationen des Privatfunks, bis sie zu der Entscheidung kam: „Wenn du die 45. MAs mitgemacht hast und im Juli dich erneut hinsetzt für das Weihnachtsprogramm, dann ist es irgendwann auch mal gut. Da schaut man halt, was man als nächstes machen könnte, und das Angebot, zur AS&S zu gehen, war sehr attraktiv.“

Dass es für sie womöglich noch attraktiver gewesen wäre, sich auf dem Werbemarkt der Privaten auszutoben, sieht die öffentlich-rechtliche Werbefrau nicht so. Das sei, wie man im Bairischen sagt, „a gmahde Wiesn“, eine gemähte Wiese. Klar, da könne man schon alles Mögliche machen. „Das führt aber auch zu Auswüchsen, die man als Programmfrau nicht so gerne sieht.“

Auf der anderen Seite, fährt Schneiderbanger fort, „engagieren wir uns als Private-Public-Vermarkter auch dafür, beim Übergang vom rein klassischen zum digitalen Werbemarkt nicht den Anschluss zu verlieren. Das sind Aufgaben, die ich spannend und interessant finde.“

Spannend und interessant ist in der Tat, welcher überraschende medienpolitische Klops auf einer Veranstaltung der ARD-Vermarktungstochter AS&S für ihre Top-Werbekunden vor ein paar Wochen serviert wurde. Zwischen Tomaten-Carpaccio und Rehrücken trat auch der scheidende HR-Intendant Manfred Krupp ans Mikrofon mit dem Vorstoß, dass ARD und ZDF bitte schön auch in ihren Mediatheken Werbung schalten dürfen. So kurz nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Beitragserhöhung – das hatte für die Kritiker ein Geschmäckle.

Die Gastgeberin des „ARD-Medienlese“ genannten Abends, also Elke Schneiderbanger, sagt, „geplant war da gar nichts, es war auch nichts abgestimmt“. Sie glaubt, Manfred Krupp habe einfach seine „berechtigte Sorge“ zum Ausdruck bringen wollen: Wenn wir, also die ARD, nicht in der Lage sind, auch in der Werbung den Wandel von analog zu digital zu vollziehen, dann ist es auch schlecht um die Werbeumsätze und die Stabilität der zweiten Säule der Mischfinanzierung bestellt. „Und diese Sorge teile ich.“

Dass ARD und ZDF einmal mehr als Produktplatzierungen in ihren Mediatheken unterbringen können, ist derweil eher unwahrscheinlich. Im Kreis der Länder, die noch bis kommenden Januar über den nächsten Medienstaatsvertrag diskutieren, ist dafür keine Tendenz erkennbar. Als Rückschlag empfindet das Schneiderbanger nicht: „Der Entwurf ist jetzt in der Diskussion. Wir hoffen als AS&S natürlich, dass die politischen Entscheider die Notwendigkeiten für eine gedeihliche Mischfinanzierung im Blick behalten.“

Und so macht sie weiter das, was sie gut kann und ihre Aufgabe ist: mit ihren Werbekunden Kontakt halten. Diese hätten „natürlich ein Interesse daran, dass die Werbemöglichkeiten, die wir ihnen derzeit im linearen Rundfunk bieten, auch künftig in einem digitalen Universum erhalten bleiben“.

Vom heimischen Schreibtisch aus sind die Möglichkeiten der Kontaktpflege derzeit allerdings etwas eingeschränkt. Was Elke Schneiderbanger, wie bereits gesagt, nicht gefällt. Sie selbst hat sich Homeoffice-Rituale zugelegt. Zu ihrem geregelten Tagesablauf gehört jetzt – neben dem üblichen morgens um sieben aufstehen, Kaffeetrinken, Mails checken, duschen, an den Schreibtisch setzen und wieder Kaffeetrinken: sich vom Ehemann bekochen lassen.

Am Montag gab’s von ihm, hoppla, Rehrücken mit Wirsinggemüse und Schupfnudeln, dazu eine delikate Demi Glace. Es ist eins ihrer Lieblingsgerichte.

Welche Frau könnte nicht Karriere machen mit so einem kochenden Göttergatten?