„Wir brauchen Fotos! Wo ist Willi?“ Auf dieses Kommando hin schwingt sich besagter Willi, mit vollem Namen Willi Weber, ins Auto, samt seiner Z9, dem neuen Flaggschiff von Nikon, auf das Normalsterbliche noch Wochen warten müssen, und legt los. Foto für Foto prägt er dann das Bild vom Unterhaltungsfernsehen auch für diejenigen, die es nicht live verfolgen. Kaum ein Event, das er nicht für ProSiebenSat.1 fotografisch begleitet. In Unterföhring sagen sie über ihn, „er ist technisch unser bester Mann, unser Live-Show-Spezialist“.

Nicht nur für sie. Den Moment, kurz bevor leichtbekleidete Promis beim gestrigen „Turmspringen“ ins Wasser eintauchten, fror Willi Weber ein (das Drumherum fotografierte Markus Nass). Doch wie sieht der „Willi" eigentlich selbst aus? Wie ist er zum gefragten Live-Show-Fotografen geworden?

Wir brauchen Informationen! Wer ist Willi?

Fragt man Google: ein Nichts. Digital existiert Willi Weber nicht, sofern man ihn nicht mit Michael Schumachers Manager verwechselt. Keine (aktive) Website, keine Social-Media-Präsenz. Offensichtlich keiner, der Wert darauf legt zu zeigen, schaut her, was für ein tolles Leben ich führe.

Willi Weber © privat
Dabei könnte sein Feed überquellen vor Highlights aus zwanzig Jahren Film- und Show-Shooting. Vom Zwei-Wochen-Dreh mit Veronica Ferres auf Malta. Vom „Medicus“-Termin mit Sir Ben Kingsley. Von den „Schimanski“-Arbeiten mit Götz George. Von seinen Jugendidolen Bono und Red Hot Chilli Peppers bei „TV Total“, als es dort noch regelmäßig Gäste gab. Von lovely Lena, als sie nach dem ESC-Sieg in Oslo sich ins Goldene Buch von Hannover eintrug und er diesen Moment für die Welt exklusiv festhielt . . .

Davon erfährt man erst, wenn man sich mit Willi Weber, der sonst die Presse scheut und lieber seine Bilder sprechen lässt, warmgeredet hat.

Am Montagmorgen vor dem „Turmspringen“, endlich, ein Termin. Der zweite Anlauf. Der rasende Fotograf, immer unterwegs, meldet sich von daheim in Dortmund. Das Auto ist grad in der Inspektion, niemand ruft „wo ist Willi?“, nur einer der Söhne schlurft einmal in die Küche, „wo ist mein Müsli?“. Das Metall der Espresso-Maschine blitzt wie frisch geputzt. Auch sonst hat sich der vierfache Vater auf die für ihn ungewohnte Interviewsituation vorbereitet. Am Ende des Gesprächs wird er eine Kiste auf den Küchentisch wuchten.

Ta Daaa, Hunderte von Ausweisen kommen zum Vorschein, die Willi Weber einmal Zutritt verschafften zu Show- und Filmsets. Also wolle er beweisen: Ich war dabei!

Als er mit dem Fotografieren anfing, war nicht abzusehen, dass es ihn einmal ins Entertainmentfach führen würde. Er arbeitete frei für die „Westfälische Rundschau“ in seiner Heimatstadt Dortmund, als diese noch nicht zur „Zombie-Zeitung“ skalpiert worden war, also zu den goldenen Zeiten des Zeitungsjournalismus. Nach vier Jahren wandte er sich der lukrativeren PR zu und wurde Teilhaber eines Studios mit Fokus auf Werbefotografie.

Die Technik schwenkte da gerade von analog auf digital um und revolutionierte die Fotografie insgesamt. Jedermann (und jede Frau) konnte jetzt unbegrenzt fotografieren und sofort im Netz publizieren. Dass die mittelständischen Werbeagenturen nicht mehr teure Fotografen buchten, sondern lieber selbst mit den neuen filmlosen Geräten knipsten, bekam Weber zu spüren. Die Auftragslage wurde immer bescheidener, bis eine Freundin seiner Frau einen Set-Fotografen für ihr Regie-Debüt suchte.

Nach „Alles getürkt“ war für die Bildredaktion von ProSieben die Sache geritzt: Der ist gut. Den können wir weiterempfehlen. Warum nicht an Stefan Raab, der just in Köln einen Fotografen suchte für „TV Total“? Plötzlich steckte Willi Weber im Show-Universum drin. Und wurde Raabs „Haus- und Hoffotograf“.

Ja, so könne man ihn durchaus bezeichnen, stimmt Willi Weber zu, „ich war ja überall dabei“. Nicht nur bei der Late Night „TV Total“ fotografierte er, sondern auch bei den vielen aberwitzigen TV-Events wie „Wok-WM“, „Schlag den Raab“ oder „Bundesvision Song Contest“. Das „Turmspringen“, das RTL jetzt wieder aus den Tiefen des televisionären Pools hervorgeholt hat mit Raab als Produzenten, ist ursprünglich eine Erfindung für ProSieben. Dass Weber nun wieder am Beckenrand zu tun hatte, verdankt er der gemeinsamen Geschichte, die nach Raabs Verschwinden von der Bildfläche als Moderator nicht aufgehört hat.

RTL Turmspringen © RTL / Willi Weber Arbeitsnachweis vom Freitagabend: Willi Weber hat die Turmspringer bei RTL eingefangen

Der „Meister“ schätze wohl an ihm, dass er sich „nicht so in den Vordergrund“ spiele, antwortet Weber auf die Frage nach dem Fundament ihrer beider beruflichen Beziehung. Heißt: Dass er sich off camera genauso sehr zurückhält wie Stefan Raab selbst. „Nicht zuletzt gefallen ihm meine Fotos. Das spielt ja auch eine kleine Rolle“, fügt er lachend hinzu.

Nicht eine einzige Anekdote, nicht der Hauch einer Indiskretion ist aus ihm herauszukriegen über die nun schon zwei Jahrzehnte währende Zusammenarbeit. „Da halte ich es wie der Meister: weniger ist mehr.“ Für sich selbst trommeln muss er ohnehin nicht mehr. Längst hat er sich von seinem Entdecker und Förderer freigeschwommen.

So kann er mit großer Begeisterung von Adolf Winkelmann erzählen, dem Regie-Künstler aus Dortmund, für den er am Set von „Contergan“ und „Junges Licht“ fotografierte. Oliver Welke setzt ihn öfters für die „heute show“ ein und Martina Hill bei ihrem aktuellen Amazon-Projekt. Dennoch spielt sich Willi Webers Hauptbetätigungsfeld nach wie vor bei ProSiebenSat.1 ab.

Ella Endlich nimmt bei „The Masked Singer“ den Zebrakopf ab? Willi Weber hält es fest. Ralf Schmitz schäkert bei „Paar Love“? Willi Weber drückt drauf. Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet lassen sich von Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch beim „Triell“ löchern? Einzig zugelassener Fotograf im Studio: Will Weber.

Über die Jahre ist ein enges Vertrauensverhältnis gewachsen, das Willi Weber auch über die Lockdowns hinüberrettete. Während etwa der hierzulande aus „Germany’s Next Topmodel“ bekannte Star-Fotograf Rankin sich die Zwangspause damit vertrieb, statt blühender Celebrities verwelkte Blumen kunstvoll abzulichten, war Weber „fast durchgehend beschäftigt“, wofür er „unfassbar dankbar“ ist. Auch wenn zeitweise kein Studio-Publikum zugelassen war, wurden ja weiterhin Shows und Filme produziert. Er sei für ProSiebenSat.1 sogar noch mehr unterwegs gewesen als zuvor, „weil ihnen klar ist, wie zuverlässig und umsichtig ich mich verhalte, auch was Corona betrifft“.

Willi Weber © privat
Seine Qualitäten sind damit noch nicht vollends beschrieben. Unglaublich schnell sei er und geschmeidig wie eine Katze, haben sie in Unterföhring gesagt, „man merkt ihn nie am Set“. So soll es sein. Möglichst unauffällig arbeiten, das versucht Willi Weber jedes Mal. Zupass kommt ihm dabei eine, nun ja, anatomische Besonderheit.

Er habe keine Ahnung warum, aber er könne es einfach nicht: ein Auge zukneifen wie die meisten anderen fotografierenden Menschen. Aber es hat Vorteile. „Während ich mit dem einen Auge in die Kamera schaue, kann ich mit anderen sehen, was um mich herum passiert. So merke ich, ob sich eine Steadicam oder ein Kran auf mich zubewegt und kann entsprechend ausweichen.“ Er habe schon öfter zu hören bekommen, dass er der einzige Fotograf sei, der sich im Schwenkbereich vom Kamerakran aufhalten darf.

So war es auch, als an Christi Himmelfahrt Heidi Klum den Arm der „Topmodel“-Siegerin in den Studio-Himmel reckte – für den Fernsehkritiker Rezo die „ekelhafte“ Krönung von „Casting Couch und Body Shaming“. Für Willi Weber der kniffligste Moment der Drei-Stunden-Show. Bloß nicht den Pumpen mit ihren langen, filmenden Objektiven in die Bildparade fahren! Zwei bis drei Tausend Bilder schoss Willi Weber an jenem Abend und verschickte sie aus dem Fotoapparat in einem Zustand, „dass man sie im Bestfall direkt kommunizieren und nicht mehr bearbeiten muss“. Das ist sein Anspruch. 26 davon gab ProSieben frei.

Da stellt sich die Frage: Wie frei ist eigentlich der Urheber? Was sollen wir sehen – und was darf er nicht zeigen? Wie kritisch, gar subversiv darf sein Blick sein?

Sicher habe er schon Momente festgehalten, die etwas Kritisches oder Lustiges zeigten, „und das eine und andere Foto ist bestimmt auch so rausgegeben worden“. Streckt ein Moderator grad die Zunge raus oder sieht irgendwie blöd aus, drückt er „natürlich nicht“ drauf: „Das sind nicht die Momente, die mich interessieren. Ich möchte ein gutes Bild der Show abgeben.“ Dienstleister oder Künstler, als was sieht er sich selbst? Da muss Willi Weber kurz überlegen. „Als Handwerker vielleicht, der sein Equipment im Griff hat und gute Out-of-cam-Bilder produzieren kann? Es hängt auf jeden Fall immer vom Auftrag ab.“

Natürlich habe er bei einer Live-Show weniger Möglichkeiten, in das Geschehen einzugreifen, als bei einem Porträt-Shooting. Er müsse mit den vorhandenen Gegebenheiten und dem Setting arbeiten. „Aber durch meinen Standpunkt und durch die Kameraeinstellungen kann ich trotzdem ein Bild maßgeblich mitgestalten. Da bin ich absolut nicht weisungsgebunden. Mir sagt niemand, wo ich stehen soll, ob ich perspektivisch eher von unten fotografieren oder welche Brennweite ich benutzen soll. Im TV-Studio mache ich mein eigenes Ding.“

Der Instagramisierung der Fotografie, mit der ein Tsunami an schnell und frei verfügbarem Bildmaterial einhergeht, steht der Profi inzwischen gelassen gegenüber. Den Job verlieren, die Arbeitsweise ändern müssen, all diese Befürchtungen sind nicht eingetreten. „Das Equipment, mit dem meine Kollegen und ich arbeiten, ermöglicht eine ganze andere Bildsprache, als wenn ich mit dem Handy fotografiere“, sagt Weber. Ein ultrawinkliges Insta-Foto, wo mit spezieller Software noch ein Effekt draufgelegt wird, habe auch „seine Schönheit“. Doch mit seiner Kameraausrüstung, in die er kontinuierlich investiert, bekämen die Bilder einen „schöneren und ästhetischeren Look“.

Viel Zeit wird Willi Weber nicht gehabt haben, um en detail über die Qualität seines jüngsten Werks zu sinnieren: die Fotodokumentation der RTL-Turmspringer in Berlin. Heute samstagfrüh machte er sich schon wieder auf zurück nach Köln. Um 20.15 Uhr werden sich Jeannine Michaelsen und Charlotte Würdig auf ProSieben duellieren. Wer sonst sollte diese Live-Ausgabe von „Schlag den Star“ fotografieren? Willi, wir brauchen Fotos!