Diese Telegeschichte beginnt im Sommer des Jahres 1993. In Köln bereitet ein kleines Team gerade den Start des ersten deutschsprachigen Musiksenders VIVA vor, als es per Post ein Glas Honig und einen Pinsel übersandt bekommt. Im beiliegenden Brief ist als Erklärung zu lesen, dass man sich damit den obligatorischen Honig schonmal selbst um den Mund schmieren solle. Als Absender ist ein unbekannter Musikproduzent angegeben, der auf diesem Weg ein paar Jingles verkaufen will. Diese Dreistigkeit kommt derart gut an, dass er stattdessen zum Casting als Moderator eingeladen wird. Dort weiß er sofort zu überzeugen und erhält direkt eine eigene Personality-Show im neuen Programm angeboten. Sie stellt den Beginn der Fernsehkarriere von Stefan Raab dar. So zumindest erzählt es die Legende.

"Vivasion" – Zwischen Plastikschwert und Rex Gildos Toupet

Rechtzeitig zum Weihnachtsabend des Jahres 1993 kurz nach Aufnahme des Sendebetriebs von VIVA feierte die erste Ausgabe von „Vivasion“ vor der spärlichen Kulisse eines alten Dachbodens ihre Premiere. Auf dem Papier sollte sie eigentlich eine Talkshow sein, in der Stefan Raab mit prominenten Gästen vor allem aus dem musikalischen Bereich über aktuelle und frühere Projekte sprach. Tatsächlich war sie seine große Spielwiese, die er drei Mal pro Woche (Mo, Mi, Fr um 20.00 Uhr) frei von konzeptionellen Zwängen für das nutzen konnte, was ihm selbst Freude bereitete. Mit beeindruckender Beharrlichkeit eröffnete er jede Episode zum Beispiel damit, dass er durch eine Papierwand (gern unter Verwendung eines Spielzeugschwerts aus Plastik) stieg und sein Publikum mit derselben Formel begrüßte: „Hallo, Herzlichen Glückwunsch, schönen guten Morgen, guten Abend, guten Tag und gute Nacht bei Vivasion.“ Dazu gehörten ebenso Straßeninterviews, in denen er Senioren zu verballhornten Sprichwörtern Stellung nehmen ließ (z.B. „Ewig währt am längsten“ oder „Schäferhund hat Gold im Mund“). Oder er nervte Menschen mit aufdringlichen Wortspielen – wie die Mitarbeiterin eines Maniküre-Studios, die er fragte, was dort „einmal Nageln“ kosten würde. Ein fester Bestandteil jeder Ausgabe war ferner der sogenannte „Zuschauer der Woche“, der (oder die) den Kopf von außen durch ein Loch in der Kulissenwand stecken und sich von Raab jederzeit beleidigen lassen musste.

Die meiste Zeit nahmen die Gespräche und Darbietung der Studiogäste ein. Hier erlaubte sich das Team eine beeindruckende Bandbreite abzudecken. Über die Jahre waren neben zielgruppengerechten Musikstars wie Scooter, Charlie Lownoise und Mental Theo, Bürger Lars Dietrich, Der Wolf, Fettes Brot oder Tobi und das Bo auch große Namen wie Falco, Nena oder Helge Schneider sowie unzählige Schlager- und Volksmusik-Gesichter (z.B. Heino, Marianne Rosenberg, Rex Gildo, Roberto Blanco, Christian Anders, Peter Orloff oder Costa Cordalis). Einer der ersten Gäste war übrigens ein gewisser Guildo Horn, mit dem Raab noch intensiver zusammenarbeiten sollte. Egal wer kam, immer kündigte Raab sie mit demselben Satz an: „Er/Sie ist den ganzen, langen weiten Weg aus… hierher gekommen. Hier ist der/die oft kopierte, aber selten erreichte...“. 

Doch Raab war der unbestrittene Star. Er war die Show und er ließ keinen Raum für andere neben ihm zu. Das wurde allein darin deutlich, dass seine Gäste, unter denen ja durchaus namenhafte Promis waren, auf kleinen Kinderstühlen Platz nehmen mussten, während er auf einem bequemen Bürostuhl mit Kunstfell über ihnen thronte. Auf die Gespräche mit ihnen war Raab nie vorbereitet, er stellte halbgare Fragen und zeigte selten Interesse an den Antworten. Vielmehr war er stets auf der Suche nach Stichworten, die ihm eine Vorlage für einen beleidigenden Witz oder eine musikalische Einlage lieferten. Hierbei rückte er Rex Gildo sein Toupet zurecht oder fragte Franziska van Almsick, ob sie je ins Becken gepinkelt habe. 

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Die Kulisse lebte mit Kunstrasen, Gartenzwergen, Fake-Geweihen, Wellensittich-Gemälden, nackten Barbiepuppen, Sonnenblumentapete, Trockenhauben und Weihnachtsbeleuchtung eine infantile Geschmacklosigkeit aus, die vor Überladung, Wahllosigkeit und Unordnung kaum zu erfassen war. Sein Schreibtisch quoll vor Zetteln, Einsendungen von Zuschauenden und Spielzeugen (Hupen, Piratenhaken, Punchingball etc.) über. Dort waren zudem Getränkedosen verteilt, die Springteufel enthielten oder unter Strom standen. Entsprechend groß war die Schadenfreude, wenn die Gäste unbedarft zufassten und sich erschraken. Darüber hinaus fand ein großes Keyboard Platz, auf dem die Tasten mit verschiedenen Jingles belegt waren, die er jederzeit spontan in den Ablauf einbauen konnte. Unter den Sounds waren ein aufgezeichneter Applaus, die Auftrittsmusik für seine Gäste, ein Pferdelachen und die gesungene Buchstabenabfolge „H-A-N-S-M-E-I-S-E-R“ abrufbar. Somit erfüllte das Keyboard schon damals jene Funktion, die später seine sogenannten „Nippel“ auf dem Schreibtisch von „TV Total“ übernahmen – mit dem Unterschied, dass hier noch keine Videobilder hinterlegt waren. Das würde sich bald ändern.

"Ma Kuck’n" – Das große Tohuwabohu

Es dürfte nicht überraschen, dass Raab und sein Quatsch nicht bloß auf Gegenliebe stießen. „Er bemüht sich um Dreistigkeit und volle Lautstärke. […] Er macht Krach mit einer Hupe und pflegt den Herrenwitz anhand einer Gummipuppe.“ Diese Kritik, die einst im "Spiegel" zu lesen war, endete schließlich mit einem fast prophetischen Satz: „Falls der Mann so weitermacht, steht zu befürchten, daß er bald eine Samstagabendshow bekommt.“ Und genau so sollte es kommen.

Ab dem Frühjahr 1995 führte Raab nämlich zusätzlich durch die neue Sendung „Ma Kuck’n“, die monatlich ebenfalls bei VIVA lief und diesmal besagten Sendeplatz am Samstagabend um 20:00 Uhr erhielt. „Wir wollen das klassische, alte Fernsehen wiederbeleben“, versprach er zum Auftakt, dessen erste Minuten deswegen in schwarz-weiß übertragen wurden. Natürlich war diese Ankündigung reiner Blödsinn, denn auch dort beherrschte kindische Anarchie den Ablauf. Im Grunde war das neue Format wie „Vivasion“ - nur größer, länger und mit mehr Gästen pro Folge. Darunter waren Thomas Anders, Hella von Sinnen, Dolly Buster, Wolfgang Petry, Matthias Reim, Guildo Horn, Mirco Nontschew und Nina Hagen. Anstatt auf Kinderstühlen saßen sie auf großen, beweglichen Plastiktieren, die man heute noch vor einigen Geschäften für Kinder findet. Diese Apparate, die durch Einwurf einer Mark aktiviert werden, konnte Raab von seinem Tisch aus steuern und seine Gäste damit überraschen. Hierbei bewegte sich Arabella Kiesbauer so heftig, dass sie samt Tier nach hinten fiel. Große Freude hatte Raab an seinem erklärten Idol Karl Dall, der mit seinen derben Beleidigungen sichtlich mitten in Raabs Humorzentrum traf. Außerdem trafen sich dort Dieter Bohlen und seine künftige Kurz-Gattin Verona Feldbusch, die gleichzeitig eingeladen waren.

Karl Dall bei Stefan Raab © VIVA

Neben vielem Altbekannten, bot „Ma Kuck’n“ drei Bestandteile, die einen erheblichen Unterschied zu „Vivasion“ ausmachten und Raabs Talente in die Hände spielten. Erstens, er konnte seine Albernheiten nun vor einem Livepublikum ausleben und mit den Zuschauenden interagieren. Dafür mussten bei den publikumsfreien Aufzeichnungen von „Vivasion“ bisher seine Mitarbeitenden herhalten. Zweitens, auf seinem Tisch waren ein halbes Dutzend rote Knöpfe montiert, die mithilfe eines angeschlossenen Bildsamplers nicht mehr nur Sounds, sondern jetzt auch kurze Videoclips (etwa von einer lachenden Dame) abfahren konnten. Raab nutzte diese, um Vorfälle im Studio zu kommentieren. Vor allem hatte er  – drittens - mit dem RIAS-Tanzorchester erstmals eine Live-Band zur Verfügung, mit der er musizieren und herumalbern konnte. Die Kapelle stand unter der Leitung eines gewissen Till Brönners, der später trotzdem eine erfolgreiche Karriere als Jazz-Musiker erreichen konnte. Mit diesen drei Elementen bewegte sich das Raab-Rezept einen weiteren Schritt in die Richtung, wo in rund fünf Jahren „TV Total“ ansetzen wird. Mit „Raab in Gefahr“ war dort sogar erstmals jene Reihe aus Einspielfilmen erschienen, die bei „TV Total“ regelmäßig zum Einsatz kam.

Der kleinen Big Band samt Hammond-Orgel oblag es ebenso, die eingeladenen Musikinterpret:innen zu begleiten. Dabei entstanden insbesondere mit den früheren Dance-, Hip-Hop oder Rock-Acts einige sehr skurrile Auftritte. Unter anderem trauten sich die Fantastischen Vier, Fettes Brot, Scatman John, E-Rotic, Das Modul, Fun Factory, Culture Beat und Fatboy Slim, ihre Songs auf diese Weise neu interpretieren zu lassen. Unvergessen bleibt die Performance von Scooter, die ihren Song „Move Your Ass“ unter Einsatz eines Kazoos in einer einmaligen Version vortrugen.

Mit klassischer Samstagabend-Unterhaltung hatte all das natürlich (und mit voller Absicht) nichts zu tun. „Ma Kuck’n“ war vor allem laut, hektisch, chaotisch und das Studio für die vielen Spielzeuge, Gäste, Musikschaffenden und Zuschauenden viel zu klein. Der Look war erneut dominiert von einer konsequenten Mischung aus Geschmacklosigkeit und Trash, die vom Kulissendesign aus orangem Kurzhaarteppichen bis zum Hochhalten von Pappkärtchen anstelle von Einblendungen reichte. Um die Clips und Einspieler zu starten, musste Raab zudem an einer Klospülung ziehen, die über seinem Kopf angebracht war. In dem gläsernen Spülkasten befanden sich einige Pflanzen, ein Taucher und eine Barbie-Puppe, die dadurch immer wieder aufs Trockene gelegt wurden.

Seine VIVA-Shows waren irgendwie eine Parodie auf andere Gesprächssendungen, aber irgendwie auch nicht. Sie waren Kindergeburtstag und Satireprojekt zugleich. Sie waren unfassbar albern und platt, aber in ihrem zelebrierten Chaos und in ihrer kindlichen Unbeschwertheit gleichzeitig genial. Sie waren durch die ewig gleichen Sätze und Rituale schrecklich redundant, aber auch in jeder Sekunde unberechenbar. Raabs Nuscheln, seine ziellosen Gedanken, seine mangelnde Vorbereitung und seine Respektlosigkeit, aber auch seine Angstfreiheit, seine Schnelligkeit und sein musikalisches Können lösten Fremdscham und Bewunderung gleichermaßen aus. Er wurde dafür genauso gehasst, wie er geliebt wurde.

Jenseits der vier Buchstaben

In einem seiner seltenen Interviews erläuterte Raab im Jahr 1998 gegenüber "Spiegel TV" seine Motivation für den ständigen Radau und die andauernden Provokationen: „Es ist am Anfang so gewesen, dass VIVA ein kleiner Sender war, der wenig Aufmerksamkeit hatte, an den keiner geglaubt hat. Da kann man nur mit spektakulären Aktionen über die VIVA-Zielgruppe hinaus.“

VIVA war ihm schlicht zu klein. Daher suchte Raab weitere Gelegenheiten, auch abseits seiner Shows aufzufallen. So reiste er ohne offizielle Akkreditierung und ohne Budget zur Fußball-WM 1994 in die USA und lauerte dort den Spielern der deutschen Nationalmannschaft sowie dem amtierenden Bundestrainer Berti Voigts auf. Von ihm handelte letztlich sein Lied „Böörti Böörti Vogts“, das überraschend gut ankam und sich zu seinem ersten musikalischen Hit mauserte.

Der Zuspruch des Songs bescherte Raab einen Auftritt in der traditionsreichen „ZDF Hitparade“, wo er vor gediegenem Publikum seine Instrumente zertrümmerte. Es folgte eine Einladung zur Show „Die Goldene Stimmgabel“ mit Dieter Thomas Heck, in der Raab untersagt worden sei, seinen albernen Hit „Böörti Böörti Vogts“ zu präsentieren. Stattdessen möge er einen anderen Song darbieten. Raab kam diesem Wunsch nach, reagierte aber darauf, indem er während der Live-Sendung seinen Mund zum Playback nicht bewegte.

Einen handfesten Skandal löste er mit einem Beitrag aus, den als Sonderreporter für das kurzlebige, weil missratene Sat.1-Unterhaltungsmagazin „No Sports“ gedreht hatte. Darin lauerte er auf dem Bundespresseball in Bonn den anwesenden Politikerinnen auf der Damentoilette auf und interviewte sie auf dem eigentlich stillen Örtchen. Darüber hinaus forderte er den amtierenden Bundespräsidenten Roman Herzog auf, mit ihm “Backe, Backe Kuchen” zu singen. Diese Aktion führte dazu, dass Sat.1 massiv in die Kritik geriet und ein indirektes Hausverbot für zukünftige Veranstaltungen erhielt. Selbst die „Bild am Sonntag“ bezeichnete die Sendung daraufhin als “Schmuddel-Show”, die keine Verletzung zivilisierter Umgangsformen auslassen würde. 

Abseits der Fernsehkameras machte Raab sich einen Namen als Musiker und feierte auch in diesem Bereich große Erfolge. In die VIVA-Ära fielen seine Produktionen „Ein Bett im Kornfeld“ und „Hier kommt die Maus“ sowie der deutsche ESC-Beitrag von Guildo Horn („Guildo hat Euch lieb“). Er veröffentlichte zwei Studioalben und komponierte bzw. arrangierte die Titelmelodien zu den TV-Hits „Veronas Welt“ und „Bärbel Schäfer“.

"Das kann doch mal passieren" – Die Ur-Version von "TV Total"

Im Hause VIVA war man sich bewusst, dass Raab seiner kleinen Spielecke längst entwachsen war. Im Jahr 1997 erhielt „Vivasion“ darum einen neuen Anstrich, der sichtlich bemüht war, das Format stärker als Comedyshow zu positionieren, um mit ihr den Weg für Größeres zu ebnen. Neben einem neuen Set und einer Überarbeitung des On-Air-Designs (samt Titelmelodie) kamen einige feste Rubriken hinzu. Zu ihnen gehörten die „Vivasion News“ (kurze Gags in Form von Einspielfilmen), eine Seifenoper mit Kakerlaken („Die Kaki Family“) und die Reihe „Elvis lebt!“, in der die immer gleichen Aufnahmen eines Hasens mit schmutzigen Geschichten unterlegt waren. Eine allzu starke Weiterentwicklung brachte „Vivasion Plus“ allerdings nicht. Es blieben die Papierwand, der zugemüllte Tisch samt Keyboard, die Kinderstühle und der „Zuschauer der Woche“, der jetzt seinen Kopf durch ein Loch in einem Esstisch stecken musste. Das galt ebenso für Raabs Desinteresse an allem jenseits von Musik. Seine Aussprache wurde noch nuscheliger und unverständlicher. Mit der Neuausrichtung reduzierte sich die Schlagzahl auf zwei Episoden pro Woche, dafür sendete er mittwochs oft live.

Obwohl man versuchte, mit den Änderungen für frischen Wind zu sorgen, war längst klar, dass Raab weiterziehen und endlich großes Fernsehen machen wollte. Dazu tat er sich im Jahr 1997 mit Jörg Grabosch und dessen Firma Brainpool zusammen. Gemeinsam produzierten sie einen Piloten mit dem Namen „Das kann ja mal passieren“, der den selbstbewussten Untertitel „Die Stefan-Raab-Show“ trug.

Ähnlich wie bei „Ma Kuck’n“ zollte Raab darin den großen Showmastern des deutschen Fernsehens seinen Tribut, indem die Gesichter von Hans Rosenthal, Hans-Joachim Kulenkampff und Peter Frankenfeld über der kleinen Showtreppe prangten. Doch abermals war diese Referenz eher Staffage. Eine tatsächliche Hommage an die einstigen Klassiker war das Ergebnis nicht. Es blieb eine typische Raab-Sendung mit billiger, geschmackloser Kulisse, flachen Witzen, schlechten Interviews und holprigem Ablauf. Sie kombinierte einige frische Rubriken mit bewährten Elementen aus den VIVA-Shows. Insbesondere waren Till Brönner und das RIAS-Tanzorchester wieder an Bord und fungierten als Sidekicks. Neu war eine Rubrik, in der er für 24 Stunden wechselnde Berufe ausprobieren wollte. Für den Piloten übernahm er die Arbeit als Müllmann. Ferner ließ er zusammengesetzte Melodien und die Imitationen japanischer Touristen von immer demselben Studiokandidaten erraten, der nach jeder Frage eine Ukulele gewann und am Ende all die Instrumente nicht mehr tragen konnte. Der Comedy-Autor Peter Rütten lieferte mit „Die Schumis“ einen Playmobil-Stop-Motion-Clip zu, der sich dem vermeintlichen Privatleben von Corinna und Michael Schumacher widmete, sich aber darauf reduzierte, einzig plumpe Witze über Schumis Kinn zu machen. Die Einspieler von seinem Besuch auf einer Hasenzüchter-Ausstellung und vom Test eines Polizistenwitzes an Polizisten wurden einfach in „TV Total“ recycelt – wie auch sein erstes „Raabigramm“ für Rudi Carell, das ursprünglich für den Piloten entstand.

Als Gäste hatte sich das Team mit Karl Dall, Verona Feldbusch und Rudolph Moshammer drei verlässliche Namen eingeladen, die bereits in früheren Sendungen abgeliefert hatten. Sie spielten wieder brav mit und ließen jede von Raabs Beleidigung lächelnd über sich ergehen. Den Höhepunkt bildete ein Kakadu, der auf Kommando sein Geschäft verrichten sollte. Im Studio misslang dieser Trick, wodurch es offenblieb, ob das Tier dieses Kunststück tatsächlich beherrschte. Auf seinem Tisch waren erneut „Nippel“ (also Knöpfe) montiert, mit denen er diesmal Ausschnitte aus anderen Talkshows einspielen konnte. Dahinter lagen Fragen, die beispielsweise Jürgen Domian ursprünglich an einen Fußfetischisten gestellt hatte und die Raab nun an seine Gäste weitergab.

Ohne Ulla Kock am Brink wäre das nie passiert

Den fertigen Piloten verschickten Raab und sein Team an alle potentiellen Kanäle, erhielten jedoch durchweg Absagen. Sogar ProSieben zeigte sich anfangs wenig begeistert, sodass er anderthalb Jahre im Schrank herumlag. Im Rahmen einer Eventprogrammierung auf VIVA bekam er zumindest eine einmalige Ausstrahlung im Fernsehen. Als dann das Prestigeprojekt der „Ulla Kock am Brink Show“ scheiterte und vorzeitig abgesetzt wurde, hatte ProSieben plötzlich Mittel frei. Georg Kofler, der damalige Chef von ProSieben, war anfangs wenig begeistert von der Idee, mit Raab zusammenzuarbeiten und soll gesagt haben: „Der Raab von Viva? Nur über meine Leiche!“ Dennoch gelang es Grabosch und Raab, die Herstellung von zunächst vier Ausgaben mit ihm auszuhandeln. Der Inhalt des Piloten musste dafür weiterentwickelt werden, weil den Verantwortlichen dessen Titel und Ausrichtung zu beliebig waren. In diesem Prozess entstand die Idee, witzige Ausschnitte aus dem Fernsehen stärker zu ihrem Gegenstand zu machen. Das Konzept zu „TV Total“ war geboren.

Ein steter Wegbegleiter von Stefan Raab war der frühere Aufnahmeleiter Marcus Wolter, der zu einem engen Freund und zum Producer vieler Raab-Formate wurde. Bei „Vivasion“ geriet er im Laufe der Zeit zunehmend zu Raabs Anspielpartner. Selbst bei vielen seiner provokanten Musikauftritten stand er mit auf der Bühne. In einem Interview sagte Wolter, der heutige Geschäftsführer von Banijay Germany: „Die großen Momente gibt es für mich, wenn eine Show zu einer Kampagne wird.“ Da ist es nicht verwunderlich, dass gleich in den ersten Folgen von „TV Total“ die Weigerung des Handwerkers Dieter Bürgy vorbeizukommen, zu einem mehrwöchigen Event hochgeputscht wurde. Er war der Redaktion zuvor in einem Werbespot für Calgon durch die Verwendung des Begriffs „Lochfraß“ aufgefallen. Das allerdings ist eine ganz andere Telegeschichte…