Es ist vielleicht eines der hartnäckigsten Mythen, mit dem sich das klassische Fernsehen konfrontiert sieht: TV sei ein Alte-Leute-Medium und junge Menschen würden heute nur noch auf Snapchat, TikTok oder anderen (sozialen) Medien unterwegs sein. Allein: Die Zahlen aus der Forschung geben das nicht her. Natürlich: Die Sehdauer der jungen Menschen ist in den zurückliegenden Jahren zurückgegangen - einerseits wegen Plattformen wie TikTok, aber auch, weil sich der TV-Konsum auf die Streamingdienste verlagert.
Doch auch wenn man das mit einberechnet, schauen junge Menschen auch heute noch vergleichsweise viel Fernsehen. Wobei man dabei erst einmal klären muss, was eigentlich "jung" bedeutet. In der Berichterstattung geht’s oft um verschiedene Zielgruppe, die Jüngsten sind die 3- bis 13-Jährigen, es sind die Kinder, die klassischerweise vor allem die Kindersender einschalten. Aber auch die 14- bis 29-Jährigen oder die 14- bis 49-Jährigen werden oft noch als "jung" bezeichnet.
Das hat auch damit zu tun, weil viele TV-Sender im Schnitt ein sehr altes Publikum haben. Es kommt nicht von ungefähr, dass RTL die früher mal klassische Zielgruppe im Alter zwischen 14 und 49 Jahren auf 59 Jahre ausdehnen will und vorrangig nur noch Erfolge in dieser Altersklasse kommuniziert. Das Stammpublikum ist der klassischen Definition mittlerweile entwachsen - sprich: älter als 49 Jahre.
"Tatsächlich ist die Sehdauer in den letzten Jahren zugunsten von Streaming rückläufig, dennoch ist TV noch immer eines der Hauptmedien für die junge Zielgruppe."
Lars-Eric Mann, Chief Marketing Officer Ad Alliance
© RTL
Lars-Eric Mann
Das klassische Fernsehen hat aber nicht nur eine besonders hohe Nettoreichweite beim jungen Publikum. Aus der Mediennutzungsanalyse 2024 des Privatsenderverbands VAUNET geht hervor, dass die 3- bis 13-Jährigen im vergangenen Jahr durchschnittlich täglich 29 Minuten TV gesehen haben. Bei den 14- bis 29-Jährigen waren es 37 Minuten und bei den 30- bis 49-Jährigen 108 Minuten. Insgesamt sind es bei den Personen, die älter sind als 14 Jahre, 188 Minuten. Grob zusammengefasst kann man also sagen: Je älter, desto mehr TV.
Ein Großteil der Jungen schaut regelmäßig TV
Das heißt aber eben nicht, dass keine jungen Menschen mehr TV schauen. Auch in den täglichen Quotenlisten, über die DWDL.de seit jeher intensiv berichtet, schlägt sich das nieder. Sehr regelmäßig kommen die Sendungen von RTL, ProSieben, Sat.1, Vox & Co. hier auf durchschnittlich (!) mehrere hunderttausend Zuschauerinnen und Zuschauer, wenn man die 14- bis 49-Jährigen als Maßstab heranzieht. Das ist, trotz rückläufiger Zahlen, ein Pfund, mit dem man auch gegenüber Werbekunden wuchern kann.
© ProSiebenSat.1/Dennis König Photographie
Lennart Harendza
Auch Lars-Eric Mann von der Ad Alliance betont die Anstrengungen seines Hauses im Streamingbereich mit RTL+. Alleine im September hätten dort die 14- bis 29-Jährigen mehr als 21 Millionen Stunden Inhalte gesehen. "Besonders erfolgreich sind dabei unsere Reality-Formate. Lineares TV + Streaming - genau darauf zahlt unsere One-Brand-Strategie ein: Wir bündeln Bewegtbildreichweiten über alle Screens hinweg und sprechen Zielgruppen mit RTL und RTL+ konvergent an. So bleibt TV – im weitesten Sinn – der stärkste Reichweitenlieferant für Marken."
Junge Menschen schauen auch in der Sparte
Die jungen Menschen, egal aus welcher konkreten Zielgruppe, schauen übrigens nicht nur einen der großen Sender. Auch in der Sparte sind regelmäßig hohe Reichweiten drin - zusammengerechnet sowieso, aber auch auf Basis einzelner Sender. Besonders erfolgreich beim jungen Publikum waren zuletzt unter anderem ZDFneo und ZDFinfo, aber im Privat-TV auch RTLup, Nitro, DMAX, ProSieben Maxx und Comedy Central.
© Visoon
Kai Ladwig
Der Mythos, junge Menschen würden kein Fernsehen mehr schauen, ist wohl nicht nur entstanden, weil die Reichweiten entsprechend gesunken sind und viele Menschen heute lieber zeitversetzt streamen, sondern auch, weil die Fernsehmacher lange gebetsmühlenartig betonten, man müsse mehr Inhalte für diese Zielgruppe machen - um dann irgendwann den Kampf um sie im Linearen öffentlichkeitswirksam aufzugeben.
Tatsache aber ist: Auch heute sitzt das "junge Publikum", egal wie man es definiert, vor dem TV-Gerät und sieht sich lineares Programm an. Es sind weniger als in der Vergangenheit, klar. Und doch ist das lineare Fernsehen in allen jungen Zielgruppen nach wie vor ein sehr relevantes Medium. Und hinzu kommen dann natürlich noch die Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich das Programm der TV-Sender zeitversetzt ansehen. Das zu kapitalisieren, ist vor allem für die großen Privatsender-Gruppen eine der großen Herausforderungen für die Zukunft.
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