Als Bastian Pastewka unlängst die Fortsetzung seiner Kult-Sitcom "Pastewka" bei Amazon ankündigte, lag für ihn einer der Vorteile gegenüber der bisherigen TV-Heimat Sat.1 auf der Hand: Man könne jetzt im Kopf freier sein beim Schreiben, "weil wir niemanden vom Sender haben, der uns permanent über die Schulter blickt".

Mit seinem plötzlichen Freiheitsgefühl steht Pastewka nicht allein da. Vom Fernsehalltag leidgeprüfte Kreative und Produzenten jubeln den Streaming-Anbietern zu, seit sich herumgesprochen hat, dass diese keine Redakteure beschäftigen und den Machern weitgehend freie Hand lassen. Auch ein experimentierfreudiger Sender wie Vox wird dafür gefeiert, dass er eine Ausnahmeserie wie "Club der roten Bänder" zustande gebracht hat – nicht obwohl, sondern weil außer dem Senderchef höchstpersönlich keine Fiction-Redaktion beteiligt war.



Daraus abzuleiten, das deutsche Fernsehen könne von heute auf morgen auf Redakteure verzichten, wäre freilich ein gewaltiger Trugschluss. Das zeigt schon ein flüchtiger Blick in die DWDL.de-Jobbörse, wo TV-Sender und Produktionsfirmen diese Spezies zuhauf suchen – auch wenn der Begriff, der vom lateinischen Verb "redigere" – zurückführen, in Ordnung bringen – abstammt, gerne mal durch neuere Wortschöpfungen wie "Program Manager" ersetzt wird.

Mit dem Anspruch auf Ordnung ist es so eine Sache: Idealerweise sollten Redakteure auf Sender- wie auf Produktionsseite dafür sorgen, dass eine Show, ein Magazin, eine Serie so gut wird wie nur eben möglich. Indem sie die richtigen Themen aussuchen, die dafür am besten geeigneten Macher beauftragen, die inhaltliche Entwicklung und Umsetzung über alle Schritte hinweg begleiten, unterstützen, dramaturgisch beraten und hinterfragen. Ist man beim Produzenten angestellt, sitzt man für gewöhnlich näher, permanenter und kleinteiliger am Produkt; arbeitet man im Sender, hat man mehrere Projekte zu koordinieren und folgt eher den großen Linien. Darüber hinaus sollte man jedoch an einem Strang ziehen, und zwar am besten in dieselbe Richtung.

In der Realität fällt es oftmals schwer, die Ordnungen von Sender und Produzent unter einen Hut zu bringen. Über "Strategiegefechte", "Befindlichkeiten" oder "Zuständigkeitswirrwarr" hört man beide Seiten regelmäßig klagen. "Redakteursfernsehen" ist zum einschlägigen Schimpfwort für weite Teile des real existierenden Programms geworden, gleichbedeutend mit: mutlos, durch endlose Diskussionen verwässert, durch Kompromisse geglättet und im Mittelmaß gelandet.

Tipp #1 für Nachwuchs-Redakteure:
"Seid mutig, neugierig, denkt quer, verlasst alte Pfade und stellt einfach viel infrage. Und habt keine Angst, Fehler zu machen!"

Katja Rieger, Leiterin Programmentwicklung, Vox


Ist das die Schuld des einzelnen Redakteurs? Wohl kaum. "Rückblickend muss ich sagen, dass wir als Sender sicher dazu beigetragen haben, die Produzenten in ihre devote Haltung zu treiben", bekannte die frühere Sat.1-Chefredakteurin Tanja Deuerling vor einem Jahr im DWDL.de-Interview. "Aber als Senderverantwortlicher ist man auch nur begrenzt handlungsautonom. Man steckt in seiner Struktur, man hat seine Vorgaben zu erfüllen."

Trotz Struktur und Vorgaben gibt es jene engagierten Redakteure, die sich tagtäglich um das Besondere bemühen und für ihre Programme kämpfen. Nicht umsonst fühlte sich Bastian Pastewka beim Amazon-PR-Termin bemüßigt, seiner generellen Senderkritik rasch eine Einschränkung hinterher zu schieben: "Wir hatten aber, das muss man sagen, all die Jahre einen ganz bezaubernden Redakteur bei Sat.1, der das ganz toll gemacht hat."

Die Rede ist von Josef Ballerstaller, 68 Jahre alt und eine Legende der deutschen TV-Comedy, weil er zeit seiner langjährigen Sat.1-Tätigkeit nicht nur "Pastewka", sondern auch die "Harald Schmidt Show", die "Wochenshow", "Ladykracher", "Schillerstraße" oder "Genial daneben" mitgeprägt hat. Von DWDL.de nach dem wichtigsten Element seiner vielfach preisgekrönten Redakteurslaufbahn befragt, nennt Ballerstaller rückblickend die "gegenseitig respektierende, faire und auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit mit einer enorm großen Zahl von hervorragenden Künstlerinnen und Künstlern sowie Produzenten".