Klassische Musik. Kein sexy Thema für eine Serie. Sollte man meinen. Vor allem, wenn man die typisch deutsche Unterteilung zwischen E-Musik und U-Musik im Kopf hat. Doch "Mozart in the Jungle" zeigt, dass klassische Musik tatsächlich ein sexy Thema sein kann - wenn man zur passenden Geschichte den richtigen Autor und die gute Besetzung findet. Dazu: Musik, die selbst Klassik-uninteressierte Menschen mitreißen kann. Herausgekommen ist eine unterhaltsame, schöne, amüsante, warmherzige Serie, in die man eintauchen kann, wenn man dem nervigen, grauen Alltag ein bisschen entfliehen möchte. 

Es ist einerseits die Geschichte der Oboistin Hailey Rutledge (Lola Kirke), deren großes Ziel es ist, bei den New Yorker Symphonikern zu spielen. Andererseits die Geschichte des Dirigenten-Rebells Rodrigo De Souza (Gael Garcia Bernal), der den Symphonikern neues Leben einhauchen soll. Die Figuren stehen im Gegensatz zueinander - Bernal spielt den Dirigenten warmherzig, entrückt, sprunghaft, voller Liebe und zugleich mit einer überzeugenden Ernsthaftigkeit, Kirke ihre Oboistin schüchtern, hingegebungsvoll, eigenwillig - und ziehen sich doch an, beeinflussen sich gegenseitig. Die beiden Hauptdarsteller haben beide sowohl eine besondere Ausstrahlung als auch eine so starke Chemie miteinander, dass man sie auf dem Sofa spüren kann.  

Die vierte Staffel wurde im Dezember veröffentlicht - und Amazon hat sich lange Zeit gelassen, die Entscheidung über die Zukunft der Serie bekannt zu geben. In der Nacht zu Samstag dann die Nachricht: Es wird keine fünfte Staffel geben. Ich persönlich hätte mich über weitere Folgen gefreut, denn die Serie tut mir gut. Weil sie so unaufgeregt ist. Weil sie Wärme ausstrahlt. Weil sie mich in eine schöne Welt entführt, in der überall Musik mitschwingt und weil die Probleme in dieser Welt nicht hochdramatisch und nicht grausam, sondern lösbar sind. Weil ich die Figuren allesamt liebenswert und interessant finde. 

Doch reicht all das für eine Serie, um sich in der gegenwärtigen Flut an Serien zu behaupten? Fast 500 Serien allein in den USA wurden im vergangenen Jahr veröffentlicht. Da ist nicht mehr die entscheidende Frage: Wer soll das alles gucken? Sondern: Wie schaffe ich es, dass meine Serie so heraussticht, dass sie jemand guckt? Kann ich mit "unterhaltsam, schön, amüsant, warmherzig - und ach ja, es geht um klassische Musik" tatsächlich Leute erreichen? Als "Mozart in the Jungle" Ende 2014 veröffentlicht wurde, sah das noch anders aus: Sie war die vierte Serien-Eigenproduktion von Amazon Video, mittlerweile gibt es mehr als 20. Über die Serie wurde anfangs geredet, weil sie durch die Entscheidung für die Welt der klassischen Musik ungewöhnlich war. Aber nicht, weil sie besonders dramatisch, besonders witzig, besonders grausam ist oder weil in ihr die Geschichten von Minderheiten erzählt werden. 

Obwohl ich nun hier darüber schreibe, wie gut mir diese Serie tut: Es hat dreieinhalb Jahre gedauert, bis ich sie eingeschaltet habe. Und das auch nur, weil ich auf der Suche nach etwas Leichtem war, viele andere leichte Serien auf meiner Liste aber schon geschaut hatte. Es war also eigentlich reiner Zufall. Machen wir uns nichts vor: Es ist keine Überraschung, dass Amazon diese Serie nicht um eine weitere Staffel verlängert. Schließlich sind in den vergangenen Monaten schon ganz andere Serien eingestellt worden, um die es zumindest vorher einen gewissen Buzz gab.   

Schönes bleibt, heißt es. Im Fall von "Mozart in the Jungle" stimmt das. Denn auch wenn sie nun nicht weitergeht - es gibt vier wirklich schöne Staffeln. Und ich hoffe, dass diese noch von manchem Zuschauer, mancher Zuschauerin entdeckt werden. Um des schönen Gefühls willen, das die Serie beim Gucken hervorruft.

Alle vier Staffeln von "Mozart in the Jungle" sind bei Amazon Video (Prime) verfügbar.

Anmerkung der Autorin: Ich habe die erste Version des Textes am Freitag geschrieben, als noch nicht bekannt war, ob Amazon die Serie verlängern würde oder nicht. Am frühen Samstagmorgen stand der Text für ein paar Minuten in der ersten Version online, bevor ich ihn an die Nachricht angepasst habe.