In dieser Kolumnenausgabe möchte ich mich mit etwas beschäftigen, was mir viel zu selten auffällt, weil ich mich durch Jahrzehnte des Serienguckens zu sehr daran gewöhnt habe: Wenn Schauspieler junge Figuren spielen, sie aber deutlich älter sind. Es gab gleich zwei Anlässe, die mich über das Problem stolpern ließen: ein Satz in einer "Riverdale"-Episode und der Cast von "Friday Night Lights". In der zweiten Staffel von "Riverdale" gibt es eine Folge, in der die Schülerinnen und Schüler an der Schule ein Musical einüben und später aufführen. Und während es bei einem solchen Schul-Musical ja tatsächlich normal wäre, wenn die Rolle nicht dem Alter gemäß besetzt werden, weil es nun mal alles Schüler sind, geht hier eine Rolle an die Figur Alice Cooper (gespielt von Mädchen Amick), die die Mutter der Hauptfigur Betty ist. Der Regisseur, selbst ein Schüler, erklärt die überraschende Besetzung damit, dass man ja dem Alter gemäß besetzen müsse, und die Musical-Figur sei nun mal ebenfalls eine Mutter. Was wohl eine Anspielung sein sollte an all die vielen, vielen, vielen Rollen im Genre der Young-Adult-Serien - zu der auch "Riverdale" gehört - die mit Schauspielern und Schauspielerinnen besetzt werden, die deutlich älter sind, als die Figur, die sie spielen. Dieser kleine Satz hat bei mir dazu geführt, dass ich - endlich mal wieder! - über diese Besetzungspraxis nachgedacht haben.

Und schon am nächsten Tag passierte der zweite Anlass: Nachdem mir seit mehreren Jahren immer wieder von verschiedenen Seiten gesagt wird, dass "Friday Night Lights" eine großartige und wichtige Serie sei, habe ich meine "Ich interessiere mich aber nicht für American Football!"-Abneigung überwunden und die Serie angefangen. Ja, sie ist großartig, wichtig, für ihre Zeit revolutionär und immer noch überraschend modern, obwohl sie schon zwölf Jahre alt ist - darüber mehr und ausführlicher ein anderes Mal. Doch was mir aufgefallen ist und was ich bei einer Serie, die ich mit so vielen positiven Attributen versehe, nicht erwartet hätte: Die Schauspieler und Schauspielerinnen, die hier die High-School-Schüler und -Schülerinnen spielen, sind viel zu alt und wirken auch zu alt. (Mit einer grandiosen Ausnahme: Jesse Plemons in der Rolle als Landry Clarke. Plemons war zwar auch älter, wirkt aber passend pubertierend.)

Wenn man sich das Alter der Casts in "Friday Light Nights" und "Riverdale" anschaut, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Und ich meine nicht das Staunen, das man habe könnte, weil man überrascht ist, wieviel älter sie tatsächlich sind. Sondern das Staunen, weil man sich fragt: Was zur Hölle hat die Verantwortlichen geritten, dass sie konsequent Leute besetzen, die vier bis fünf Jahre älter sind als ihre Rolle und auch älter aussehen? Natürlich gibt es dafür einige pragmatische Gründe (erfahrenere Schauspieler, weniger Einsatz-Einschränkungen wegen des Alters etc.). Weniger pragmatisch als ökonomisch getrieben ist folgender Grund: Je älter und attraktiver die Darstellerinnen und Darsteller, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie vom Publikum angehimmelt werden. Und mit Publikum meine ich vor allem diejenigen, die mit Young-Adult-Serien angesprochen werden sollen: Teenager und Menschen Anfang 20. Aber hat sich eigentlich mal jemand Gedanken darüber gemacht, wie diese Besetzungspraxis auf das Publikum wirkt?  

Springen wir mal ein paar Jahrzehnte zurück, zu einer Serie, mit der für mich die Gewöhnung an diese Besetzungspraxis begonnen hat: "Beverly Hills, 902010". Ich war 16, als ich 1992 zum ersten Mal die Clique (Ja! Damals wurde noch dieses Wort "Clique" verwendet!) um Brenda und Brandon auf RTL gesehen habe. Doch diejenigen, die in der Serie Menschen in meinem Alter spielen sollten, waren mit zwei Ausnahmen zwischen 18 und 29 Jahre alt. Ja, es war naiv, aber ich habe mir damals keine Gedanken darüber gemacht, dass alle deutlich reifer wirkten als ich (sowohl was den Körperbau als auch das Selbstbewusstein und die Art des Sich-Bewegens angeht). Vielleicht habe ich es darauf geschoben, dass die Serie in den USA spielt, ich weiß es nicht mehr. Ich kann mich allerdings an Folgendes erinnern: Ich habe die Figuren ein bisschen dafür bewundert, dass sie so gut aussahen und so reif waren. Glücklicherweise habe ich aber nie danach gestrebt, ebenfalls so zu sein.

Damals gab es bereits die Diskussion über Jugend- und Mode-Zeitschriften, die Mädchen und jungen Frauen vermeintliche Schönheitsideale vorsetzen, die weder erstrebenswert noch erreichbar sind. Doch über die Bilder, die Serien vermitteln, wurde damals nicht diskutiert, es gab allerdings einfach auch nicht viele. Aber das hat sich kurz danach stark verändert: Erst kamen viele Filme, dann viele, viele Serien wie "Gossip Girl", "Glee" oder eben nun ganz aktuell "Riverdale". Diese jugendlichen Figuren in Serien gehen anders, kleiden sich anders, geben sich anders, als das die Jugendlichen im Publikum tun. Sie haben eine andere Körperlichkeit, gehen anders mit ihrem Körper um. Und ja, sie gehen auch routinierter mit dem Austausch von Körperlichkeiten um, dargestellte sexuelle Handlungen sind erwachsener. Der letzte Punkt hat nicht nur etwas mit dem Alter der Darsteller und Darstellerinnen zu tun, sondern auch mit dem Alter der Autorinnen und Autoren, die ja allesamt lange erwachsen sind.

Zugespitzt könnte man sagen: Hier wird erwachsenes Verhalten, Selbstbewusstsein und Aussehen in ein jugendliches Setting (meistens ein Schul-Umfeld) gepackt. Ich präzisiere meine Frage von oben: Was macht das eigentlich mit den Jugendlichen, die das gucken? Nein, mir geht es nicht um Sex-Szenen oder Ähnliches. Mir geht es um diesen erwachsenen Habitus, der da wie selbstverständlich in ihrer Welt spielt, der aber eigentlich nicht da hineingehört. Ich habe keine Antwort auf die Frage - meine Erinnerungen an meine Teenager-Zeit helfen da nur sehr eingeschränkt weiter, weil einerseits lange her und andererseits deutlich weniger Young-Adult-Serien und -Filme. Ich finde aber, dass es nötig ist, dass man sich darüber Gedanken macht und die Entwicklung im Blick behält. Und sei es, dass man - im Kleinen, zu Hause - mit dem jugendlichen Nachwuchs darüber redet, das Bewusstsein schärft.

Glücklicherweise gibt es ja gute Gegenbeispiele, alte und neue: In "My So-Called Life" zum Beispiel ist Claire Danes, die die Hauptrolle spielt, erst 15 und damit genauso alt wie die Figur. In "Freaks and Geeks" sind diejenigen, die die Freaks spielen, deutlich älter, aber so gecastet und zurechtgemacht, dass sie zum Alter der Figuren passen - die Geeks-Darsteller dagegen entsprechen im Alter eher ihren Rollen. Beiden Serien war allerdings kein langes Leben vergönnt.
Kommen wir zu neuen Beispielen: Die Besetzung der Jugendlichen - sie sind ja fast noch Kinder - in "Stranger Things" ist verblüffend überzeugend und altersgemäß. Die Serie gehört allerdings zu einem anderen Genre, genauso ist es übrigens auch bei "Dark". Die funk-Serie "Druck" dagegen gehört zum Young-Adult-Genre, geht damit aber anders um: Die Figuren sind in dem Alter, in dem auch Brenda, Brandon und Co. waren, doch sie sehen viel jünger aus und damit eher so, wie ich es aus meiner eigenen Oberstufenzeit in Erinnerung habe. Im norwegischen "Druck"-Vorbild "SKAM" ist das übrigens genauso, und "SKAM" zeigt: Serien, die altersgemäße Figuren zeigen, können auch erfolgreich sein.