Ich hatte ja keine Ahnung, wie gut Elizabeth Olsen schauspielern kann. Natürlich wusste ich, dass sie die Schwester der Olsen-Zwillinge ist. Und auch, dass sie bereits vor allem in Independent-Filmen mitgespielt hat, aber gesehen hatte ich keinen davon. Doch in der Serie "Sorry for your loss" hat sie mich mit ihrem schauspielerischen Können umgehauen. Elizabeth Olsen spielt eine Frau, deren Ehemann gestorben ist. Er war jung, sie ist jung, sie waren noch nicht lange verheiratet, und der Tod kam sehr überraschend.

Das Publikum lernt Leigh - die junge Witwe - ein paar Wochen nach Matts Tod kennen. Schon die Eröffnungsszene, in der Leigh einen Monolog in der Trauer-Selbsthilfegruppe hält, ging mir unter die Haut. Sie sitzt im Stuhlkreis, blass, mit Augenringen, um Fassung bemüht und redet darüber, ob und wie man den Tod eines Ehepartners mit dem Verlust einer großen Summe Geld vergleichen könnte. Die Kamera fokussiert auf ihre Augen - und da ist sie, diese überbordende Traurigkeit, die mich mitreißt, in diesen großen Augen, die aussehen, als hätte man ihnen jedes Leben entzogen. 

Und auch in den Rückblenden sind es diese Augen, die deutlich machen, wie gut die schauspielerische Leistung von Elizabeth Olsen ist. In Szenen, in denen Leigh mit ihrem Mann Matt zusammen ist und alles gut zu sein scheint. Da ist Leben in diesen Augen, sie funkeln, sie strahlen, sie sind mitreißend. Im Laufe der bisher veröffentlichten acht Folgen zeigt Olsen eine ganze Palette an Gefühlen, sowohl in der Zeit nach dem Tod, als auch in den Rückblenden: Wir sehen sie wütend, besorgt, glücklich, verzweifelt, enttäuscht, sorglos. Die Gefühle spiegeln sich in ihren Augen - was nachdem, was ich oben geschrieben habe, nicht unbedingt erwähnswert wäre. Wenn da nicht der Fakt wäre, dass man an ihren Augen immer sofort erkennen kann, ob es sich um die Rückblenden-Leigh oder die Jetztzeit-Leigh handelt. Wut, Besorgnis, Enttäuschung sieht in den Augen von Rückblenden-Leigh anders aus als in den Augen von Jetztzeit-Leigh. Das finde ich wirklich bemerkenswert. 

Glücklicherweise trifft dieses Schauspielkönnen auf eine Serie, die das wert ist. Hier wird die Geschichte einer Trauernden erzählt, die wir, das Publikum, nicht einfach nur bemitleiden. Denn oft ist sie ungerecht und gemein, ignoriert, dass auch andere durch Matts Tod großes Leid erfahren haben. Die Serie zeigt, wie sehr die Trauer Teil des Alltags bleibt, wie die Trauer sich ändert und wie sehr sie die Menschen verändert und welche Auswirkungen sie auf die Beziehungen der betroffenen Menschen untereinander haben kann. Es ist eine unaufgeregte Studie menschlichen Leids geworden, die zwar auf bekannte Werkzeuge des seriellen Erzählens zurückgreift, doch diese manchmal fast nebensächlich einbaut. So gibt es zwar einige überraschende Wendungen, doch sie werden nicht mit großer Spannung aufgebaut und dann mit lautem Hallo geerntet, sondern sind einfach ein Teil der Geschichte, die zurückhaltend erzählt wird.

Es hat mich überrascht, dass es ausgerechnet die Serie "Sorry for your loss" ist, mit der Facebook in den hart umgekämpften Serien-Markt einsteigt. Denn die Serie ist weder bombastisch, noch sind es richtig große Namen, die daran beteiligt sind. Entsprechend hat sie für wenig Aufsehen gesorgt, als sie am 18. September veröffentlicht wurde. Und auch die Abrufzahlen, die bei Facebook unter den einzelnen Folgen standardmäßig veröffentlicht werden, sind nicht hoch - zwar wurde demnach die erste Episode mehr als 3,7 Millionen Mal angeklickt, doch die späteren Folgen fallen stark ab: etwa 65.000 Aufrufe für Episode 2, etwa 55.000 für Episode 3 (Stand: Freitagmittag). Ob das nun als Misserfolg gewertet werden kann, mag ich nicht beurteilen. Vermutlich liegt die Motivation der Facebook-Entscheiderinnen und -Entscheider auch woanders. Denn die Integration einer Serie direkt in den Platzhirsch im Social Web, so dass die Diskussionen auf derselben Plattform stattfinden können, wo auch geguckt wird, macht den Aufbau von Communitys einfacher, interessanter und lukrativer. Unter diesen Gesichtspunkten ist eine Serie über Trauer und den Tod eines geliebten Menschen natürlich eine naheliegende Wahl, weil sie viele Ansatzpunkte für emotionsgeladene Kommentare gibt. 

"Sorry for your Loss" ist für Facebook-Nutzer und -Nutzerinnen gratis auf Facebook Watch verfügbar, dienstags werden neue Folgen veröffentlicht, insgesamt soll die erste Staffel zehn Episoden umfassen.