"Mythic Quest: Raven's Banquet" ist ein komplizierter Name für eine Comedy-Serie. Und viele, die den Namen lesen und sich für Videospiele interessieren, würden vielleicht eher an ein Game denken als an eine Serie, oder? Der Gedanke ist erwünscht: Schließlich handelt es sich um eine Comedy über Menschen, die gemeinsam an dem gleichnamigen fiktiven Game arbeiten. 

Es gibt viele Millionen Menschen weltweit, die leidenschaftlich Games spielen. Eine solche Serie trifft also auf eine große potenzielle Zielgruppe. Wer wüsste denn nicht gerne, wie die Leute hinter den Games ticken - und das auch noch überzeichnet in einer Comedy? Mich wundert, dass das jetzt erst passiert. Dass jetzt erst - ausgerechnet von AppleTV+, einem Neuling in der Serienbranche - die Gaming-Fans als Zielgruppe angesteuert werden.

Alle, die sich mit der Tech-Branche beschäftigen, wurden schon vor ein paar Jahren als Zielgruppe erkannt: Amerikanische Serien wie Amazons Comedy "Betas" (2013), AMCs Drama-Serie "Halt and Catch Fire" (2014 bis 2017) und natürlich HBOs Comedy "Silicon Valley" (2014 bis 2019) visieren diese Zielgruppe an. Achja, die britische Comedy-Serie "The IT Crowd" (2006 bis 2013) darf da nicht fehlen, als Pionier sozusagen, wenn auch mit einer anderen Stoßrichtung.

Doch Games? Ja, es gibt die Netflix-Serie "The Witcher", aber auch erst seit ein paar Monaten. In der Serie geht es zwar nicht um die Leute, die das erfolgreiche gleichnamige Rollenspiel machen, sondern hier werden die Bücher adaptiert, auf der auch das Game basiert. Aber die Zielgruppe ist klar: die Millionen begeisterten "The Witcher"-Spieler. Und dann sind da noch Games-Adaptionen wie "Pokémon" (seit 1997) und "Castlevania" (seit 2017). Doch eine Serie über die Branche? Fehlanzeige.

Deswegen finde ich es umso spannender, was "Mythic Quest: Raven's Banquet" da versucht. Allerdings: Mir ist es ein bisschen zu brav geworden. Vor allem, wenn man "Silicon Valley" dabei im Kopf hat. Okay, die Figuren sind liebenswürdiger, als es die Jungs von "Silicon Valley" je waren. Das muss kein Manko sein. Aber: Die Konflikte sind zu harmlos, die Dialoge nicht bissig genug. Mir kommt die Satire zu kurz. Denn das, was in dem Entwicklungsstudio los ist (Streit um Monetarisierung, Nazi-Versammlungen im Game, Dominanz weißer Männer, Über-Egos, fehlende Diversität, Schwierigkeiten mit Influencern), ist zwar lustig, kratzt aber nur an der Oberfläche. Dadurch bleibt die Serie: nett. Aber mehr auch nicht. Und ähnelt eher einer Workplace-Comedy, in der typische Figuren aus der Arbeitswelt zu finden sind, die jeder und jede kennt. Niemand in der Games-Community wird sich ertappt fühlen, niemandem wird das Lachen im Hals steckenbleiben. Niemand wird hoffen, dass nicht er oder die eigene Firma gemeint sind - wie das bei "Silicon Valley" der Fall war.

Was die Macher und Macherinnen um Schöpfer und Hauptdarsteller Rob McElhenney mit der Serie erreichen wollten, weiß ich natürlich nicht. Vielleicht wollten sie genau das: eine harmlose Serie machen, über die viele Millionen lachen können, die trotzdem bestimmte Konflikte in der Gaming-Branche thematisiert. Ich gehe außerdem davon aus, dass ich als Nicht-Gamerin viele subkulturspezifische Anspielungen nicht wahrgenommen habe und dass die Serie für Insider ein Referenzfeuerwerk entzündet. Dadurch wird der Tonfall aber nicht schärfer. Und ob dieser überhaupt erwünscht war, wenn mit Ubisoft einer der weltweit größten Games-Produzenten selbst an der Produktion der Serie beteiligt ist, ist zumindest fraglich. 

Ich hatte mehr erwartet, fühlte mich dennoch gut unterhalten. Was auch auch an den - für die Gaming-Branche überraschend - vielen Frauenfiguren lag. Bemerkenswert fand ich die Folge 5 ("A Dark Quiet Death"), die so gar nichts mit den Figuren und den anderen Folgen gemeinsam zu haben scheint (Cristin Milioti und Jake Johnson als Videospiel-Pioniere in den 90ern), weil sie eine besondere Tonalität hat und mehr über den Zynismus in der Branche aussagt als die restlichen Folgen der ersten Staffel. Interessant außerdem: Folge 2 ("Dinner Party"), weil hier mit Entwickler-Denke an ein Problem mit Nazis herangegangen wird (und selbst Politiker in Deutschland daran sehen können, wie entscheidend Ausgrenzung ist).

Die zehn Folgen der ersten Staffel von "Mythic Quest: Ravens's Banquet" sind bei AppleTV+ verfügbar. Die zweite Staffel wurde bereits vor dem Start der Serie Anfang Februar in Auftrag gegeben.