Früher war alles besser. Da durfte man erstens noch ohne Einschränkungen rausgehen, da lauerte zweitens kein fieses Virus in herumfliegenden Atemtröpfchen, und da waren drittens Sitcoms noch wirklich lustig.
Zu erstens: Ja. Zu zweitens: Sind Sie sicher? Zu drittens: Äh, das ist vielleicht ein bisschen verklärend, oder?

Allerdings: Vielleicht kann Verklärung jetzt gerade ziemlich gut tun. Und ganz vielleicht könnte es helfen, diesen seltsamen Alltag zu bewältigen, wenn man sich ein bisschen in der Nostalgie suhlt. Mir jedenfalls tut eine gewisse Portion Serien-Nostalgie derzeit gut, wie ich am Mittwochabend festgestellt habe. Da habe ich in einen neuen Podcast reingehört, der mich für knapp eine Stunde in die gute alte "Scrubs"-Zeit zurückgeholt hat. "Scrubs", dieses wunderbare Krankenhaus-Dramedy-Sitcom-Kleinod, das von 2001 bis 2010 in den USA lief und ab 2003 auch in Deutschland zu sehen war. Hach! Die beiden Hauptdarsteller Zach Braff (er spielte J.D.) und Donald Faison (er spielte J.D.s besten Freund Turk) haben nun den neuen Podcast "Fake Doctors, Real Friends" gestartet, in dem sie die ganze Serie durchsprechen - wöchentlich, Folge für Folge, oft mit Gästen und mit Fragen von Fans. Also 182 Wochen lang (wenn sie die neunte Staffel tatsächlich mitzählen sollten*).

Und nachdem ich da am Mittwochabend reingehört habe, bin ich mir sicher: Ich werde viele dieser Wochen mitmachen (und nach Staffel 8 aussteigen). Ob ich wirklich jede Serien-Folge passend dazu anschauen werde? Eher nicht, dafür fehlt mir - anders als zum Nebenbei-Hören - die Zeit. Vielleicht hier und da mal wieder reinschauen. Aber wie ich festgestellt habe, habe ich die Serie noch überraschend gut im Kopf. Als die beiden über bestimmte Szenen in der Pilotfolge gesprochen haben, hatte ich sie sofort vor Augen. Und es tat so gut! Einfach mal in "Scrubs" schwelgen. Braff und Faison plaudern unterhaltsam über Hintergründe (interessante Casting- und Kennenlernen-Geschichten) und über einzelne Szenen. Es macht Spaß, den beiden zuzuhören, weil sie einerseits zwar freundschaftlich und wertschätzend miteinander umgehen (real friends, eben!), weil sie andererseits es aber schaffen, das Publikum mit ins Boot zu holen und nicht in Insider-Geschichten und Weißt-du-noch-Hahaha! abgleiten.

Mir ist beim Hören der ersten Folge wieder bewusst geworden, welch besondere Serie "Scrubs" war und immer noch ist. Dass sie einer meiner Lieblingsserien ist, die ich aber immer zu nennen vergesse, wenn mich jemand nach meinen Lieblingsserien fragt, hatte ich in dieser Kolumne vor knapp drei Jahren bereits aufgeschrieben. Und dieser Podcast hat mich wieder daran erinnert. Ich freue mich schon auf die nächste Portion Nostalgie, wenn Braff und Faison über Folge zwei sprechen. Wer zu Gast sein wird, weiß ich nicht. Ich würde mich sehr über Sarah Chalke, John C. McGinley, Neil Flynn und besonders Serienschöpfer und -autor Bill Lawrence freuen. Ach, eigentlich auf alle Beteiligten - zum Beispiel auch die Person, die für großartige Musikauswahl zuständig war. Vielleicht fällt mir in den nächsten Wochen auch mal eine Frage ein, die ich den beiden per Sprachnachricht schicken kann. Bei den vielen "Scrubs"-Fans weltweit würde es an einen kleinen Lottogewinn grenzen, wenn meine Frage tatsächlich drankäme. Aber okay, vielleicht probiere ich es wirklich mal. Muss nur noch eine gute Frage finden.  

Doch "Scrubs" war nicht die einzige Serien-Nostalgie, in der ich mich in dieser Woche gesuhlt habe: Seit Mittwoch sind alle sechs Staffeln von "Community" bei Netflix verfügbar. "Community", diese herrlich und wahnsinnig schräge Sitcom von Dan Harmon, die von 2009 bis 2015 lief und ab 2012 auch in Deutschland zu sehen war. In jeder anderen Woche hätte ich das registiert, mich gefreut, dass es endlich so weit ist, und mir vorgenommen, da auf jeden Fall bald mal reinzuschauen. In Corona-Zeiten allerdings ist alles anders, und ich habe am Freitag, als mir mal wieder alles zu viel wurde, schnell mal eine Folge "Community" angeschaltet. Die erste, natürlich, damit ich es mir als Recherche-Gucken verkaufen konnte. Und - hey - ich schreibe gerade darüber, es war also Recherche. Ha! Auch hier fiel mir auf, wie präsent ich die einzelnen Szenen der Pilotfolge noch hatte. Aber, was ich komplett vergessen hatte: Wie normal diese Episode ist, wie wenig man anhand der ersten Folge hätte ahnen können, welche Verrücktheiten die Serie später bereithalten würde. Wer den Rest (noch) nicht kennt, könnte vermuten, dass das hier eine Freunde-Liebschaften-Sitcom mit College-Setting werden könnte, die Freundschaftsthemen und im Zentrum die klassische "Will they - won't they?"-Frage um Jeff (Joel McHale) und Britta (Gillian Jacobs) bearbeitet.

Wer den Rest kennt, erkennt die Saat schon in der ersten Folge: Abeds (Danny Pudi) Film- und Popkulturhirn, Pierces (Chevy Chase) Baby-Boomer-Verhalten, Shirleys (Yvette Nicole Brown) übergriffige Mütterlichkeit, Annies (Alison Brie) fanatisches Strebertum, Jeffs ausgefeilte Tricksereien, Brittas hochmoralische Selbstgerechtigkeit. Troy (Donald Glover) allerdings scheint kantenlos, wie ein unbeschriebenes Blatt. Wenn ich mich recht erinnere, ist es auch erst die enge Freundschaft zu Abed, die ihn zu einer bemerkenswerten und ebenfalls exzentrischen Figur macht. Von dieser ungewöhnlichen Freundschaft ist in Folge 1 noch nichts zu spüren. Erst ab Folge 2 merkt man, dass zwischen den beiden eine besondere Chemie zu sein scheint. Doch in welche Abgründe und in welche fantastische Höhen diese Freundschaft führen wird, davon ist auch in Folge 2 noch nichts zu ahnen. Mich würde mal interessieren, ob Serienschöpfer Dan Harmon in der ersten Folge schon wusste, wie schräg und absurd er die Serie werden lassen will? Und, nächste Frage: Wenn er das schon wusste, wusste das auch der Sender NBC damals schon? Oder war das auch für die NBC-Verantwortlichen eine Überraschung, in welche Popkulturtiefen und Meta-Meta-Meta-Ebenen "Community" zeitweise abtauchen würde? Im Grunde egal, es ist ein Glück, dass Dan Harmon diese Serie in diese verrückte Richtung entwickeln konnte. Und ich freue mich schon darauf, Folge für Folge in den zunehmenden "Community"-Wahnsinn abzugleiten und so dem realen Corona-Wahnsinn zu entfliehen. 

"Community": Alle sechs Staffeln gibt's bei Netflix. Bei Amazon, iTunes und Microsoft sind fünf Staffeln verfügbar.

"Scrubs"-Rewatch-Podcast "Fake Doctors, Real Friends" mit Zach Braff und Donald Faison gibt's (fast) überall da, wo's Podcasts gibt. Zum Beispiel bei Apple Podcasts

Alle neun acht Staffeln von "Scrubs" gibt's bei Amazon, iTunes oder Maxdome. Der Bezahlsender "Sky Serien & Shows" wiederholt die erste Staffel ab 9. April. 

*Für mich gehört die neunte Staffel nicht dazu. Neue Schauspieler und Schauspielerinnen, neues Setting und sogar ein neuer Untertitel: "Scrubs - Med-School". Und, das Wichtigste: kein Vergleich zum Original. Ein schlechtes Spin-off, das sie da als neunte Staffel verkauft haben.

Tipps zum Weiterlesen:
2019 sind die wichtigsten Beteiligten von "Community" zusammengekommen und haben bei "Vulture" ausführlich über besondere und prägende Folgen gesprochen. "'Community' Reunited: 'I think I'm On The Greatest Television Show Ever Made"

"Scrubs" und "Community" sind im Grunde dieselbe Serie, behauptet jemand bei Cracked: "9 Reasons 'Community' and 'Scrubs' Are the Same Show"

Die schnelle Portion Nostalgie gibt's hier: "23 'Scrubs' Tumblr Posts That Will Make You Want To Binge-Watch It Right Now"