Den Erfolg von Zeitungen und Zeitschriften zu messen, ist heute um vielfaches schwieriger als noch von ein paar Jahrzehnten, weil die Angebote vielfältiger geworden sind. Neben dem traditionellen Print-Produkt gibt es E-Paper, es gibt bezahlte oder frei zugängliche Online-Angebote und darüber hinaus noch diverse andere speziellere Bezahl-Produkte. Die IVW, die seit jeher für die Auflagenkontrolle zuständig ist, erfasst das in unterschiedlichen Systemen - was beispielsweise dazu führt, dass Titel wie "Bild" regelmäßig ihre steil sinkenden Print-Auflagen erklären müssen und dabei nicht müde werden zu betonen, wie erfolgreich sie doch digital seien.

Insbesondere bei solchen Titeln dürfte man in der Kommunikation künftig häufiger auf die "IVW-Gesamtzahl (Publishing Digital | Print)" stoßen - denn die IVW möchte nun damit mehr Übersichtlichkeit in den Markt bringen, dass sie die unterschiedlichen Daten zusammenrechnet. In diese Gesamt-Zahl gehen künftig die Auflagen gedruckter Exemplare, von E-Papern, sogenannten "Extended E-Papern" (die nicht mehr weitgehend inhaltsgleich mit dem Print-Produkt sein müssen) sowie die Nutzungsrechte von Paid-Content-Angeboten ein. Dabei wird nichts gewichtet oder verrechnet, es handelt sich um eine schlichte Aufsummierung.

Die Gesamtzahl nützt also logischerweise vor allem jenen, die viele Abonnentinnen und Abonnenten für ihre Digital-Angebote gewinnen konnten. Bei "Bild" sind das inzwischen 630.524 im Durchschnitt des letzten Quartals. Gemeinsam mit der Print-/E-Paper-Auflage ergibt sich also eine IVW-Gesamtzahl von rund 1,735 Millionen Verkäufen - und im Vergleich zum Vorjahr dann ein Wachstum um rund 50.000 statt eines Rückgangs der Print-Auflage. Diese Betrachtungsweise hat in jedem Fall ihre Berechtigung, schließlich ist es in Sachen publizistischer Reichweite ja egal, auf welchem Weg die Inhalte ihre Leserinnen und Leser erreichen.

Insbesondere bei "Bild" ist es allerdings so, dass durch das Herausstellen dieser einzelnen Zahl auf den ersten Blick schnell unter den Tisch fällt, dass insbesondere bei "Bild" ein ganz beträchtlicher Anteil der Online-Abos mit einem massiven Rabatt in den Markt gedrückt wurden. Für aktuell 45 Prozent aller Online-Abos werden weniger als 2 Euro im Monat bezahlt - trotzdem gehen sie voll in die Abo-Wertung der IVW-Gesamtzahl ein - bei den klassischen Print-Werten immerhin einer der Teile, die als "harte Auflage" gewertet werden.

Die gute Nachricht: Dieses Detail lässt sich auch aus der Ausweisung der IVW problemlos herausholen, sofern man sich die Mühe machen möchte. Das konnte man aber eben auch schon vor Einführung der IVW-Gesamtzahl. Der große Vorteil dieser Gesamtzahl ist also ihre Übersichtlichkeit - es ist aber zugleich auch ihr Nachteil, sie lässt nämlich außer Acht, dass hier ganz unterschiedliche Dinge zusammengerechnet werden, die auch in ganz unterschiedlicher Höhe für Einnahmen sorgen. "Eine für alles, was zählt" (so der Spruch, mit der die IVW die "Gesamtzahl" bewirbt) ist fraglos ein guter Ansatz - die Frage ist nur, ob diese einfache Aufsummierung der Komplexität wirklich gerecht wird.

Der eigentlich größte Profiteur dieser IVW-Gesamtzahl ist übrigens nicht "Bild", sondern mit "Welt" der andere Springer-Titel. Der kommt am Kiosk nur noch auf sehr übersichtliche Verkäufe, durch die neue IVW-Gesamtzahl wird aber nochmal vor Augen geführt, dass "Welt" online eben inzwischen eine ganz erhebliche Reichweite aufweisen kann - auch was den Bereich Paid Content anbelangt (hier sind es übrigens etwa 16 Prozent im niedrigsten Preis-Korridor unter 2 Euro, mehr als die Hälfte in der höchsten über 7 Euro). Dadurch schiebt sie sich im Ranking der überregionalen Tageszeitungen in Sachen Verkäufe bei der IVW-Gesamtzahl an der "FAZ" vorbei.

  Print-Auflage + E-Paper Paid Content IVW-Gesamtzahl
Bild 1.104.771 630.524 1.735.395
Süddeutsche Zeitung 227.334 148.277 443.795
Die Welt 88.079 208.352 296.431
Frankfurter Allgemeine 192.127 100.742 292.869
Handelsblatt 132.740 - 132.740
taz 45.618 - 45.618

Quelle: IVW; Verkauf / 3. Quartal 2022