Stünde er zur Wahl, wäre er wohl längst Bundespräsident, Kanzler, Papst oder zumindest Bildungsminister - doch er lässt sich eben nicht wählen, sieht man mal von der Quotenmessung ab, die ihm Woche für Woche zumindest die einfache Mehrheit in den Wohnzimmern der Nation beschert. Ob heute oder vor zehn Jahren, beim Blick auf die Berichterstattung in den vergangenen zehn Jahren fällt auf: Günther Jauch steht stets an der Spitze, fragt man nach den populärsten Gesichtern im deutschen Fernsehen. Und so manch andere, kuriose Auszeichnung und Ehre wurde ihm ebenfalls zu teil.

Dass sich in den vergangenen Jahren daran nichts geändert hat, mag mancher auch als Beweis für kaum heranwachsenden Nachwuchs sehen. Man kann aber auch schlicht sagen: Günther Jauch ist einfach gut. Er ist eben einer der wenigen, der Harald Schmidt das Wasser reichen kann, könnte man scherzen. Sein wortloser Kurzauftritt in Schmidts damals letzter Sat.1-Sendung im Dezember 2003 offenbarte auch den Sinn für trockenen Humor des heute 55-Jährige, der längst nicht nur der Mann für leichte Unterhaltung ist. Wenn er bei "Wer wird Millionär?" mit seinen Kandidaten ins Gespräch kommt, erfährt man mitunter mehr über die Wirtschaftskrise im Lande als dies bei allen Polittalks zusammengenommen der Fall ist.

Dass er ab der kommenden Woche den Schritt wagt und doch noch zum Sonntagabend-Talker im Ersten wird, ließ aufhorchen - und trotz aller Tiefstapelei darf man gespannt sein, was Jauch anders, hoffentlich besser, machen wird als all die übrigen Quasselstrippen, die sich in der jüngeren Vergangenheit an unseren Polit-Marionette mit den immer gleichen Roboter-Floskeln versuchen konnten. Im ersten Anlauf klappte Jauchs Einstand auf der Talkshow-Bühne noch nicht: Als er die schon sicher geglaubte Christiansen-Nachfolge vor mehr als vier Jahren überraschend platzen ließ, tönte der damalige SWR-Intendant Peter Voß lautstark: "Ohne Jauch geht's auch." Im Januar 2007 war das.

Es war die trotzige Reaktion auf ein trauriges Schmierentheater, das unbekannte ARD-Nebendarsteller damals veranstalteten. Er habe er sich zunehmend umzingelt gefühlt von "Gremien voller Gremlins", "Irrlichtern", "Profilneurotikern" und "Wichtigtuern", sagte Jauch wenige Tage nach seinem Rückzieher. Am Ende wäre er "nur noch hin- und hergeschubst worden als Spielball aller möglichen absurden Interessen, die ich im Zweifel nicht mal durchschaue". Er habe das Gefühl gehabt, dass man ihn an möglichst kurzer Leine um die Anstalt rennen lassen wollte. "Jeder drittklassige Bedenkenträger schlug ein anderes Pflöckchen in den Boden."

Am Ende sei ihm "klar geworden, dass das keine normalen Geburtswehen sind, wie mir Herr Struve versprochen hatte – eher die Aussicht auf eine Fehlgeburt." So gesehen seien die Verhandlungen mit der ARD der "teuerste Flirt" seines Lebens gewesen. In der "Zeit" sagte er 2009, er habe seinen Frieden damit gemacht - und doch kommt er immer wieder aufs Neue auf den Talk zu sprechen. "Ich sitze am Wochenende oft herum und denke, och, jetzt müsste ich 'Spiegel', 'Zeit', 'Focus', 'FAS' durchackern, mich auf das Thema vorbereiten. Ist doch ganz angenehm, dass es nicht so ist."

Nicht mal ein Jahr später sagte Jauch schließlich erneut zu, wird nun Nachfolger von Anne Will nach dem "Tatort". Selbst produziert mit I&U TV, seiner Produktionsfirma die Jauch durch stürmische Zeiten in den Hafen der Öffentlich-Rechtlichen hat einlaufen lassen. Neben so mancher RTL-Produktion hat man seit dem Bekanntwerden von Jauchs Sonntagstalk auch mehrere Produktionsaufträge für Primetime-Shows im Ersten ergattert. Längst ist er selbst auch nicht mehr an jeder Show beteiligt und das ganz bewusst. "In den vergangenen Jahren habe ich immer gesagt, dass die Zukunft und Entwicklung von I&U davon abhängt, inwieweit man sich von mir als Moderator emanzipieren kann. Es gibt so viele Fernsehideen - die kann ich ja nicht alle moderieren. Und will es auch nicht", erzählte Jauch 2008 im DWDL.de-Interview.

Doch an TV-Präsenz mangelt es ja auch weiterhin nicht. An drei Abenden pro Woche wird Jauch künftig zu sehen sein. Und doch hat sich etwas verändert: Die Zeiten, in denen man überhaupt nicht mehr an Jauch vorbei kam, scheinen beendet. Man findet ihn nicht mehr am Spielfeldrand beim Fußball und auch nicht mehr an der Skisprungschanze. Und ganz nebenbei bemerkt ist es auch nicht allzu verkehrt, dass er auf Formate wie "Die große Erste-Hilfe-Show" oder "Die Weisheit der Vielen" seit geraumer Zeit verzichtet. So ist es womöglich doch nur eine Frage der Zeit, bis ihn die Gäste seines Polittalks mit den Worten "Guten Abend, Herr Bundespräsident" begrüßen.