"Wenn Sie als Kapitän auf der Brücke stehen und eine Riesenwelle aufs Schiff zukommen sehen, dann müssen sie den Leuten auf dem Sonnendeck sagen, dass sie ihre Liegestühle und Drinks beiseite stellen müssen." Als Bernd Buchholz, damals Deutschland-Chef von Gruner + Jahr im Herbst 2008 diesen Satz angesichts der dramatisch einbrechenden Werbeeinnahmen sagte, schien für kurze Zeit seine weitere Karriere bei Gruner + Jahr auf wackligen Füßen zu stehen.
Angesichts anstehender Einstellungen von Titeln und Entlassungen kam es bei der Belegschaft nicht allzu gut an, mit Kreuzfahrt-Passagieren auf dem Sonnendeck verglichen zu werden. Doch bekanntlich schadete der Sonnendeck-Vergleich Buchholz nicht: Nachdem Gruner + Jahr-Chef Bernd Kundrun - offiziell aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens - Anfang 2009 seinen Hut nahm oder nehmen musste, rückte Buchholz auf den Chefsessel auf und zog später auch in den Vorstand von Bertelsmann ein.
Und als Gruner + Jahr-Chef schaffte Buchholz es, Gruner + Jahr in der Tat wieder auf die Erfolgsspur zurückzuführen. Auch wenn der Verlag im Jahr 2010 spürbar weniger Umsatz machte als noch 2001, so lag der operative Gewinn doch auf einem sehr ordentlichen Niveau. 287 Millionen Euro betrug das Operating EBIT im vergangenen Jahr. 2009 hatte das Unternehmen noch rote Zahlen geschrieben.
2001 |
2010 | Veränderung | |
Umsatz |
2,973 Mrd. |
2,549 Mrd. |
-14 % |
Operativer Gewinn |
110 Mio. |
287 Mio. |
+161 % |
Der Verlag ist heute also deutlich profitabler als noch in früheren Jahren. Vorwürfe, dafür an der Qualität sparen zu müssen, will man bei G+J nicht gelten lassen. "Bei Porsche würde doch auch niemand behaupten, dass die Produkte schlechter werden, weil ständig die Effizienz gesteigert wurde. Was Porsche kann, können wir auch", sagte Buchholz noch vor wenigen Wochen in einem "Handelsblatt"-Interview.
Allerdings wurde die höhere Effizienz auch mit manch fragwürdiger Entscheidung erreicht. Am umstrittensten war dabei sicher das Vorgehen bei den defizitären Wirtschaftstiteln "FTD", "Capital", "Impulse" und "Börse Online", die inzwischen alle von einer gemeinsamen Redaktion in Hamburg erstellt werden. "Capital", "Impulse" und "Börse Online" waren zuvor in Köln und München produziert worden. Die Redakteure erhielten ihre Kündigung und mussten sich erneut auf die - um 60 Stellen verkleinerte - Wirtschafts-Zentralredaktion in Hamburg bewerben. Immerhin: So langsam sieht man bei G+J Licht am Ende des Tunnels: Die Wirtschaftsmedien sollen sich langsam in Richtung schwarzer Null bewegen.
Entwicklung ausgewählter G+J-Titel in den letzten zehn Jahren
Verkaufte Auflage 3/2001 |
Verkaufte Auflage 3/2011 |
Veränderung | |
Stern |
1.152.101 |
854.221 |
-25,9 % |
Brigitte |
876.217 | 660.011 |
-24,7 % |
Gala |
361.481 | 337.964 |
-6,5 % |
Eltern |
417.596 | 314.745 |
-24,6 % |
GEO | 505.829 | 308.689 |
- 39,0 % |
Schöner Wohnen | 343.464 | 272.574 | -20,6 % |
Capital | 223.928 | 164.618 | -26,5 % |
Noch härter traf es damals die Mitarbeiter des Prestige-Projekts "Park Avenue", das gleich komplett zu Grabe getragen wurde. Auch von anderen Titeln wie "Healthy Living" oder "Emotion" trennte sich G+J im Zuge der Krise durch Verkauf oder Einstellung. In den Jahren zuvor hatte Gruner + Jahr, das sich nach dem Verkauf des Berliner Verlags 2002 mit Ausnahme der "FTD" hierzulande wieder allein Zeitschriften widmet, kräftig expandiert. Zwischen 2003 und 2007 waren weltweit rund 60 neue Titel auf den Markt gebracht worden, darunter "Neon", der "Stern"-Ableger "View", "Essen & Trinken für jeden Tag". Zudem hat man diverse weitere Verlage hinzu gekauft. 2004 wurde zudem die Motor Presse Stuttgart mehrheitlich übernommen, 2007 der Entertainment Media Verlag.
Der Entertainment Media Verlag gibt unter anderem mit "Blickpunkt: Film", "Musikwoche", "Gamesmarkt" und "Videomarkt" diverse Fachzeitschriften heraus - ohnehin ein Markt, den man bei G+J als zukunftsweisend ausgemacht hat. "Ich schäme mich nicht dafür, dass wir rund 90 Prozent unserer Umsätze mit Gedrucktem machen", sagte Buchholz dem "Handelsblatt", verbunden mit der Absage an teure Digital-Experimente, mit denen manch Konkurrent viel Geld verloren hat. Stattdessen wolle man unter anderem mit B2B-Fachdiensten wachsen. Das ist bemerkenswert konservativ. Aber auf die eigenen Stärken zu vertrauen, muss ja wirklich nicht das schlechteste sein.