Viel Spott und Häme musste Sat.1 im Sommer 2007 über sich ergehen lassen, als der Sender eher aus der Not herausgeboren die Tour de France ins Programm nahm, nachdem sich ARD und ZDF wegen eines neuerlichen Doping-Falls zum Ausstieg entschieden hatten. Doch das Ergebnis war desaströs: Von Beginn an lag die Marktanteile im tief einstelligen Bereich - von der wenig fachlichen Berichterstattung, die der kurzfristigen Entscheidung zu verschulden war, ganz zu schweigen. Die Folge: Sat.1 musste die Werbepreise am sonst so erfolgreichen Nachmittag um 60 Prozent senken. Später besann man sich auf die Übertragung der Champions League und konnte zumindest damit an einzelnen Abenden die Quoten aufbessern.
Nachfolger von Roger Schawinski wurde übrigens Matthias Alberti, der zuvor bereits Leiter des Unterhaltungsbereich sowie später stellvertretender Geschäftsführer des Senders war. Unter ihm entstanden die heute so erfolgreichen Serien "Danni Lowinski" und "Der letzte Bulle" - zu sehen waren sie während seiner Amtszeit allerdings nicht. Erst der übernächste Chef, Andreas Bartl nämlich, konnte sich zur Ausstrahlung überwinden und sich schließlich im Erfolg sonnen. Umso ärgerlicher ist es, dass es seither nicht gelungen ist, Serien-Nachschub zu ordern, obwohl man mit "Danni" und dem "Bullen" offensichtlich den Geschmack des Publikums traf.
Schon früher hatte Sat.1 eine große Fiction-Kompetenz, die mit Serien wie "Edel & Starck" auch in den ersten Jahres des neuen Jahrtausends deutlich wurde, ehe der Sender insbesondere im Serien-Bereich eine lange Durststrecke zu überstehen hatte. Immerhin gelang es, mit erfolgreichen US-Serien wie "Navy CIS" und "The Mentalist" den Schaden zu begrenzen. Anders als etwa bei RTL spielten die fiktionalen Eigenproduktioen aber auch in der Hochphase der US-Formate eine wichtige Rolle in Sat.1. Zudem war der große Erfolg von "Das Wunder von Lengede" aus dem Jahr 2003 der Auslöser eines wahren Booms historischer Zweiteiler.
Marktanteile - damals und heute (Gesamtpublikum)
2001 |
2011 |
Veränderung |
10,1 % |
10,2 % |
+ 0,1 % |
Und dann gab es Ende 2010 auch noch "Die Wanderhure" - ausgerechnet Alexandra Neldel, die Sat.1 einige Jahre zuvor schon mit "Verliebt in Berlin" einen der größten Hits der Sendergeschichte bescherte, bescherte Sat.1 mit knapp zehn Millionen Zuschauern etwas überraschend den erfolgreichsten Fernsehfilm des Jahres. Für Überraschungen war Sat.1 aber immer schon gut, im positiven wie im negativen Sinn. Ohne Zweifel negativ war jedenfalls das, was sich im Jahr 2007 ereignete. Nach der Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Finanzinvestoren KKR und Permira wurde der Konzern in den vergangenen Wochen von der Unternehmensberatung McKinsey unter die Lupe genommen. Sat.1 war dabei das erste Sparopfer - genau genommen die nach anfänglichen Schwierigkeiten doch noch zum Erfolg geführte Sendung "Sat.1 am Mittag".
Noch während der Live-Sendung erfuhr Moderatorin Mareile Höppner über einen Hinweis der Regie, dass die gerade laufende Ausgabe auch die letzte sein werde. Eine Verabschiedung der Zuschauer gab es am Ende übrigens nicht mehr - ein am nächsten Tag gezeigtes Laufband mit zwanzig Worten musste reichen. Schlagzeilen anderer Art brachte Sat.1 zwei Jahre später der Wechsel zweier Moderatoren ein: Mit Oliver Pocher und Johannes B. Kerner wollte Sat.1 verlorenen Boden wieder wettmachen. Doch sowohl die in der Todeszone am Freitagabend gezeigte Late-Night mit Pocher als auch das anfangs am Montag gegen "Bauer sucht Frau" hoffnungslos unterlegene Magazin mit Kerner konnten die Erwartungen nicht erfüllen.
Die Folge: Pochers Show ist seit März Geschichte, "Kerner" wird im Dezember zum letzten Mal laufen. Inzwischen ist dafür Harald Schmidt zurück beim Sender, wenngleich er viel von seiner früheren Popularität einbüßen musste. Seit Beginn seiner "kreativen Pause" hat er einige Geschäftsführer-Wechsel verpasst. Vielleicht kehrt mit seinem Comeback aber wenigstens wieder so etwas wie Konstanz zurück zu Sat.1. Der Sender hätte es ohne Zweifel nötig.