Es ist ja kaum auszuhalten, wieviel vermeintliche Harmonie derzeit in der deutschen TV- und Streaming-Branche herrscht. Alle kooperieren mit allen und haben sich gegenseitig lieb. Zumindest so lange, bis man genauer hinsieht. Denn hinter den Fassaden schwelen natürlich trotzdem Meinungsverschiedenheiten. Kurz gesagt: Die Branche hat mächtig Beef. Und es ist an der Zeit, diesen endlich auszuschlachten.

So wie in der neuen Reality-Show "Die Abrechnung" von ProSieben und Joyn, die zum "Promi-Showdown" einladen und damit erneut demonstrieren, wie sehr das Genre Reality zu einem sich selbst erhaltenden System mutiert ist. Dessen Insass:innen – Lisha vs Eva, Ronald vs Sara, Kate vs Sam – in einem Format Zoff anzetteln, um ihn im nächsten verschärfen oder auflösen zu können.

Erst anfeuern, dann löschen

"Die Abrechnung" wollte – bis zu ihrer vorhersehbaren Verbannung ins lineare Nachtprogramm – beides leisten (siehe DWDL-TV-Kritik): Erst Öl ins Feuer gießen, indem man die Kontrahent:innen in Mad-Max-hafter Unterweltkulisse in spielerischen "Fights" gegeneinander antreten lässt (von Kissenplatzschlacht bis Matschgrubenwerfen).

Eine Etage höher wird anschließend im "Gartenhaus" der Stars versucht, die neu entflammten Konflikte mit der Aussicht auf ein fünfstelliges Preisgeld zu befrieden. Denn das gibt's nur, wenn die in Teams zusammengezwungenen Feind:innen miteinander kooperieren.

Exakt das täte auch denen gut, die den ganzen Zirkus veranstalten: den Sendern. Und damit herzlich willkommen bei unserem einmaligen Reality-Special: "Die Abrechnung – Der Sender-Showdown"! Oder wie "Big Bro…" – äh: die Stimme aus dem "Dome" sagen würde: "Willkommen im Dome – hier wird um Sendeplätze gekämpft und die Zukunft der Werktags-Primetime bestimmt. Nehmt eure Augenbinden ab!"

RTL vs ProSieben: Dienstag gegen Mittwoch

Geht auch direkt los: RTL und ProSieben stehen sich gegenüber, sind baff. "Du traust dich was!" – "Ich? Ihr habt uns doch den Mittwochssendeplatz für 'TV total' geklaut!" – "Weil wir's können. Und weil Stefan sich in den Vertrag hat reinnehmen lassen, dass wir euch ständig nerven müssen. Die Inga hat's mit Blut unterschrieben!"

Der erste Fight heißt: "Sendeplatz-Tetris"! Die Streithähne stehen vor einer riesigen Programmwand und müssen übergroße Sendeblöcke in die richtigen Slots werfen – wer den anderen erfolgreich blockiert, gewinnt. Hektisches Gewusel, RTL brüllt dazwischen: "Du gewinnst hier nicht die Primetime!", zielt mit seinem Programmblock auf "Mittwoch 20.15 Uhr" und trifft ins Quoten-Aus! – ProSieben kontert: "TV total"-Block auf Dienstag, aber mit stabilen Marktanteilen! Nach drei Runden steht es unentschieden. Die Sender wechseln ins Gartenhaus, ProSieben flüstert RTL ins Ohr: "Ehrlich gesagt... ich bin bloß aus taktischen Gründen nett zu dir. Nächsten Monat senden wir auch am Mittwoch."

ARD/ZDF vs Joyn: Einfach eingebettet!

Zweiter Kampf! "Herzlich willkommen im Dome – hier wird mit Mediatheken-Diebstahl abgerechnet und über Urheberrecht gestritten! Nehmt jetzt eure Augenbinden ab!" Joyn steht im Startup-Hoodie da, ARD/ZDF im zusammengenähten Anzug gegenüber, stöhnend: "Nicht der schon wieder!" – Joyn rechtfertigt sich: "Wir wollten doch nur eure Mediatheken-Inhalte zugänglicher machen! Für die User:innen!" – Das ZDF brüllt: "Ihr habt uns EINGEBETTET!" – ARD, leiser: "Ohne zu fragen."

Der Fight heißt: "Embed this!" Die Gegner stehen auf einer Plattform, Joyn muss Logos von Sendungen bei ARD und ZDF auf seine Seite ziehen, während die anderen mit Paragrafentafeln dagegenknüppeln. Jeder erfolgreiche Embed wird mit Sirene und einem lauten "Unrechtmäßige Nutzung!" quittiert. ARD und ZDF hauen Joyn mit "§ 84 MStV!" erfolgreich ins Nichts – gewonnen! Bei der ersten Therapiesitzung im Gartenhaus ("we listen and we don't judge") stimmen die anderen Sender ab, dass Joyn Schuld am Streit ist und zur Strafe einen riesigen Rucksack mit dem ausgedruckten Medienstaatsvertrag aufgeschnallt kriegt ("Der wiegt ja Tonnen!"). Die ARD versucht beim Abendessen zu beschwichtigen: "Wir könnten über Link-Modelle reden."

Sport1 vs Show1: Which Style Rocks?

Zurück im Dome: "Hier werden Identitätskrisen ausgetragen und Senderlogos neu erfunden! Nehmt eure ... Moment, da ist nur einer?" Sport1 nimmt die Augenbinde ab – und steht vor einem riesigen Spiegel. Darin: Show1. "Ich bin ein Sportsender! Bundesliga, Darts, Eishockey!" – "Nein! Ich bin ein Entertainment-Sender! 'MasterChef', 'Exatlon', ,My Style Rocks'!"

Der dritte Fight heißt: "Wer bin ich?" Sport1/Show1 muss permanent zwischen zwei Welten hin- und herspringen, um nicht zu viele Zuschauer:innen zu verlieren. Bei jedem Sprung zur Entertainment-Seite fällt ein weiteres Sportrecht weg. Sport1 stolpert, landet im Matsch – und verliert gegen sich selbst. Nachher sitzt der Sender am Gartenhaus-Pool, starrt ins Leere und versucht sich zu trösten: "Inhalte sind weiterhin das A und O. Inhalte werden überall gebraucht."

Sat.1 vs RTLplus: Die Abrechnung History

Zurück in der Unterwelt wird's historisch: "Willkommen im Dome – heute wird Geschichte geschrieben! Oder besser: Geschichte aufgearbeitet! Nehmt eure Augenbinden ab!" Ein jugendliches Sat.1 und das pickelige RTLplus stehen komplett in 90er-Jahre-Outfits da: Schulterpolster, Neonfarben, Föhnfrisuren (als Perücken). Im Hintergrund läuft Techno-Musik. Sat.1 brüllt sofort los: "Ihr habt 1991 dafür gesorgt, dass wir die 'Gremlins'-Premiere als FilmFilm erst nach 23 Uhr zeigen durften mit eurer verfluchten einstweiligen Verfügung!" – RTLplus brüllt zurück: "Dafür habt ihr den 'Twin Peaks'-Mörder im verdammten Videotext gespoilert!" – "Das war RACHE, du Special Agent!"

Fight Nummer vier: "Videotexthölle". Beide Sender bekommen riesige Fernbedienungen in die Hand, mit denen sie sich gegenseitig wegspoilern sollen, während mit alten VHS-Kassetten auf sie geschossen wird. RTLplus gewinnt, flüstert im Gartenhaus angekommen aber zu Sat.1: "Ich existiere seit 2007 eigentlich gar nicht mehr – und neulich hat mir der eigene Konzern auch noch den Namen für seinen Streaming-Dienst geklaut." – Sat.1 seufzt, mit den Augen rollend: "Ey, du hast Probleme – mein Streaming-Boss heißt 'Joyn'."

ProSiebenSat.1 vs MFE: Wer stiehlt die Show?

Ein letztes Mal geht es zurück in den Dome: "Hier wird nicht nur gestritten, hier wird übernommen! Konzernmacht gegen Sendersouveränität! Nehmt eure Augenbinden ab!" ProSiebenSat.1 steht in Oktoberfest-Tracht da, voller Selbstbewusstsein. Gegenüber: Media for Europe im elegantem italienischen Designer-Anzug, dahinter das Konterfei von Pier Silvio Berlusconi auf einem Banner. ProSiebenSat.1: "Was wollt ihr hier? Wir sind ein eigenständiger deutscher Medienkonzern!" MFE (mit italienischem Akzent): "Ihr seid ein Schnäppchen." Plötzlich taucht aus dem Nichts ein dritter Beteiligter in tschechischer Flaggen-Jacke auf: PPF!

Der finale Fight: "Aktienkampf!" In der Arena schweben übergroße Aktien-Zertifikate (ProSiebenSat.1-Logos auf goldenen Scheiben), MFE und PPF müssen möglichst viele davon einsammeln. Das Ziel: 50 Prozent plus eine Aktie für die Mehrheit. ProSiebenSat.1 steht in der Mitte und versucht, die Scheiben festzuhalten. Bis PPF zum Entsetzen des Umworbenen die Lust verlässt: "Ich steig aus." – MFE (fängt die Anteile auf): "Grazie mille! Und jetzt ... komplett neuer Vorstand!" Mit einem Fingerschnippen öffnet sich eine Falltür unter ProSiebenSat.1.

In der Mad-Max-Meute nehmen derweil zwei Typen ihre Gruselmasken ab, darunter kommen Markus Söder und Wolfram Weimer zum Vorschein. Söder: "Das ist wie ein Trainerwechsel beim FC Bayern. Kritisch, aber manchmal nötig." – Weimer: "Der Pier hat mir Zusagen gemacht. Das wird spitze!"

Reality funktioniert immer

Als alle Rivalen im Gartenhaus angekommen sind, offenbart ihnen die Dome-Stimme, dass sie zusammenarbeiten müssen, um eine Chance auf den Hauptpreis zu haben: 50.000 Zuschauer:innen in der werberelevanten Zielgruppe, flexibel einsetzbar. Täglich erhalten sie drei Minuten gemeinsame Sendezeit, in der sie ein Programm gestalten müssen (ohne Florida TV fragen zu dürfen). Sport1 klingt verzweifelt: "Wir einigen uns doch nie!" Die Dome-Stimme entgegnet: "Dann gibt es kein Preisgeld. Übrigens: Die Show läuft auf ProSieben." – Die anderen schauen entsetzt zu ProSieben, das kleinlaut zugibt: "Ja, äh... Joyn hat die Rechte" – während sich MFE Cocktail-schlürfend am Pool umdreht: "Reality funktioniert immer, cari." Also, immer nachts.

Und damit: zurück nach Köln.

"Die Abrechnung – Der Promi-Showdown" läuft in der Nacht von Donnerstag auf Freitag um 1.15 Uhr auf ProSieben und bei Joyn.