Laut kress trage ich ja gerne englische Herrenanzüge und Maßhemden mit extra gestärktem Kragen und Unterteller-großen Manschettenknöpfen. Immerhin waren es keine französischen Damencatsuits mit Schlabberbündchen, die mir angedichtet wurden. Von daher freut mich die Bestallung des Wirtschaftsministers zu Guttenberg sehr, bringt er doch modetechnisch mal ein Stück Stil in die Szenerie, die von den Westbury-Adjudanten Seehofer und Beckstein geprägt ist. Von den sackartigen Hosenanzugsumhängen der Kanzlerin schweigen wir hier am besten.

Denn wenn auch die ganze Welt unterzugehen scheint - und wenn man Burda-Hausmitteilungen liest, ist das definitiv und unaufhaltsam der Fall - möchten wir doch schön und adrett verglühen.

Im deutschen Fernsehen ist der Kleidungsstil auch eher ambivalent zu betrachten. Es gibt moderierende Altkleidersammlungen wie die fülligen Protagonisten der Clip-Show bei RTL, wahre Stilikonen wie Harald Schmidt, eigene Ligen wie Thomas Gottschalk und - mindestens - ein Westbury -Zitat bei Günther Jauch. Dirk Bach kann nur Dirk Bach tragen, der Landhaus-Stil von Inka Bause geht definitiv – zumal in Kombination mit der „Frisur“ - gar nicht. Und nicht zu akzeptieren ist der JBK-Look à la Joop! Wie man ihn auch von den 6.30 Uhr-Fliegern des Globalisierungsprekariats der Unternehmensberatungen kennt. Mit und ohne Krawatte!

Die Tagesschau-Bella Judith Rakers ist klasse anzusehen, zumindest das, was man sieht, der alte Biolek wird textil sehr vermisst, die öffentlich rechtlichen zeichnen sich sehr mittig in der Gesellschaft durch einen unverwechselbaren Karstadt-Stil aus, die Herrschaften müssen es aber in der Regel auch selbst bezahlen. Insgesamt sollte sich Karl Lagerfeld mal weniger um H & M als um das Fernsehen seiner Heimat kümmern, es bringt ne Menge Wahrnehmung und mit Sicherheit hohe Umsätze.

Sie fragen sich: hat der keine anderen Sorgen? Recht haben Sie, aber in diesen Zeiten ist die Ausblendung der Realität sehr verlockend. In der Werbewirtschaft eine Aussage über die nächsten zwei Wochen zu bekommen ist ungefähr so realistisch wie ein gelungenes Zauberkunststück bei Uri Geller zu erleben.

Um im Modesprech zu bleiben: 2009 ist kein Jahr für Florettfechter in Damenstrumpfhosen, das stimmt. Aber wir dürfen uns auch freuen: wenn auch der Kaufmann weint, der Sportler springt allmorgendlich voller Tatendrang und Drachentötermut aus dem Bett und schreit dem Tag entgegen: „Kinder, in der Sonne kann´s jeder, jetzt geht´s raus und spuits Fußball“.

Denn es ist keine Sprechblase, wenn man sagt, dass grade jetzt, im Aufräumprozess, das Altgewordene erneuert werden kann und die Schlagkraft erhöht. Mehr Vertrieb, mehr Ideen, mehr Kommunikation, schlankere Strukturen, höhere Geschwindigkeit, ja, auch Konditionen bolzen, das ist eben so. Nur nicht verzagen. Bitte. Auch wenn´s so reizvoll ist, endlich DAS Alibi für sich-hängenlassen gefunden zu haben. Seien wir dankbar, dass wir das hier tun dürfen. Wir haben nur diese eine tolle Medienbranche. Und wenn Sie einen Etat verwalten und das hier lesen: GEBEN SIE IHN FREI!!!

Kämpfen jetzt! Verdammt.

Ahoi!
Kai Blasberg

Grübelt, denkt, zweifelt, spinnt, träumt und visioniert.
Aber bitte mit Mut, Zuversicht und Lautstärke.
Tanzt, tanzt, vor allem aus der Reihe.

Diese Woche in Dur...

  • Grand Award des NY Festival an Tele 5
  • Die vielen alten ProSieben-Kollegen in Berlin :-)
  • Ein neues Mopsmädchen (Heidi)

...und in Moll:

  • nüscht