Jahr für Jahr scheiden sich am Dschungelcamp die Geister. Da wird inzwischen auch im Feuilleton großer Tageszeitungen der Humor und die Meta-Ebene von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ gefeiert, doch die Titelseite mancher Boulevardzeitung ziert dennoch - verkaufsträchtig - eher manche Dschungelprüfung, obwohl die bei der RTL-Sendung nur eine Nebenrolle spielen. Ganz anders als bei „Himmel oder Hölle“, einer neuen Gameshow von ProSieben, die am Samstagabend Premiere feierte. Produziert wird die Sendung von UFA Show & Factual, einer Tochter der RTL Group.



Im Grunde sei es eine Quizshow, erklärt Moderator Jochen Schropp zu Beginn in einem Studio-Set, das zunächst sehr an die Quizshow-Heimat von Günther Jauch erinnert. Doch das Besondere an der Sendung: Wer sich bei einer Frage nicht sicher ist, kann hinunter in die Hölle - und das Erreichen der nächsten Runde durch Erledigung fieser Aufgaben verdienen. Zweifelsohne ist „Himmel oder Hölle“ allein schon vom Studio-Bau her eine aufwändige Produktion. Im Himmel moderiert Schropp durchweg routiniert, aber mit einem Manko: Er kann sich als Gastgeber der Sendung nie so recht entscheiden, ob er nun auf der Seite des Kandidaten steht oder ihn als Quizmaster dominieren will. Dass unten in der Hölle Co-Moderatorin Evelyn Weigert die Rolle des Bad Cop inne hat, macht es für Good Guy Schropp nicht einfacher. Warum der auch unten in der Hölle durchmoderiert und nicht an Weigert übergibt, bleibt bis zum Ende der Show ein Rätsel und Weigert deshalb beinahe überflüssig.

Unten in der Hölle wird es im Laufe der voraufgezeichneten Show mehrfach geschmacklos. Man hätte es zu Beginn der Sendung kaum gedacht, doch ein nackter Arsch zur Primetime oder das Abrasieren der Kopfhaare war nur harmloses WarmUp für eine  Sadomaso-Show mit Alibi-Quiz. Eine Kandidatin bekennt im Einspieler zu ihrer Vorstellung naiverweise schon einmal: „Bei Ekel bin ich raus“. Ein Detail, bei dem Moderator Schropp im Studio natürlich gleich nachhakt - die Show ist sich ihres Niveaus offenbar bewusst. „Ich glaube, dass ich gleich brechen muss“, bekundet der Moderator selbst später bei einem der Spiele. Wie die so aussehen? Bei „Gehirnwäsche“ musste ein Kandidat Flüssigkeit durchs eine Nasenloch hochziehen, durch das andere in ein Glas laufen lassen - und dieses dann trinken. Bei „Stinky Box“ galt es ein Garn durch acht Nadelöhre ziehen - während man mit dem Kopf in einer Plexiglas-Box mit Fischabfällen und faulen Eiern steckt. Dschungelcamp lässt grüßen.

Doch „Himmel oder Hölle“ ging noch weiter. Bei „Zungenbrecher“ musste eine Kandidatin einen Ventilator mit ihrer Zunge zu stoppen. Das sieht gefährlich aus - und empfiehlt sich definitiv nicht zur Nachahmung zuhause. Doch ihre beste Freundin treibt sie aus dem Publikum auch noch an und Moderator Schropp verlangt: „Zeig uns jetzt mal, das ein Profi in Dir steckt“. Zum Ekel mancher Prüfung zuvor kommt hier das unangenehme Gefühl von unverantwortlicher Verharmlosung. Doch fairerweise muss man sagen: Es gibt in der Hölle auch Geschicklichkeitsaufgaben aller Art zu lösen und so manch herrlich alberne Aufgabe („Döner mit alles“), die beim Zugucken bedenkenlose Schadenfreude ermöglicht. Immerhin geht es in dieser mit drei Stunden zu lang angesetzten Show oft genug runter in die Hölle, aus der mancher Kandidaten übrigens sichtbar verunstaltet zurückkehrt.

Die Unsicherheit der Kandidaten bei den Fragerunden führt dazu, dass sehr schnell wieder unten weitergespielt wird, was beim Quiz keinerlei Spannung aufkommen lässt. Clevere Kandidaten kann die Show jedoch erst recht nicht gebrauchen: Dann wäre die Hölle überflüssig und die Sendung nur ein 0815-Quiz mit niedrigem Hauptgewinn. „Himmel oder Hölle“ wirkt stattdessen wie das uneheliche Kind von „Wer wird Millionär“ und „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“, wobei man vom Dschungelcamp leider die Ekelprüfungen und nicht den Humor geerbt hat. Aus Sicht von ProSieben soll diese Show genau jenes Publikum begeistern, das auch bei Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf Spaß am „Duell um die Welt“ hat. Mutproben als Primetime-Unterhaltung wirken bei Joko & Klaas allerdings wesentlich sympathischer - weil sie sich selbst auf die Probe stellen und nicht andere.

Weiteres Manko: Das Moderationsduo Schropp und Weigert muss noch besser zueinander finden. Die gegenseitigen Frotzeleien wirken noch eingeübt und wenn dann noch die neuerdings überall zu findenden, völlig übermotivierten Kandidaten kommen, dann wirkt das einfach aufgesetzt. Aufgesetzter als es sein mag. In der Grundidee von „Himmel oder Hölle“ steckt sicher Potential, welches aber an allen Ecken und Enden der Show noch ausgeschöpft werden muss. Als Voraufzeichnung fehlt der Show der Event-Charakter, durch den vergleichsweise kleinen Höchstgewinn fehlt die Dramatik, bei der Moderation eine bessere Aufteilung und bei manchen Spielen in der Hölle jeder Geschmack. Alles Dinge die man nachjustieren könnte, wenn die Show ein Publikumserfolg werden sollte und sich so für eine Fortsetzung empfiehlt.

Oder doch nicht? Zumindest an den grenzwertigen Aufgaben in der Hölle, die am Abend während der Ausstrahlung der Show bei Twitter bereits kontrovers diskutiert wurden und sicher nicht unwesentlich den Ruf dieser Sendung ausmachen, wird man bei Erfolg wohl kaum etwas ändern, denn Erfolg ist längst das einzig relevante Kriterium im Privatfernsehen. Wenn man Privatsender als Wirtschaftsunternehmen begreift, ist das auch nicht falsch. Ein bisschen Verantwortungsgefühl und Sinn für Geschmack darf man als Kritiker dennoch anprangern. Auch wenn das zunehmend altmodisch erscheint. Es wäre wünschenswert, wenn das Vertrauen in die Showidee bei ProSieben groß genug wäre, um auf diese Effekthascherei zu verzichten. Dann hätte die Show eine größere Karriere vor sich.