Dass ausgerechnet zur International CES, der weltgrößten Consumer-Electronics-Messe in Las Vegas, mehrere Blogs das Gerücht anheizten, Netflix habe systematisch VPN-Nutzer aus aller Welt von seinem Service ausgesperrt, war so gar nicht im Sinne des kalifornischen Video-on-Demand-Anbieters. Immerhin gehört es zum Image, den Kunden unbeschwerten Konsum zu ermöglichen.

Das Ganze stellte sich schnell als Ente heraus - lediglich ein Update der Netflix-App für Android-Geräte hatte aufgrund des fest installierten Google-DNS-Dienstes Probleme verursacht. Erleichtert konnten die Netflix-Technikverantwortllichen um Chief Product Officer Neil Hunt in Las Vegas wieder zur Tagesordnung übergehen. Die besteht darin, in diesen Tagen am Rande der CES einen Ausblick auf die nähere Zukunft zu geben - und mit einigem Nachdruck Standards für den Markt zu setzen.

 

Wärend man auf der Messe selbst den Eindruck gewinnen könnte, Fernsehgeräte unterhalb von 4K-Ultra-HD gebe es gar nicht mehr, gehört Netflix zu den ersten Anbietern, die bereits seit einigen Monaten Originalinhalte in dieser Auflösung im Programm haben. Um den entstehenden Markt mitzuprägen, ist man der neu formierten UHD Alliance als Gründungsmitglied beigetreten, in der Gerätehersteller, Filmstudios und Distributoren gemeinsame Regeln und Standards entwickeln wollen.

Doch Netflix-Manager Hunt denkt längst weiter. "Die größere Innovation als 4K ist aus unserer Sicht HDR", sagt er im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Weil das menschliche Auge kaum mehr als 4K erfassen kann, würden mehr Pixel keinen Sinn machen. Stattdessen wollen wir die Pixel in sich verbessern." Das gelingt mit Hilfe der auch in der Digitalfotografie geläufigen High Dynamic Range (HDR), die große Helligkeitsunterschiede im Bild besonders detailreich wiedergibt. Erste Prototypen für HDR-Fernseher zeigen etwa Sony und LG auf der CES, im Laufe des Jahres sollen erste Modelle in den Handel kommen.

In Las Vegas demonstriert Hunt die enorme Brillanz und Dynamik mit einem kurzen Trailer zur Netflix-Serie "Marco Polo". Mehr Material gibt es noch nicht, da bislang keine Produktion in HDR gedreht wurde. Das soll sich mit der zweiten "Marco Polo"-Staffel und weiteren neuen Netflix-Eigenproduktionen ändern. Damit die Abonnenten die Qualität zu Hause auch wirklich genießen können, mischt Netflix sich verstärkt in die Klassifizierung von Smart-TV-Geräten ein. Im Frühjahr startet zunächst im US-Markt, ab 2016 auch international, das neue Label "Netflix Recommended TV".

Damit werden Geräte gekennzeichnet, die bestimmte Anforderungen an eine komfortable Nutzung der Netflix-App erfüllen. "Auf der Fernbedienung sollte sich entweder ein eigener Netflix-Button befinden oder zumindest muss es genauso einfach sein, auf Netflix zu schalten wie auf die Kanäle 1 bis 10", so Hunt. Zudem dürfe es nur wenige Sekunden dauern, bis die App geladen sei. Man erwarte, dass erste Smart-TVs von Sony, Sharp, LG und Vizio das Label demnächst bekämen. Damit einher geht laut Hunt ein entsprechendes Trainingsprogramm für das Verkaufspersonal in Elektronikmärkten.

Die Stoßrichtung ist klar: Lineare TV-Sender sollen in ihrer angestammten Umgebung, dem heimischen Fernseher, mehr und mehr unter Druck geraten. Um darüber hinaus die Netflix-Nutzung zu verlängern, experimentiert man gegenwärtig im Stillen mit diversen Veränderungen an den Algorithmen und am User Interface. Rund 100.000 zufällig ausgewählte Netflix-Kunden in mehreren Ländern testen zurzeit eine neue Version der iPad-App und der Website: Statt vieler gleich großer Boxshots zu sämtlichen Programmen gibt es einzelne bildschirmfüllende Bilder zu sehen, das System arbeitet mit einer stärkeren Hierarchisierung der Empfehlungen.

Abhängig von den Testergebnissen will Netflix das neue Interface in ein paar Monaten regulär einführen. Fürs Smart TV wiederum laufen derzeit Experimente mit automatisch startenden Videos, die nach Auswahl einer Detailseite keinen gesonderten Druck auf die Play-Taste mehr erfordern. "Eigentlich verbrauchen wir Menschen maximal eine Kalorie, um auf Play zu drücken", scherzt Todd Yellin, Vice President of Product Innovation. "Dennoch scheint das oft eine schwere Entscheidung zu sein. Daher wollen wir sie unseren Nutzern künftig abnehmen."

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