Wenn auf dem Cover einer DVD groß das Label „Von den Machern von…“ prangt, dann riecht das immer ein wenig nach geliehenem Ruhm, so als traue man seinem Produkt nicht zu, selbst Wirkung zu entfalten. Auch „Die Erbschaft“ (The Legacy) macht diese Anleihen und bezieht sich auf „Kommissarin Lund“ und „Borgen“, zwei renommierte Marken, die für eine bestimmte dänische Art stehen, für eine gewisse Blässe in den Farben, für verschlungene Beziehungen, für düstere Entwicklungen. Zwangsläufig schieben die Anleihen bei prominenten Produkten eine Serie aber auch in den Vergleichsmodus, was nicht immer fair ist. Für „Die Erbschaft“ wird das zum kleinen Verhängnis, denn nimmt man die Bezugsgrößen als Maßstab, fällt die Bewertung anfangs allenfalls zurückhaltend aus. Das ändert sich zwar im Laufe der zehn Folgen der ersten Staffel, aber wer schaut schon mehrere Episoden, wenn er bei den ersten die eine Spur zu hochgesteckten Erwartungen enttäuscht sieht.

Nun macht es „Die Erbschaft“ dem Zuschauer gerade zu Anfang nicht leicht. Die Einführung ist langwierig und eine Spur zu kompliziert geraten. Man muss ein bisschen mitarbeiten, um zu verstehen, was es auf sich hat mit dem Erbe der berühmten Künstlerin Veronika, die gleich in der ersten Folge stirbt. Vorher hat sie aber noch ihrer einst zur Adoption freigegebenen Tochter Signe ein Testament in die Hand gedrückt, das die Ahnungslose zur Herrin über Liegenschaften und ein Millionenvermögen macht. Sehr zum Missfallen von Veronikas anderen drei Kindern, die das Testament natürlich anfechten.

Was zuerst einmal nach den üblichen Familienfehden mit Hier-gut und Da-böse klingt, entwickelt sich im Falle von „Die Erbschaft“ zu einem ziemlich undurchschaubarem Geflecht von Interessen, von Wollen und Tun.

Auffällig ist dabei vor allem die verblüffende Ensembleleistung der Figuren. Einen Hauptdarsteller sucht man vergeblich, auch wenn natürlich die aus Susanne-Bier-Filmen („In einer besseren Welt“, „All You Need Is Love“) international bekannte Trine Dyrholm auf den ersten Blick hervorsticht. Aber auch sie fügt sich rasch ein in die Gemeinschaft der Wankelmütigen.

Niemand bleibt in dieser Serie wie er scheint. Alle haben etwas zu verbergen, und wenn sie anfangs nichts zu verbergen haben, dann gibt ihnen das Drehbuch irgendwann eine Wendung vor, die ins Übel führt. Aus gut wird böse, aber es wird auch aus böse manchmal gut. Es geht eben um Geld, um viel Geld. So etwas weckt natürlich die Gier, und die Gier legt Charakterzüge offen, die manche lieber verstecken möchten.

Nichts wird hier erzwungen, alles kann sich entwickeln, bis am Ende ein ganz großes Gemälde entsteht. Der Preis, den die Serie dafür zahlt, ist mit Sicherheit der Verlust jener Zuschauer, die schnelle Entwicklungen gewöhnt sind, die Serien lieben, in denen es rasch zur Sache geht. Aber das Plakative, das allzu Offensichtliche, das hierzulande so manches Fernsehglück trübt, ist nicht die Sache von „Die Erbschaft“.

Allerdings schützt das nicht davor, dass man als Zuschauer öfter mal ahnt, was gleich kommen wird. Weil niemandem wirklich zu trauen ist, weiß man immer, dass man sich auf nichts verlassen kann. Das ermüdet und erinnert auf komische Art an das Dilemma von „24“, wo man auch immer wusste, dass man niemandem trauen darf, weil die Geschichte eben noch eine lange Strecke vor sich hat.

In Dänemark ist diese Serie 2014 ein Riesenerfolg mit großen Quoten gewesen, bei uns lief die erste Staffel gerade bei Arte. Die Dänen durften vergangenes Jahr bereits die sieben Folgen der zweiten Staffel ansehen, die bislang nur als DVD mit dänischem Ton und englischen Untertiteln verfügbar ist. Dafür liegt die erste Staffel nur in deutscher Synchronisation vor, was es streckenweise ein wenig schwierig macht, dem Geschehen zu folgen, denn häufig wirken die Dialoge aufgesetzt und künstlich.

Aber möglicherweise wollten die Macher der Serie ja im Vertrieb auch nur abbilden, was den Reiz von „Die Erbschaft“ ausmacht. Dass alles mit allem zusammenhängt, dass der eine Mensch unterschiedlich reagiert, je nachdem, wen er vor sich hat, dass nichts planbar ist, dass manchmal irgendwie alles durcheinander gerät.

Das hat was, und es wird noch besser, wenn man sich einfach mal vorstellt, wie deutsche Produzenten mit diesem Stoff umgegangen wären, wie sie früh mehr Druck aufgebaut hätten, wie sie die Darsteller schneller nach vorne hätten spielen lassen, wie halt alles eine Spur rasanter geworden wäre. All das hätte der Serie am Ende aber jeden Reiz geraubt.

Insofern ist „Die Erbschaft“ schon genau so gut wie sie ist. Leise und bedächtig, zurückhaltend und manchmal ein wenig schwierig. Das können sie, die Dänen. Respekt.