ProSiebenSat.1 betrachtet sich selbst als "Entertainment Powerhouse". Vor diesem Hintergrund müssen vermutlich auch die Aussagen verstanden werden, die Vorstand Conrad Albert jüngst im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" tätigte. Darin fordert Albert nichts weniger als eine Beteiligung seiner Sendegruppe an einem wie auch immer gearteten Rundfunkbeitrag. Unter dem Titel "Medienordnung 4.0" habe man ein Modell entwickelt, das die öffentliche Finanzierung am Inhalt festmachen möchte, sagt er und schlägt vor, künftig ausschließlich sogenannte "Public-Service-Inhalte", also Nachrichten, Magazine oder Wissenssendungen, zu finanzieren – und zwar auch jene der Privaten.

Aus Sicht von Conrad Albert ist die Forderung verständlich, schließlich bezeichnet er sich selbst im "FAS"-Interview als "Anhänger effizienten Wirtschaftens". Und was läge für den Betreiber mehrerer Vollprogramme näher, als sich die Produktion teurer Informationssendungen bezahlen zu lassen? Als einen Grund führt der Vorstand an, dass ARD und ZDF – im Gegensatz zu den Privaten – kaum noch die jungen Zuschauer erreichen. So rechnet Albert vor, dass alleine die Nachrichten bei ProSieben mehr Zuschauer im Alter zwischen 14 und 29 Jahren erreichen als "Tagesschau" und "heute" zusammen.

Das klingt zwar imposant, dennoch stellt sich die Frage, wie glaubwürdig Alberts Inszenierung von ProSiebenSat.1 als Hort der Information wirklich ist. Fakt ist nämlich auch, dass die Sendergruppe trotz gelegentlicher Bemühungen zur Bundestagswahl nicht gerade damit aufgefallen wäre, die politische Debatte im Land zu fördern. Ganze zehn Minuten räumt ProSieben zwischen allerlei Sitcom-Wiederholungen täglich noch für seine Nachrichten frei, auch Sat.1 sendet abseits des "Frühstücksfernsehens" kaum noch Informationssendungen – und wenn, dann vor allem in Form der vorgeschrieben Drittanbieter-Formate. Ausnahmen bilden allenfalls "Akte", "Galileo" oder die durchaus sehenswerten Reportagen mit Thilo Mischke.

Aber sonst? Nach der Ankündigung, Stefan Raabs Polittalk "Absolute Mehrheit" fortzusetzen, wurde es still, lange bevor sich der Moderator dazu entschied, seine TV-Rente anzutreten. Dabei stand ProSieben ein derartiges Format gut zu Gesicht. Gleichzeitig ist auch die Sat.1-Talkshow "Eins gegen Eins" schon seit mehr als drei Jahren Geschichte. Man kann sogar noch weiter zurückgehen: Lange vorbei sind die Zeiten, in denen sich Sat.1 die Produktion von Nachrichten und Magazinen am Mittag oder am späten Abend leistete, ProSieben stellte zudem vor mehr als sieben Jahren sein tägliches Mittagsmagazin ein.

Vieles davon mögen keine klassischen Nachrichten gewesen sein, aber sehr wohl das, was Conrad Albert heute als vermutlich unter "Public-Service-Inhalten" versteht. Ganz davon zu schweigen, dass sich ProSiebenSat.1 schon längst keinen eigenen Nachrichtensender mehr leisten will. Und genau dieses "Wollen" ist auch das Problem: Es ist ja nicht so, als sei in Unterföhring angesichts von Umsatzrekorden kein Geld vorhanden, um die von Albert gewünschte "Medien- und Meinungsvielfalt" zu sichern. Vielmehr ist es doch so, dass man – anders als RTL – die Information im Programm so weit eindämmte, dass heute fast niemand mehr die Sender der Gruppe ernsthaft mit Nachrichten in Verbindung bringt.

Daran ändert dann auch der löbliche Versuch, ein Wahlformat mit Klaas Heufer-Umlauf und ein "Duell vor dem Duell" mit Claus Strunz zu machen, nur wenig. Dass Conrad Albert im "FAS"-Interview dann auch noch maximal populistisch die Frage stellt, ob ARD und ZDF wegen des Verlusts der Champions League den Rundfunkbeitrag reduzieren, macht die Sache nicht besser – zumal der Beitrag heute im Übrigen sogar niedriger ist als im Jahr, in dem das ZDF erstmals die Übertragungsrechte erworben hat. Dabei ließe sich die Diskussion doch durchaus ernsthaft führen, denn selbstverständlich besteht reichlich Reformbedarf am öffentlich-rechtlichen System.

Doch bevor ProSiebenSat.1 ein Stück vom milliardenschweren Beitrags-Kuchen fordert, sollte man erst mal im eigenen Programm unter Beweis stellen, dass man ein ernsthaftes Interesse daran hat, Informationssendungen nicht nur als Feigenblatt zu verstehen.

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