Seit die Wochenzeitung "Die Zeit" am Mittwoch neue Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den Regisseur Dieter Wedel veröffentlichte, steht auch der Saarländische Rundfunk im Fokus. Konkret geht es um die Dreharbeiten zur Serie "Bretter, die die Welt bedeuten", an deren Rande Wedel die Schauspielerin Esther Gemsch Anfang der 1980er-Jahre tagelang sexuell belästigt haben soll. Der Regisseur soll, so der Vorwurf der heute 61-Jährigen, später zudem versucht haben, sie auf seinem Hotelzimmer zu vergewaltigen.

"Er setzte sich rittlings auf mich, packte meinen Kopf bei den Haaren und schlug ihn immer wieder aufs Bett, einmal auch an die Wand und dann einmal auf die Bettkante", sagte Gemsch der "Zeit". Sie sei daraufhin mit ihrem Halswirbel so hart auf die Bettkante geprallt, dass sie sich nicht mehr habe bewegen können. Die Schauspielerin berichtet außerdem, dass ihr Wedel mit ihrem Schal die Kehle abgeschnürt habe. Die Verletzungen sollen so schwer gewesen sein, dass Gemsch den Dreh abbrechen musste und ihre Rolle neu besetzt wurde.

"Die Zeit" zitiert in ihrem Artikel aus einem Arztbericht vom Januar 1981, aus dem hervorgeht, dass die Symptome "eindeutig als Folge der Gewalttätigkeiten vom 12.12.80" zu betrachten seien. Der Anwalt der Schauspielerin habe das Schriftstück zusammen mit der Beschreibung der Vorwürfe an die Produktionsfirma Telefilm Saar geschickt. In diesem Zusammenhang ist die "Zeit" auch auf Briefe von Wedels Anwalt gestoßen, über den der Regisseur damals behauptete, er selbst habe sich gegen Annäherungsversuche durch Esther Gemsch gewehrt.

Gemschs Rolle wurde später von der Schauspielerin Ute Christensen besetzt, die nun ebenfalls von sexuellen Übergriffen durch Wedel berichtet. Als sie sich weigerte, mit ihm auf sein Hotelzimmer zu gehen, sei sie von Wedel vor der Produktionsmannschaft schikaniert worden. Nach 40 Dreharbeiten habe sie einen Nervenzusammenbruch erlitten und in Folge dessen später sogar ihr Kind verloren, wie ebenfalls den Archiv-Dokumenten zu entnehmen ist, aus denen die "Zeit" jetzt berichtet. Ein Revisionsbericht des SR sollte damals klären, warum die Produktion plötzlich teurer wurde als zunächst geplant.

Unklar ist allerdings, weshalb der Saarländische Rundfunk damals nicht auf die schweren Vorwürfe gegen Wedel reagierte. Jetzt soll das Thema allerdings doch noch einmal auf die Tagesordnung kommen - und zwar bei der nächsten ARD-Intendantensitzung, wie der heutige SR-Intendant Thomas Kleist dem NDR sagte. Er kündigte an, er wolle "alles schonungslos offenlegen, damit wir schonungslos die Dinge untersuchen können". Wedel, der sich momentan im Krankenhaus befinden soll, wollte sich zu den neuen Vorwürfen nicht äußern. Sein Anwalt bezeichnete den "Zeit"-Bericht aber als "grob unzulässige Verdachtsberichterstattung, für die jedes Maß verloren gegangen ist".

Dass es der Saarländische Rundfunk damals versäumte, den Vorwürfen nachzugehen, schadet heute - mehr als drei Jahrzehnte später - allen Seiten, weil davon auszugehen ist, dass die damaligen Umstände nur noch schwer aufzuklären sind. "Die Vorwürfe liegen teilweise über 20 Jahre und mehr zurück, für mich wichtige Zeugen, die zu meiner Entlastung beitragen könnten, sind tot", erklärte Dieter Wedel vor wenigen Tagen in einer Stellungnahme. "Wer die Verjährung abwartet, dem muss doch klar sein, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit vieles im Ungefähren bleibt und erhebliche Erinnerungslücken nicht auszuschließen sind." 

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