Herr Gundolf, National Geographic möchte bei seinen TV-Sendern weltweit verstärkt auf lokale Inhalte setzen. Was bedeutet das für den deutschen Ableger – und warum haben Sie bislang eigentlich nicht lokal produziert?

Wir verfügen über eine tolle Globalversorgung und als internationale Marke wollten wir nicht in einem Teich fischen, der in Deutschland unter anderem von den öffentlich-rechtlichen Sendern schon sehr gut bedient wird. Wir haben immer gesagt, dass wir Eigenproduktionen nur dann angehen, wenn wir es budgetär und inhaltlich mit den internationalen Produktionen, die wir auf dem Sender haben, aufnehmen können. Genau das ist jetzt der Fall.

Wie viel Budget steht Ihnen denn zur Verfügung?

Genaue Zahlen geben wir nicht heraus. Aber alle Produzenten, mit denen wir gesprochen haben, waren ziemlich angetan, als wir aufs Geld zu sprechen kamen.

Für dieses Jahr haben Sie zwei Produktionen von Storyhouse und doc-station in Aussicht gestellt. Wird es dabei bleiben?

Für die nähere Zukunft wollen wir bei zwei bis drei ausgewählten Produktionen pro Jahr bleiben. Eben aus den genannten Gründen, dass wir weiter primär auf unsere globalen Themen setzen und diese deutschen Themen und Eigenproduktionen eher punktuell ins Programm nehmen möchten.

Die Dokus befassen sich mit der Geschichte der 1933 verbotenen Tageszeitung "Münchener Post" und der Arbeit des Kampfmittelräumdienstes. Was hat bei dieser Themen-Auswahl den Ausschlag gegeben?

Mehrere Kriterien spielten bei der Wahl eine Rolle. Ein Kriterium war, dass die Themen zu National Geographic als Marke passen sollen. Sie müssen also Wissen vermitteln und die Zuschauer mit auf ein Abenteuer nehmen. Gleichzeitig geht es darum, möglichst viele Menschen anzusprechen. Auch aus diesem Grund wollen wir explizit deutsche Geschichten thematisieren, um unseren Zuschauern ein für sie relevantes Angebot zu machen. Das gestaltet sich auf den zweiten Blick übrigens deutlich komplizierter als wir dachten.

Was meinen Sie damit?

Ein Produzent meinte im Gespräch zu mir: "Irgendwann landen wir dann bei Schnitzel und Bier". Es ist tatsächlich schwierig, Themen zu finden, die deutsch sind, ohne bei Geschichte zu landen. Wir haben jetzt zwei Dokumentationen, die zwar etwas mit dem zweiten Weltkrieg zu tun haben, aber Geschichten erzählen, die einen sehr starken Bezug zur Gegenwart haben. Die Dokumentationen behandeln Themen, wie zum Beispiel die Pressefreiheit, die bis heute in unserem Leben eine große Rolle spielen. Für die nächste Runde würde ich mir Themen wünschen, die sogar noch mehr in der Jetzt-Zeit verankert sind.

Es fällt auf, dass Sie auf Einzelstücke setzen. Was spricht gegen eine Doku-Reihe?

Eine erfolgreiche Serie ist natürlich toll. Wir wollen allerdings zurzeit noch so viele Themen wie möglich abdecken. Das Schöne an den Einzeldokumentationen ist, dass man sich auf die unterschiedlichsten Gebiete fokussieren kann.

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Haben Sie bei der Planung schon im Kopf, dass die Dokumentationen auch auf anderen National-Geographic-Sendern in der Welt laufen könnten?

Nein, der primäre Fokus ist ganz klar auf dem deutschsprachigen Markt. Sollten andere National-Geographic-Märkte die Dokus auch ausstrahlen wollen, wäre das toll. Das ist möglich und auch erwünscht, es ist aber nicht das Ziel. Uns ist bewusst, dass wir einen deutschen Ansatz durch internationales Denken verwässern würden.

Sie haben eben schon die Quote angesprochen: Woran machen Sie ihren Erfolg fest?

Wovon wir uns immer mehr entfernt haben, ist der Blick auf die Premieren-Ausstrahlung auf dem linearen Sender. Für uns ist die Reichweite wichtig, die über einen längeren Zeitraum und alle Plattformen eingefahren wird. Also über unseren linearen Sender und über non-lineare Angebote. Aber auch wie viele Leute wir mit unseren Themen über die National Geographic Webseite oder Social Media erreichen spielt für uns eine große Rolle

Lässt sich sagen, wie groß der Anteil der Nutzer ist, die ihr Programm nicht über den linearen Weg abrufen?

Der Anteil der non-linearen Nutzung wächst exponentiell. Es gibt ein Vorurteil, dass Factual-Inhalte non-linear nicht so interessant sind wie fiktionale Inhalte. Wir haben jedoch gerade in den letzten Monaten festgestellt, dass sich unsere Abrufzahlen auf den Sky-Plattformen mehr als verdoppelt haben.

Wie beurteilen Sie denn den Stellenwert von Dokumentationen in einer Zeit, in der die halbe Welt von Hochglanzserien spricht?

Serien und fiktive Geschichten haben eine breitere Zielgruppenansprache und sind oftmals auch emotionaler. Mit Factual-Programmen bedient man dagegen eher eine interessierte Nische. Ich glaube aber nicht, dass non-fiktionale Inhalte oder Dokumentationen in Qualität und in der Zuneigung der Zuschauer den Serien nachstehen. Das lässt sich schon an der Vielzahl an sehr guten Dokumentationen erkennen, die unter anderem auch Netflix produziert.

Ist Netflix mit Formaten wie "Chef‘s Table" eine Konkurrenz für Sie?

Für uns ist Netflix kein direkter Konkurrent, da deren Dokumentationen anders angelegt sind. Netflix produziert Dokus, die häufig pop-kulturelle oder gesellschaftliche Themen aufgreifen. Wir sind dagegen in den Bereichen Wissen, Entdeckung, Forschung und Abenteuern eher klassisch unterwegs, wenn auch immer mit sehr modernen Erzählweisen.

Was erwartet Ihre Zuschauer in diesem Jahr abseits der Eigenproduktionen?

Im März zeigen wir die von Will Smith präsentierte Dokuserie "One Strange Rock", deren Titel sich auf unseren Planeten Erde bezieht. Die Serie beleuchtet unser Universum und wie sich Leben auf der Erde entwickeln konnte. Daneben freue ich mich, ebenfalls im März, auch auf die Feature-Dokumentation "Jane" über die Schimpansenforscherin Jane Goodall, in der viele bisher unveröffentlichte Aufnahmen gezeigt werden. Im April folgt die zweite Staffel unserer Anthologie-Serie "Genius", die sich diesmal mit Picasso beschäftigt – gespielt von Antonio Banderas. Für das zweite Halbjahr planen wir außerdem die Ausstrahlung der zweiten Staffel von "Mars".

Herr Gundolf, vielen Dank für das Gespräch.