Gerade erst feierte RTL seine seit 25 Jahren währende Marktführerschaft. Ungetrübten Grund zur Freude hat man in Köln derzeit aber trotzdem nicht: Zwar hat sich an der Spitzenposition des Senders unter der Führung von Frank Hoffmann auch in der gerade zu Ende gegangenen Saison nichts geändert, doch die Quoten sind noch einmal kräftig gesunken. In jedem der zurückliegenden neun Monate bewegte sich RTL in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen unter dem Wert des Vorjahres – teilsweise um bis zu 1,9 Prozentpunkte. Im Dezember lag man zeitweise bei weniger als elf Prozent und auch zum Ende der Saison hin hielt sich der Sender nur mit Mühe über dieser Marke.

Dennoch liegt hinter RTL ein wegweisendes Jahr, denn als erster der großen Privatsender hat man es geschafft, sich zumindest mehrere Monate lang komplett von den zuletzt zunehmend schwächelnden US-Serien zu befreien. Neben dem Donnerstag füllte man jüngst auch den Dienstagabend mit eigenproduzierter Fiction – ein neuer "Lehrer" war bislang allerdings noch nicht dabei. Mit der Offensive ist es RTL aber zumindest schon mal gelungen, der einzigen Sat.1-Serie – "Einstein" – das Wasser abzugraben. Unterm Strich fällt die Serien-Bilanz dennoch durchwachsen aus: Mit im Schnitt 12,6 Prozent Marktanteil kam "Sankt Maik" beim Publikum noch am besten an. 

"Beck is Back" tat sich mit 11,2 Prozent schon schwerer, wies aber zumindest eine positive Tendenz auf und wurde daher ebenso verlängert wie die noch schwächer gelaufene Anwaltsserie "Jenny – echt gerecht". Im Falle von "Bad Cop" entschied sich der Sender gegen eine Fortsetzung und auch "Lifelines" hat wohl nur geringe Chancen, in eine zweite Staffel geschickt zu werden. Doch zusammen mit den Comedyserien "Beste Schwestern" und "Magda macht das schon" sowie dem "Lehrer" und "Alarm für Cobra 11" kann RTL in der kommenden Saison nun in jedem Fall auf ein recht beachtliches Serien-Fundament aufbauen – wenngleich mit vielen Produktionen die Hoffnung verbunden ist, dass sie ihr Publikum erst noch finden werden.

Dass sich die Investition in Eigenentwicklungen bezahlt machen können, zeigt der Blick auf den Show-Bereich: Hier legte die erste Staffel der Trampolin-Show "Big Bounce" zu Jahresbeginn mit im Schnitt fast 18 Prozent Marktanteil einen beeindrucken Einstand hin. Andere Neustarts wie etwa "Der Chef bekommt die Quittung" kamen dagegen nicht so gut an, auch die überarbeitete Tanzshow "Dance Dance Dance" empfahl sich im Herbst ebenso wenig für eine Fortsetzung wie das inzwischen von Frank Buschmann präsentierte Quiz "5 gegen Jauch". Zudem muss man "This Time Next Year" mit Moderator Jan Hahn als Flop abhaken.

Auf Shows ist RTL übrigens noch weitaus stärker angewiesen als auf Serien – zeitweise setzte der Sender in der vergangenen Saison an gleich fünf Abenden auf dieses Genre, darunter auch am Sonntagabend, wo "Ninja Warrior Germany" und der Team-Ableger jedoch nur bedingt überzeugen konnten. Und so waren es einmal mehr die Dauerbrenner, die RTL am Leben hielten: Der Dschungel erreichte zwar weniger Zuschauer als in den vergangenen Jahren, war mit bis zu 44 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe aber einmal mehr eine Bank. Daneben erreichten "Deutschland sucht den Superstar" und "Das Supertalent" über Monate hinweg jeweils knapp 20 Prozent. Auf beide Formate kann RTL weniger verzichten denn je.

Zudem gelang es, die Schwächephase von "Wer wird Millionär?" dank zahlreicher Specials zu überwinden, sodass dem 20. Geburtstag im kommenden Jahr wohl nur wenig im Weg stehen wird. "Der Bachelor" und seine beiden Ableger konnten ihre Quoten darüber hinaus ebenso steigern wie "Bauer sucht Frau" und die Nackt-Kuppelei "Adam sucht Eva". Ganz zu schweigen von Mario Barth, der mit inzwischen zwei Formaten am Mittwochabend auf Quotenfang geht. Ja selbst "Schwiegertochter gesucht" ist noch immer erfolgreich – anders als so manch anderes, das RTL zuletzt sonntags im Vorabendprogramm ausprobierte. Und natürlich sind da mit "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" und "Alles was zählt" noch zwei weitere Langstreckenläufer, auf die sich RTL verlassen kann. Beide Soaps konnten ihre Quoten jüngst sogar steigern.

Der Nachmittag bleibt die größte Baustelle

Womit wir in der Daytime wären, der mit Abstand größten Baustelle von Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann. Der seit Jahren anhaltende Abwärtstrend der Scripted-Reality-Formate hat sich auch in der zurückliegenden Saison fortgesetzt, sodass die Not inzwischen wirklich groß ist. Frischer Wind wurde zwar schon mehrfach in Aussicht gestellt, doch wirklich weitergekommen ist RTL bislang nicht, was sich schon daran zeigt, dass der Sender den eigentlich bereits begrabenen "Blaulicht-Report" schon mehrfach zurückgeholt hat. Ob "Meine Geschichte - Mein Leben" das Ruder herumreißen kann, darf angesichts von zuletzt mehrfach einstelligen Marktanteilen ernsthaft bezweifelt werden.

Anders als Sat.1, wo man mit Marktanteilen um zehn Prozent besser leben kann, ist RTL also allmählich zum Handeln gezwungen - womöglich auch abseits der Scripted Reality. Dass Formate abseits dieses Genres keine Selbstläufer sind, zeigt jedoch der Blick in den Vormittag: Hier fährt die Dokusoap "Hebammen im Einsatz" bislang reichlich durchwachsene Quoten ein. Immerhin läuft "Punkt 12" - trotz rückläufiger Zuschauerzahlen - nach wie vor erfolgreich und auch bei "Guten Morgen Deutschland" wurde in den vergangenen Wochen offenkundig an den richtigen Stellschrauben gedreht, sodass die Talsohle überwunden zu sein scheint. Fakt ist: Will RTL seine Marktanteile steigern und auch über das 25. Jahr hinaus seine Marktführerschaft behaupten, braucht es vor allem gute Ideen für die Daytime. Hier ist gewiss noch reichlich Potenzial vorhanden.