Es ist eine Diskussion, so alt wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst. Setzen ARD und ZDF zu sehr auf quotenstarke Formate und werden aufwändig produzierte Dokus und Reportagen nur zu Randzeiten gezeigt, weil sie keine guten Marktanteile versprechen? Bei den Öffentlich-Rechtlichen selbst verweist man immer wieder auf bestimmte Primetime-Sendeplätze, auf denen auch solche Formate zu sehen sind. Dennoch sind auch einige solcher prominenten Programmplätze in den vergangenen Jahren weggefallen.

Doris Achelwilm, medienpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, sagt daher im Gespräch mit DWDL.de: "Auch auf guten Primetime-Sendeplätzen muss Vielfalt geboten werden. Manch gehaltvolle Sendung wird momentan zur Unzeit ausgestrahlt." Zwar könne man inzwischen in den Mediatheken solche Sendungen zeitunabhängig streamen. "Doch auch für diejenigen, die noch nicht digital unterwegs sind, muss zwischen Vorabend und Second Primetime ein vielfältigeres Programm geboten werden. Denn: Je mehr öffentlich-rechtliche Angebote jede*r Einzelne nutzt, desto logischer wird die Entrichtung des Rundfunkbeitrags werden." Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl wurde die Partei im vergangenen Jahr noch deutlicher. Dort hieß es, man wolle der Kommerzialisierung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots entgegenwirken. Die Sender würden immer weiter unter Druck von Quoten geraten.

Achelwilm sagt, man müsse an den Rundfunkstaatsvertrag heran und ihn ändern. Dieser stamme aus einer Zeit, "in der man sich Smartphones oder auch nur das Internet noch nicht vorstellen konnte". Daher sei es nicht verwunderlich, dass seine Prämisse der heutigen Mediennutzung nicht mehr entspreche. "Die Öffentlich-Rechtlichen brauchen einen modernen Rundfunk- und Telemedienauftrag, um ihre gesamtgesellschaftliche Funktion zu erfüllen. Es ist höchste Zeit für einen großen medienpolitischen Wurf", fordert die Politikerin. In der aktuellen Debatte rund um die Unterhaltung bei den Öffentlich-Rechtlichen hat Achelwilm eine klare Meinung: "Wir wollen an einem vollumfänglichen Grundversorgungsauftrag nicht rütteln. Dazu gehört dann neben Kultur, Bildung und Information auch ein breites Angebot an Unterhaltung."

Doch die medienpolitische Sprecherin der Linken schaut bereits ein paar Jahre weiter in die Zukunft. Perspektivisch, sagt sie, sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einer Plattform weiterzuentwickeln, die "personenspezifische Angebote ermöglicht, datensparsam agiert, die ihre Algorithmen transparent macht und auch Angeboten von Dritten offensteht". ARD-Intendant Ulrich Wilhelm träumt bereits von einer Supermediathek mit dem ZDF. Das könnte auf Dauer die Teilung von ARD und ZDF im linearen TV aber obsolet machen (DWDL.de berichtete). Genau in diese Richtung wollen die Linken langfristig gehen: Es soll eine Plattform entstehen. Außerdem wollen die Linken die Archive der Öffentlich-Rechtlichen öffentlich zugänglich machen. "Dass Beiträge nun etwas länger in den Mediatheken bleiben dürfen, ist eine gute Nachricht", sagt Achelwilm. Dieser Schritt sei überfällig gewesen. "Natürlich muss in diesem Zusammenhang auch eine angemessene Vergütung aller Beteiligten einschließlich der Produzent*innen sichergestellt werden".

Geplante Schiedsstelle "hochproblematisch"

Der Kompromiss, auf den sich die Ministerpräsidenten der Länder, Öffentlich-Rechtliche und Verlage zuletzt in Bezug auf die Presseähnlichkeit der Online-Angebote geeinigt haben, kommt bei den Linken dagegen gar nicht gut weg. Achelwilm bezeichnet vor allem die geplante Schiedsstelle als "hochproblematisch". Achelwilm: "Letztlich entscheiden dann intransparente Runden ohne gerichtliche Überprüfbarkeit über die Webauftritte von ARD, ZDF und Deutschlandfunk. Und mit am Tisch sitzen die Verleger anstelle der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler." Das rette letztlich vermutlich keinen bedrohten Verlag und schränke einen modernen Auftrag von ARD und ZDF ein. "Die Zukunft der Mediennutzung ist plattformunabhängig. Was wir brauchen, ist die Förderung von unabhängigem Journalismus - und der muss dort auffindbar sein, wo Menschen Informationen suchen, also auch online."

Mehr Transparenz wollen die Linken auch in den Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen. Die Position der Partei ist eindeutig: Regierungsmitglieder sollen in den entsprechenden Gremien überhaupt nicht vertreten sein. "Stattdessen fordern wir die Demokratisierung der Rundfunkräte: Hier sollen auch Zuschauer*innen Mitspracherechte bekommen und die Gesellschaft in ihrer Vielfalt abgebildet werden, damit die Diskussion über Inhalte vielfältiger wird." Bei parteinahen Rundfunkratsmitgliedern, die formal nicht der Politik zugeordnet werden, sondern zivilgesellschaftlichen Organisationen, müsse man über Karenzzeiten diskutieren, so Achelwilm. Ansonsten bestünde hier die Gefahr, dass die 30-Prozent-Quote ausgehöhlt werde. Außerdem wollen die Linken, dass Gremiensitzungen öffentlich sind und die entsprechenden Arbeitspapiere und Protokolle digital der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Keine Werbung, niedrigerer Beitrag für sozial Schwache

Auch was die Finanzierung angeht, hat die Partei konkrete Vorstellungen für die Zukunft. Perspektivisch sollen ARD und ZDF werbe- und sponsoringfrei werden. Da dann die Rundfunkbeiträge deutlich angehoben werden müssten, ist das derzeit nur eine Einzelmeinung in der deutschen Parteienlandschaft. Beim Rundfunkbeitrag selbst gebe es "deutlichen Nachbesserungsbedarf", sagt Achelwilm. "Er muss für die Sender verlässlich und auskömmlich sein, und er muss für eine Vielzahl an Beitragszahler*innen sozialer, angemessener, transparenter gestaltet werden. Diese doppelte Anspruchshaltung ist kein unauflösbarer Widerspruch, sondern ein Zielkonflikt, dem für die Akzeptanz und Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen mehr Gewicht beigemessen werden muss." Die Linke plädiert daher dafür, den Rundfunkbeitrag für Geringverdiener wie Rentner und Studenten zu senken. Gleichzeitig müsse man darüber nachdenken, wie man eine solche soziale Komponente "aufkommensneutral realisieren" könne. Achelwilm: "Eine Möglichkeit wäre eine Kompensation für die bestehenden Ausnahmeregelungen, die von den staatlichen Trägern (z.B. Bundesagentur für Arbeit) geleistet wird."

"Ich sehe die Gefahr, dass gerade die sogenannten Festen Freien bei Etatkürzungen die Hauptlast tragen."
Doris Achelwilm, medienpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag

Fest steht für die Linken aber auch: Die aktuellen Einsparungsprogramme sollen so wenig wie möglich zu Lasten der Mitarbeiter gehen. "Ich sehe die Gefahr, dass gerade die sogenannten Festen Freien bei Etatkürzungen die Hauptlast tragen", sagt Achelwilm. Diese Befürchtungen haben auch die Freien in der ARD selbst (DWDL.de berichtete). Einsparpotenziale sieht man bei den Linken im Bereich der "höheren Gehaltsstrukturen, wo Begrenzungen nach oben möglich wären". Zuletzt erklärte WDR-Intendant Tom Buhrow in einem Interview, er wäre durchaus zu Einschnitten bereit. Das bringe aber nur etwas, wenn alle mitziehen würden. Auch in anderen Bereichen sehen die Linken konkretes Einsparpotenzial. Achelwilm nennt hier als Beispiele die Sportrechte und die vielen Talkshows ähnlicher Ausrichtung. Bei letzteren müsse man schauen, ob es nicht zu "gewissen inhaltlichen Redundanzen" komme. Und die medienpolitische Sprecherin führt als Beispiel auch die vielen ARD-Radiosender an. Hier stellt sie die Frage, ob es zur Sommerzeit wirklich nötig sei, dass jeder dieser Sender einen eigenen Beitrag über die medizinischen Gefahren von Zeckenbissen produzieren müsse, oder ob nicht auch eine gemeinsame Lösung sinnvoll wäre.

Außerdem zeigen sich die Linken offen für die Öffnung des Rundfunkbeitrags auch für Dritte. Zuletzt forderte das ProSiebenSat.1-Vorstandschef Conrad Albert vehement, beißt dabei in der Politik derzeit aber auf Granit. Doris Achelwilm sagt: "Wir möchten einen Teil der Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag zur Finanzierung der Internetangebote Dritter zur Verfügung stellen. Nicht nur die Öffentlich-Rechtlichen leisten ja einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, zu Kultur, Bildung und Information." Dennoch müsse man immer darauf achten, dass die Öffentlich-Rechtlichen genügend Mittel zur Erfüllung ihres Auftrages hätten.

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