"Anke Schäferkordt wird keine Interviews geben und auch nicht im Hintergrund zu den Veränderungen sprechen", antwortet mir die RTL-Pressestelle heute früh um kurz vor neun auf meine Frage, ob ich die Frau sprechen kann, die mit ihrem angekündigten Abschied die Branchenschlagzeilen des Tages beherrschen wird. Ein möglichst stiller, geräuschloser Rückzug ist es also, was sie anstrebt. Das sollte eigentlich nicht überraschen, denn so entspricht es ihrem Stil. Nach allen gängigen Kennzahlen ist Anke Schäferkordt die erfolgreichste Managerin, die das deutsche Fernsehen jemals hatte und vermutlich auch jemals haben wird. Viel Aufhebens um die eigene Person zu machen, ist der bodenständigen Ostwestfälin trotzdem immer wesensfremd geblieben.

Und doch ist diesmal etwas anders. Es ist klar und innerhalb der Sendergruppe ein offenes Geheimnis, dass der Abschied nicht komplett selbstbestimmt und aus freien Stücken erfolgt. Schäferkordts Verträge mit der Mediengruppe RTL Deutschland und mit Bertelsmann wären 2019 ausgelaufen. Da ist es üblich, dass beide Seiten mit einem Jahr Vorlauf anfangen zu verhandeln oder aber zu überdenken, ob sie sich nochmals für mehrere Jahre aneinander binden wollen. Dass für Bert Habets und Anke Schäferkordt die Antwort darauf eher "nein" lauten würde, war im Unternehmen schon eine Weile spekuliert worden.

Als ich Anke Schäferkordt das erste Mal begegnete, sang und tanzte sie im strahlend roten Kleid auf der Bühne der Telemesse 2000. Damals war sie ziemlich frisch im Amt der Vox-Geschäftsführerin und bewies ein seltenes Doppeltalent: Leidenschaft fürs Programm und kaufmännische Expertise waren bei ihr gleichermaßen ausgeprägt. Es war die Zeit, als sich das werbefinanzierte Fernsehen noch auf steilem Wachstumskurs befand. Sie schrieb die Erfolgsgeschichte maßgeblich mit und empfahl sich durch Leistung für die Aufgabe, den größten und ertragreichsten Sender der Gruppe zu führen. Höchst geschätzt wurde die RTL-Chefin damals von fast allen im Markt, außer vielleicht von jenen Führungskräften des alten Thoma-RTL, die sie konsequent entsorgte.

Jahre später steckte Schäferkordt in der kuriosen Situation, dass sie gleich dreifach an sich selbst berichtete: die RTL-Senderchefin an die Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL, diese an die Co-CEO der RTL Group und diese wiederum an die Bertelsmann-Vorständin. Es war die Zeit, als Reichweiten und Marktanteile des erfolgsverwöhnten RTL langsam, aber sicher nach unten gingen, die Rekordgewinne des Konzerns dennoch weiter sprudelten. Als eiserne Sparerin und knallharter Kontrollfreak fiel Schäferkordt ihren Mitarbeitern 2012/13 auf. Sie musste damit leben, dass die größten Geldbringer im RTL-Programm noch aus der Zeit ihrer Vorgänger Helmut Thoma und Gerhard Zeiler stammten.

Doch wer die Top-Managerin damals schon abschrieb, lag falsch. Ihr gelang es, sich und ihre künftige Führungsrolle ein Stück weit neu zu erfinden und an die Bedürfnisse der Zeit anzupassen. Sie identifizierte und inthronisierte zwei Männer, die Schlüsselrollen in dieser Architektur spielen sollten: ihren Vox-Nachfolger Frank Hoffmann für RTL und den "Deutschen in Spanien", Antena-3-Manager Bernd Reichart, für Vox. Letzterer hat über die vergangenen fünf Jahre so viel Aufbruch, Mut und Erfolg verbreitet, dass er nun der logische Nachfolger an der Spitze der Mediengruppe RTL ist. Eine Tatsache, die seine Förderin zurecht mit Stolz erfüllt. Ersterem hatte man einen solchen Schritt auch mal zugetraut, doch dafür hätte die Langzeit-Chefin mutmaßlich etwas früher gehen müssen.

Eine neue Generation am Ruder

Reichart ist 44, der neue starke Mann an der Konzernspitze, RTL-Group-CEO Bert Habets, 47 Jahre alt. Auch wenn sich unterschiedliche Denkweisen längst nicht nur mit dem Alter erklären lassen, so ist doch eine neue Generation ans Ruder gekommen, seit Anke Schäferkordt im Frühjahr 2017 – unter gängigen Regeln der Machtstrategie völlig unüblich – auf ihren Posten in Luxemburg verzichtet hatte. Vergleicht man das regionale Wirken des Holländers Habets vor 2017 bei RTL Nederland mit dem von Schäferkordt in Deutschland, fällt auf, dass er die TV-Transformation hin zum Digitalen und Nonlinearen früher, schneller und beherzter betrieb, während sie an mancher Stelle länger zögerte, um das klassische Geschäft nicht verfrüht durch Selbstkannibalisierung zu gefährden.

Das sind verschiedene Geschwindigkeiten und verschiedene Temperamente. Habets ist ein Sprinter, der sein Tempo seit Jahresbeginn als alleiniger CEO noch erhöht hat und den vor allem umtreibt, wie die RTL Group in Zukunft durch deutlich engeres Zusammenwirken der nationalen TV-Marken und der hauseigenen Produktionssparte Fremantle ein ernst zu nehmendes Gegengewicht zu globalen Riesen wie Netflix, Amazon, Disney oder Apple bilden kann. Zwar dürfte er seine deutsche Kollegin dabei nicht mehr als Bremserin, aber auch nicht gerade als umtriebigste Treiberin empfinden. Hinzu kommt, dass es auf der persönlichen Ebene zwischen beiden offenbar nicht so ganz harmonierte, wie in den vergangenen Monaten immer wieder aus dem Unternehmen zu hören war.

So bleibt unterm Strich eine Trennung zum richtigen Zeitpunkt, die Anke Schäferkordt am Ende einer beispiellosen Erfolgskarriere und nach 27 Jahren in der Sendergruppe freilich erkennbar schwer fällt, wie man aus ihren internen Worten an die Belegschaft schließen kann. Typisch Schäferkordt ist es dann wiederum, ihre bestehenden Verträge nicht auszusitzen, sondern einen zügigen Übergang im Sinne des Unternehmens zu betreiben. Ohne großen Aufhebens um die eigene Person. Es wäre nicht verwunderlich, wenn jetzt ihr Telefon vermehrt klingeln und Headhunter heißlaufen würden. Dabei ist keineswegs gesagt, dass wir die seit 2010 amtierende BASF-Aufsichtsrätin zwingend in der Medienbranche wiedersehen werden.

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