Herr Ofczarek, Kritiker neigen ebenso wie Journalisten dazu, Künstler nach ihrem Werk zu beurteilen.

Na nach was denn sonst, wenn man die Privatperson nicht kennt?!

Holt sich die Privatperson Ofczarek nach der Arbeit also auch erstmals Wodka aus dem Eisfach und lässt sich danach in einer verrauchten Kneipe am Tresen volllaufen?

Was glauben Sie?

Ich könnte es mir bei keinem Schauspieler eher vorstellen, dass sich seine Persönlichkeit so mit den Rollen deckt…

Toll! Denn ich führe ein ganz bürgerliches Leben, arbeite wahnsinnig viel, bin gerne daheim, also überhaupt kein großer Feierer und brauche daher auch nicht dauernd Menschen um mich herum. Nicht weil ich keine mögen würde, aber mir wird vieles schnell zu viel. Also kein Absturz nach Feierabend, sorry.

Wo holen Sie dann die Exzesse ihrer Braunschlag-Fieslinge und Bösen Friedrichs her?

Imagination und Handwerk. Man muss das Spielerische nicht leben, um es aus sich selbst zu schöpfen. Dafür reicht es, offen in die Welt zu schauen. Davon abgesehen, weiß ich natürlich, wie es ist, besoffen zu sein, hab aber nie Drogen genommen; nicht aus moralischer Überzeugung, sondern weil es dazu nie kam. Ich bin ein empathischer Mensch, der versucht, mit all seinen Mitmenschen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Umso interessanter ist es, einen narzisstischen Psychopathen wie den Friedrich im „Tatort“ zu spielen oder jetzt den bitteren Gedeon Winter in „Der Pass“.

Suchen Schauspieler gezielt nach Seiten des Menschlichen, die ihnen fremd sind sind?

Durchaus. Und falls die Charaktere gut geschrieben sind, substituieren sie diese anderen Seiten manchmal sogar. Drehbücher sind ja auch nur materialisierte, in Sprache gebündelte Gedanken des Autors, die wir als Schauspieler im Idealfall zum Blühen bringen – sei’s am Theater oder im Film. Trotzdem sind es beinahe verschiedene Berufe, denn im Film darf man keinesfalls für die Leute spielen, die gerade mit im Raum sind, im Theater für niemanden sonst.

Ihre Eltern kommen gewissermaßen aus der Steigerung des Theaters – der Oper. Haben Sie ihre exaltierte Art zu spielen womöglich daher?

Genau genommen kamen die sogar von der leichten Operette – „Lustige Witwe“ und „Wiener Blut“. Das ist nochmals eine völlig andere Welt, in der es fast nur schön ist. In diesem Umfeld aufzuwachsen, hatte seinen Reiz und mich sicher beeinflusst, aber wenn deine Eltern morgens um zwei in der Küche verzweifelt nach Tönen suchen, kannst du das nie ganz ernst nehmen. Außerdem bin ich nicht sonderlich musikalisch.

Dafür singen Sie in „Der Pass“ aber ganz passabel…

Ja, in der Kneipe.

Und Sie haben auch schon mal eine Platte aufgenommen.

Na ja, schon, aber nein… Als ich mal den Kinofilm „Am Ende des Tages“ gedreht habe, wollte der Regisseur als Titelmusik einen österreichischen Hit der Achtzigerjahre, „Wunderwelt“, und den haben wir Schauspieler noch mal aufgenommen. Das war eher Promotion als Überzeugung. Einmal hab ich an der Wiener Volksoper im „Weißen Rössl“ mitgewirkt, aber mehr als die Lust an der Darstellung, wenngleich realerer Figuren, habe ich von meinen Eltern nicht mitgekriegt.

Gibt es in der österreichischen Polizei demnach zynische Eigenbrötler wie Gedeon Winter in „Der Pass“ oder ist er eine Abstraktion?

Er ist zwar eine Fiktion, aber eigentlich gibt es doch eh alles, und falls es ihn vorher nicht gab, existiert er eben ab jetzt und wird somit Realität. Ich habe halt immer Lust darauf, Dinge ein wenig anzuschärfen. Daher die Gegenfrage: Ist es wichtig, dass es ihn gibt?