Dominik Kaiser sitzt am Ecktisch eines Vietnamesen im Industriegebiet von Schlieren vor den Toren Zürichs. Zum Lunch vom All-you-can-eat-Büffet trinkt er Jasmintee. Ein Schmunzeln huscht über sein Gesicht, als die Frage aufkommt, wie sich profitables Wachstum erzielen lässt mit vier werbefinanzierten Free-TV-Sendern im recht überschaubaren Deutschschweizer Markt. Die Antwort gibt der drahtige Unternehmer lieber nach dem Essen bei einer Führung durch die Sendezentrale seiner 3 Plus Group. Dabei zeigt sich schnell, dass der Begriff 'Sendezentrale' zwar faktisch stimmt, aber die falschen Assoziationen weckt.

Zwei verwinkelte Büroetagen in zwei nebeneinanderliegenden Zweckbauten aus den 70er Jahren beherbergen den Großteil der insgesamt 70 Mitarbeiter. Vom Playout-Center bis zum Serverraum ist vieles Marke Eigenbau und nimmt wenig Platz ein. Ein Studio war bislang nicht vonnöten. Die Plakate von 3-Plus-Shows wie "Die Bachelorette" oder "Bauer, ledig, sucht..." mussten unlängst aus dem Flur entfernt werden, weil man sich den mit einer Anwaltskanzlei teilt. Wer zum Fernsehen will, muss schon genau wissen, dass hier die richtige Adresse ist.

Kaisers Erfolgsrezept liegt in der Beschränkung aufs Notwendige und im konsequenten Schleifen an der Effizienz der Sendergruppe. "Als wir Ende März unseren neuen Sender 6+ gestartet haben, mussten wir dafür keine zusätzliche Planstelle schaffen", berichtet der CEO und Hauptgesellschafter. Weil bei 3+, dem 2006 gegründeten Flaggschiff der Gruppe, der Anteil der Eigenproduktionen am Gesamtprogramm langsam, aber sicher auf über 40 Prozent steigt, dient nach den Ablegern 4+ (seit 2012) und 5+ (seit 2014) nun auch 6+ als willkommene Zusatzfläche für Spielfilme, Lizenzserien und Wiederholungen aller Art sowie für Programme, die sich auf den größeren Kanälen schwer tun. Der gewiefte Kaufmann lässt sie ohne Zögern umprogrammieren und vermeidet so die steuerliche Abschreibung der Programmrechte.

Auf knapp über 50 Millionen Franken oder 45 Millionen Euro Jahresumsatz taxiert das Schweizer Wirtschaftsmagazin "Bilanz" die 3 Plus Group und zitiert deren Mitgesellschafter, den Bankpräsidenten und Nationalratsabgeordneten Thomas Matter: "Jetzt ist die Rendite sehr attraktiv. Von den Zahlen her bin ich sehr zufrieden." Als Gründer hält der 49-jährige gebürtige Basler Kaiser laut "Bilanz" 86,6 Prozent der Anteile. Matter gehören 7 Prozent, dem Programmdirektor Torsten Prenter 3,4 Prozent und der stellvertretenden Geschäftsführerin Christina Noell 3 Prozent. Kaiser, der 2002 für ein Dreivierteljahr Geschäftsführer des interaktiven Musiksenders Viva Plus in Köln war, umgibt sich im Führungskreis gern mit Deutschen: Neben Noell und Prenter stieß im Februar der frühere Programmplanungschef von RTL und ProSiebenSat.1, Klaus Henning, als Senior Vice President Program Management dazu.

Die Bachelorette – Andrina Santoro© 3 Plus
Zur Effizienzstrategie gehört auch, dass die 3 Plus Group weitaus mehr inhouse erledigt als bei anderen TV-Sendern üblich. So sucht die hauseigene Casting-Abteilung nach Kandidaten für die Schweizer Versionen von "Bachelor", "Bachelorette", "Farmer Wants a Wife" ("Bauer, ledig, sucht...") oder "Kitchen Nightmares" ("Bumann, der Restauranttester"), bevor dann Warner Bros. International Television Production Germany die Produktion übernimmt. "Wir haben im Lauf der Jahre gemerkt, dass es besser funktioniert, wenn Schweizer oder eingeschweizerte Deutsche mit Schweizern sprechen", lacht Kaiser. "Gerade im Umgang mit Kandidaten treten die unterschiedlichen Mentalitäten zutage. Wir scheuen uns viel mehr, deutlich zu sagen, dass wir etwas nicht gut finden. Da sind die Deutschen geradliniger." Bis zu 250.000 Franken oder 225.000 Euro pro Folge lässt sich der Sender seine Reality-Formate kosten, die zur Primetime in der Spitze über 20 Prozent Marktanteil bei den 15- bis 49-Jährigen einspielen. Der Durchschnitt der gesamten Gruppe liegt zwischen 20 und 22:30 Uhr bei 8 Prozent.

Aktuell schieben Kaisers Caster Überstunden, weil sie zum ersten Mal nach Gesangstalenten für "The Voice of Switzerland" fahnden. Die öffentlich-rechtliche Konkurrenz von SRF 1 hatte 2013 und 2014 zwei Staffeln des Talpa-Formats ausgestrahlt, dann jedoch die Option auslaufen lassen. Kaiser griff zu und plant die Premiere auf 3+ für Anfang 2020 – die erste Studioshow und das bisher größte Programmprojekt des Senders überhaupt. "Damit haben wir die Chance, unsere Reichweite und unser Image weiter auszubauen, vor allem auch in Zielgruppen, die noch nicht zum Stammpublikum von 3+ zählen", so Kaiser. "Außerdem bieten wir mit 'The Voice' ein Umfeld für Werbekunden, die an unseren bisherigen Reality-Formaten nicht so interessiert sind. Vom Aufwand her ist das ein Riesending für uns, aber wir fühlen uns gerüstet." 

Lego Ninjago© Lego
Neue Kunden und eine neue Zielgruppe zu gewinnen, ist auch das Ziel einer weiteren Programmmaßnahme: Pünktlich zu den Schulferien in den meisten Schweizer Kantonen beginnt 5+ am 13. Juli mit der Ausstrahlung von Kinderprogramm am Samstag- und Sonntagmorgen. Lieferant ist Lego mit seinen Animationsserien "Ninjago", "Lego City" und "Lego Friends", die in erster Linie Sechs- bis Neunjährige ansprechen sollen. Von der asiatisch inspirierten Action-Fantasy "Ninjago" – einem der bewährten Quotengaranten beim deutschen Kindersender Super RTL – hat 5+ zunächst zwei Staffeln mit insgesamt 28 Episoden eingekauft. Drum herum werden das eher mädchenaffine "Friends" mit 16 rotierenden Folgen sowie fünf halbstündige Specials aus der Online-Shortform-Reihe "City" programmiert.

Den Einstieg ins Kinder-TV und den Deal mit Lego hat der frühere Super-RTL-Programmdirektor Carsten Göttel eingefädelt, der die 3 Plus Group seit kurzem zu seinen Beratungskunden zählt. "Die Marke Lego genießt eine hohe Beliebtheit unter Kindern und ein hohes Vertrauen bei Eltern und ist als Absender hilfreich für den Start ins Kinderprogramm", so Göttel. "Das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Kinder-Content ist hochgradig positiv wegen seiner hohen Wiederverwertbarkeit. Der Wert des Contents nimmt nicht ab, die Zielgruppe wächst schnell nach." Die Wochenendstunden zwischen 6 und 9 Uhr morgens hatte 5+ bisher an einen Teleshopping-Anbieter vermietet. "Wenn die erste Ausbaustufe so gut funktioniert, wie wir uns das erhoffen, kann ich mir durchaus vorstellen, die Sendestunden für Kinderprogramm auszuweiten", stellt Kaiser in Aussicht.

Man sollte meinen, als Meister der effizienten Programmverwertung strebe Kaiser über seine vier linearen Sender und deren 7-Day-Catch-up hinaus auch eine Streaming-Plattform für die Gruppe an. Wieder ein Schmunzeln auf dem Gesicht des TV-Unternehmers – wieder so eine Eigenheit des Schweizer Markts. Anders als in Deutschland sind Kabelnetzbetreiber wie UPC und Swisscom oder IPTV-Anbieter wie Zattoo gesetzlich berechtigt, mit den Programmsignalen der Sender umfangreiche Zusatzfunktionen wie zeitversetztes Fernsehen, Aufzeichnen oder Spulen anzubieten, ohne dass sie dafür extra das Okay der Sender benötigen.

"Gegenwärtig analysieren wir, ob in Deutschland eine Lücke für einen kleinen Free-TV-Sender entsteht"

Dominik Kaiser, CEO, 3 Plus Group

 

"Das ist zwar auf den ersten Blick eine schwächere Stellung der Sender", sagt Kaiser, "aber es gibt auch einen Vorteil: Replay-TV ist in der breiten Bevölkerung so beliebt und selbstverständlich geworden, dass wir auch diese Zuschauer am Werbemarkt kapitalisieren können. Wir gehen davon aus, dass die generelle Verfügbarkeit dieses Komforts die Abwanderungstendenz vom linearen TV zu SVoD-Diensten in der Schweiz deutlich verlangsamt." Insofern werde man über künftige Streaming-Angebote und über nicht skip-bare Werbung gemeinschaftlich mit den Netzbetreibern nachdenken.

So speziell der Schweizer Markt auch sein mag – Kaiser liebäugelt zunehmend mit einer Expansion über die nördliche Grenze: "Gegenwärtig analysieren wir, ob in Deutschland möglicherweise eine Lücke für einen kleinen Free-TV-Sender mit Schwerpunkt Lizenzprogramm entsteht, wenn sich dort die größeren Sender immer mehr auf Eigenproduktionen verlagern und bestimmte Kaufserien und -filme nicht mehr nachgefragt werden bzw. günstiger zu haben sind. Das würden wir, wenn überhaupt, nur machen, wenn wir einen gleichgesinnten Partner finden. Im Moment sprechen wir mit diversen möglichen Partnern. Für uns allein wäre der deutsche Markt eine Nummer zu groß."