Vergessen Sie „Rote Rosen“ und „Sturm der Liebe“: Die größte Liebesgeschichte der ARD mit viel Dramatik, unerwarteten Wendungen und Herzschmerz ließ sich in den vergangenen Jahren - und ganz besonders in diesem Jahr - regelmäßig in den Nachrichten sowie dem „Weltspiegel“ verfolgen. Annette Dittert und Großbritannien, da bekundete die Korrespondentin selbst 2015 schon in einem DWDL-Interview schon selbst: Das ist Liebe. Eine, die allerdings zuletzt oft schmerzte. 

Wie kaum eine andere Korrespondentin ist Dittert heimisch geworden in der Stadt aus der sie mit Unterbrechung seit 2008 berichtet. „Ich passe hier einfach irgendwie hin“, sagte Dittert einmal. Als vielleicht sichtbarste Korrespondentin im deutschen Fernsehen werden da viele Zuschauerinnen und Zuschauer zustimmen, nicht nur aufgrund eines oft exzentrisch-britischen Auftretens. Selbst während einer Auszeit von 2015 bis 2018 blieb Dittert privat in London - auf ihrem Hausboot.

Während Oligarchen und andere Investoren mit zu viel Spielgeld in der britischen Hauptstadt nach den Immobilien auch den Reiz eines Hausbootes für sich entdecken, aber einmal mehr den Besitz wichtiger finden als das Vergnügen der Nutzung, ist Annette Dittert tatsächlich auf dem Londoner Regent Canal zuhause. Sie lebt dort, wo bei schönem Wetter auch Ausflugboote an ihrer Emilia vorbeifahren, jenem Hausboot das ihr 18qm Zuhause bietet. Aber Dittert ist keine Frau nur für Schönwetter. 

Dafür wäre London auch in vielerlei Hinsicht die falsche Wahl. Über New York, wo sie zuvor das ARD-Studio leitete, sagte sie 2006 einmal im Gespräch mit DWDL: „New York ist alles, nur nicht sentimental und melancholisch.“ London, im Grunde aber auch Großbritannien als Ganzes, ist hingegen genau das. Der Brexit an sich fußte schließlich auf sentimentalen Wünschen nach alter Größe (und falschen Versprechungen). Um dieses Land zu verstehen, muss man es erstmal verstehen wollen. Dittert will das.

Aber Liebe kann manchmal schmerzhaft sein und in ihren Schalten und Beiträgen machte Dittert in diesem Jahr keinen Hehl daraus, dass es zunehmend schwer fällt, Verständnis für das zu entwickeln, was in der britischen Politik passiert. Und das von ihr, der Großbritannien-Versteherin. Da wird selbst Ratlosigkeit gehaltvoll, weil man sich sicher sein kann: Am Willen es zu verstehen und zu berichten mangelt es bei ihr nicht. Ein aus London zugeschaltetes Seufzen von Dittert kann schon eine Dramatik entwickeln wie es einst Claus Kleber schaffte, wenn er das „heute journal“ mit den Worten „Was war das heute bloß für ein Tag“ eröffnete. 

Annette Dittert ist eine Instanz für unser Verständnis Großbritanniens und wir wurden über die Jahre Zeugen davon, wie sehr die Liebe einer Korrespondentin zu ihrem Einsatzgebiet schmerzen kann, wenn sich die Wahlheimat mit dem Handwerkskoffer des Journalismus kaum noch erklären lässt. Aber Dittert gibt nicht auf, kämpft sich auch für uns durch. Ihre journalistischen Einordnungen werden inzwischen übrigens auch in Großbritannien geschätzt; regelmäßig veröffentlicht sie inzwischen auf englisch. Keiner der Gastbeiträge bzw. Analysen sorgte allerdings für eine so große Aufmerksamkeit wie ein Zitat im Oktober diesen Jahres.

Da gab Dittert in einer Schalte mit ARD Aktuell eigentlich nur die Aussage eines britischen Tory-Politikers wieder, der im Eifer des Gefechts im House of Parliament gesagt haben soll: „I am fucking furious and I don‘t fucking care anymore‘“. Dem deutschen Publikum sagte sie danach noch „Ich übersetze das jetzt mal nicht“. Doch das war egal. Der vermeintliche Wutausbruch einer deutschen Reporterin über das britische Chaos ging im Netz viral, wurde in Großbritannien aufgegriffen und schaffte es bis in die USA zu John Olivers „Last Week Tonight“ bei HBO. Der oftmals fälschlicherweise Dittert zugeordnete Fluch wude damit zu ihrer größten, nicht aber wichtigsten Reichweite.

Neben der Berichterstattung über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war Annette Dittert in diesem Jahr einmal mehr die wahrscheinlich wichtigste Korrespondentin und Auslands-Erklärerin im ARD-Netzwerk, was neben der hohen Politik im September auch dem Tod von Queen Elizabeth II. geschuldet war. Hier kam ihr Herz für Großbritannien besonders gut zur Geltung, wobei eine gesunde Skepsis im Umgang mit dem Großereignis und seiner Tragweite nie verloren ging. Egal ob Politik oder Könighaus: Wie Annette Dittert ihren Job im ARD-Studio London versteht und lebt, macht sie für uns zu einer Bildschirmheldin 2022.