Auch wenn auch in den USA die starren Mechanismen in den letzten Jahren aufgeweicht wurden: Insbesondere im Network-Fernsehen gibt es noch immer recht eindeutig definierte Routinen. Im Frühjahr werden Dutzende Piloten für neue Serien produziert, die dann gesichtet werden. Im Mai fallen die Entscheidungen, welche davon wirklich in Serie geschickt werden und in der darauffolgenden Season, die von September bis Mai läuft, gezeigt werden. Genau an diesem Punkt befinden wir uns jetzt - und das ist auch der Grund, warum Serienfans wie auch Verantwortliche bei den Sendern in aller Welt nun wieder besonders aufmerksam auf die USA schauen.

Dort stehen nun nämlich in den kommenden beiden Wochen die zentralen Events an. Los geht’s in der kommenden Woche mit den sogenannten „Upfronts“. Darin stellen die Networks gegenüber ihren Werbekunden ihre Pläne für die kommende Saison vor, präsentieren Trailer der neuen Produktionen, schicken den ein oder anderen Star auf die Bühne, und zeigen, in welcher Form die Serien ins Programmschema eingebaut werden sollen. Auf dieser Basis wird dann bereits ein beträchtlicher Teil der Werbedeals für die kommende Season abgeschlossen, es ist also enorm wichtig, dort zu überzeugen.

Keine leichte Aufgabe - denn während sich die Fernsehmacher hierzulande noch zurücklehnen und betonen können, dass die klassische lineare Fernsehnutzung trotz Streaming-Angeboten auf Rekordniveau liegt, sieht das in den USA ganz anders aus. Die Reichweiten der linearen Ausstrahlung sind seit Jahren in einem drastischen Sturzflug. Längst ist man daher dazu übergegangen, auch die zeitversetzte Nutzung mit einzuberechnen, was nach anfänglichem Zögern von der Werbewirtschaft auch mitgezahlt wird - doch selbst damit erreicht kaum noch eine Serie Reichweiten, wie man sie noch vor wenigen Jahren gewohnt war.

Nun gilt es, die wachsende Nutzung über Streaming-Angebote mit einzuberechnen - doch nicht nur in Deutschland tut man sich in der Hinsicht schwer, auch die jüngst von Nielsen vorgelegten „Total Content Ratings“ sind noch umstritten. Fox, Viacom und Turner arbeiten an einem eigenen System zur Ermittlung crossmedialer Reichweiten. Konkurrierende Systeme sorgen für gewöhnlich aber nicht dafür, dass das Vertrauen in die Richtigkeit der Daten schnell wächst. Tröstlich ist in dieser Situation immerhin: Ein neuerlicher Autorenstreik wurde Anfang des Monats gerade noch abgewendet. Diese zusätzliche Unsicherheit hätte den Networks nun gerade noch gefehlt.

Die Präsentationen in New York finden auch in diesem Jahr wieder in der seit Jahren gleichen Reihenfolge statt. Den Anfang macht NBC am Montagmorgen, Fox folgt am Montagnachmittag, am Dienstag ist ABC an der Reihe, am Mittwoch CBS, am Donnerstag bildet The CW den Abschluss. Schon im Vorfeld der Präsentationen gibt’s Mitteilungen der Sender, die konkreten Infos werden nach deutscher Zeit jeweils Nachmittag oder frühen Abend zur Verfügung stehen, beginnend mit NBC am Sonntag. Wir fassen die Planungen der einzelnen Networks wie gewohnt zusammen und liefern eine kurze Beschreibung aller bestellten Serien.

Während bei den Upfronts die nationale Vermarktung im Mittelpunkt steht, folgt in der Woche darauf die für die Finanzierung der Produktionen kaum minder wichtige internationale Vermarktung, die in der Hand der Produktionsstudios liegt. Dann fliegen Einkäufer aus aller Welt nach Los Angeles ein, wo jedes Studio die Serien-Piloten in voller Länge zeigt. Das geschieht entweder in großen Kinosälen, wo beginnend am frühen Morgen und bis in den Abend hinein ein Serienpilot nach dem anderen gezeigt wird, nur unterbrochen durch kurze Essenspausen. Teils finden auch Einzelscreenings statt, die den Vorteil haben, dass man manchen Pilot auch eher abbrechen und überspringen kann, wenn sich herausstellt, dass kein Interesse vorhanden ist. Bei diesen Screenings sind wir wie in den letzten Jahren auch diesmal wieder mit dabei und werden uns nicht nur unter den Einkäufern umhören, sondern uns auch selbst ein Bild der neuen Produktionen machen. Dann können wir aus erster Hand berichten: Wer ist der Favorit auf die Nachfolge von "This is us" als nächster großer Hit der Saison?

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