Achtung, neues Flip-Projekt! Beim ZDF hat man sich eine Mainzer Immobilie vorgeknöpft, die dringend eine Rundumerneuerung benötigt. Alte Strukturen raus, moderne Lösungen rein – und am Ende soll das Ganze natürlich gewinnbringend vermarktet werden. Klingt nach dem perfekten Fall für die neuen "Immo-Helden" am Vorabend ("Clever renoviert, gut verkauft")?
Nur dass diesmal nicht Denny und Sina im sauerländischen Lüdenscheid ein Reihenmittelhaus aus den 70ern aufmöbeln. Sondern sich eine der größten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Europas quasi selbst flippt: mittwochs um 19.25 Uhr. Und die Renovierungsstrategie exakt demselben Muster folgt, das der Sender Zuschauer:innen und Werbekund:innen als clevere Investition zu verkaufen versucht.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass das alles anders lief. Über viele Jahre war der Mittwochvorabend im Zweiten eine grundsolide Angelegenheit: werktäglicher Seriensendeplatz für Produktionen wie "Blutige Anfänger" und "Die Spezialisten" – klassische ZDF-Fiction mit okayen Quoten.
Altbau mit hohen Nebenkosten
Aber wie das bei Altimmobilien halt so ist: irgendwann werden die Unterhaltskosten ein bisschen hoch. Schauspieler:innen wollen Gagen, Drehbuchautor:innen Honorare, Regisseur:innen ein anständiges Budget.
Auf dem Mainzer Lerchenberg blickt man gleichzeitig schon seit längerem auf die nicht gerade üppig sprudelnden Einnahmen. Vielleicht diagnostizierten die Programmverantwortlichen dem Mittwochvorabend zwischen "heute" und "Aktenzeichen XY" auch deshalb den "Gesamtzustand: sanierungsbedürftig" (wieder ähnlich wie Denny und Sina bei ihrem 150.000-Euro-Objekt in Lüdenscheid). Und verfahren dort nun schon seit geraumer Zeit nach dem klassischen Fix-&-Flip-Prinzip.
Der Sendeplatz wurde einmal komplett entkernt und mit zeitgemäßeren, vor allem aber günstigeren Inhalten befüllt: "Duell der Gartenprofis" (erfolgreich), "Hab ich Recht?" (nicht so erfolgreich) und jetzt eben: "Die Immo-Helden" (mal abwarten, sieht aber nicht so gut aus). Raus mit dem Fiction-Mobiliar, rein mit dem "Neubau-Flair für die alte Immobilie"!
Aus kompliziert wird simpel
Das Erfolgsrezept ist denkbar schlicht – und lässt sich ganz wunderbar am neuen Aushängeschild selbst studieren, das seit Mitte Mai testweise im Programm läuft. Statt aufwendiger Handwerkskunst mit Seriendrehbuch reicht es da, Leuten dabei zuzusehen, wie sie anderen dabei zuschauen, wie sie die frisch erworbene Immobilie kernsanieren, um sie gewinnbringend weiterzuveräußern. Und regelmäßig die Kamera draufzuhalten, wenn die Handwerker:innen den frischen Putz mit einem Luftdruckgerät auftragen.
Die vermeintlichen Expert:innen Robert und Joeline, die die "Held:innen" unterstützen sollen, schauen sporadisch vorbei, lassen ein paar Bau-Tipps und Allgemeinplätze da ("Unser Eindruck ist sehr, sehr gut") – und verschwinden dann wieder, bis die Renovierung erledigt ist und der von ihnen empfohlene Verkaufspreis per Überraschungseffekt aus dem Umschlag gezogen werden kann, in den sie ihn gerade erst reingefummelt haben. Und im Nachgang noch zu meckern: „Ich persönlich hätte mich für einen anderen Klodeckel entschieden.“
Zwischendrin müssen die Protagonist:innen den Baufortschritt entweder selbst filmen, weil gerade kein Kamera-Team vor Ort ist. Oder das sogar an Dritte auslagern, weil sie – wie Jaqueline und Dominik – am Starnberger See residieren und nicht mal eben nach Feierabend 450 Kilometer ins hessische Friedberg raufbrettern können, um nachzugucken, ob die beauftragte Trockenbauwand schon fertig ist.
Geschmackvoller Rückzugsort mit Zierapfel
So entstehen 45 Minuten kostengünstiges Programm, garniert mit 3D-Raum-Animationen und Vorher-Nachher-Effekt, aufgepumpt mit übergeigten Episodentiteln ("Haus-Horror: Baby, Baustelle, Bauschäden") und künstlich generierten Spannungsmomenten, für die eine thorstenschornig klingende Off-Stimme bedeutungsschwer ankündigt: "Noch sind alle motiviert. Wenn Denny & Sina nur wüssten, was für Kopfzerbrechen die Immobilie noch bereiten wird!"
Mit dem ähnlich harmlosen, vom Sonntagmittag abgezogenen "Duell der Gartenprofis", das den Sendeplatz sonst ziert, hat der Sender ja schon vorgemacht, dass sich selbst Informationen über die korrekte Überwinterung der Bartblume ("Sie mag geschützte warme Plätze, blüht ab August und sollte in der kalten Jahreszeit vor Frost geschützt werden") erfolgreich vermarkten lassen.
Zumindest wenn zeitgleich Duisburger Innenhöfe mit verrosteten Wäschestangen und Mülltonnenschächten in "geschmackvolle Rückzugsorte" verwandelt werden, während der frisch gepflanzte Zierapfel "nicht nur ein echter Hingucker ist, sondern mit seinen Früchten auch der Vogelwelt wertvolle Nahrung bietet".
Gesellschaftlicher Nutzen statt Audience Flow
Mag sein, dass diese Rechnung fürs ZDF aufgeht: Wo früher teure Serienproduktionen liefen, erstrahlt jetzt kostengünstiges Factual-Entertainment, das sich der Werbewirtschaft als attraktives Programmumfeld präsentieren lässt.
Doch die Strategie hat einen Haken. Und der besteht aus der Frage, ob im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirklich jede Programmminute darauf ausgerichtet sein muss, die nächste Mainzelmännchen-Untrerbrechung optimal vorzubereiten?
Stellen Sie sich mal kurz vor: Das ZDF würde auf besagtem Sendeplatz statt Hortensien und Luftdruckputz einfach ein bis 20.15 Uhr verlängertes "heute am Mittwoch" zeigen – mit Hintergründen, Reportagen, Korrespondent:innen-Gesprächen. Und thematischer Vertiefung für all das, was aus Zeitgründen sonst unter den Tisch fällt, so wie neulich in dieser Kolumne schon mal gefordert. Vor allem aber: ohne dass dafür zentrale Leitplanken des deutschen Fernsehens verhoben werden müssten.
Auf die Privaten ist kein Verlass
Wäre das nicht ein besserer Public Service, anstatt den Beitragszahlenden zu erklären, wie man bodentiefe Duschen installiert oder warum während der Vogelschutzzeit nur Formschnitte am alten Hasel erlaubt sind?
Dass auf die Privatsender in dieser Hinsicht kein Verlass ist, hat RTL in der zurückliegenden Woche eindrucksvoll belegt: mit der Ankündigung, sein Spätabend-Newsmagazin "RTL Direkt" nach vier Jahren einzustellen – "um mögliche Umschaltpunkte zu reduzieren, um die Verweildauer der Zuschauer beim Sender zu erhöhen" (hier geht's zum DWDL-Kommentar des Kollegen Alexander Krei).
Natürlich ist das auch das Ziel von ARD und ZDF. Aber in einer Zeit, in der die Öffentlichkeit heftig über die künftige finanzielle Ausstattung der Anstalten debattiert und streitet, wäre es durchaus angebracht von den Sendern, ihren gesellschaftlichen Mehrwert auch mit mutigen Programm-Experimenten herauszustellen, auch zu ungewöhnlichen Zeiten. Anstatt bloß auf den perfekten Audience Flow zum Krimi um viertel nach acht zu schielen, um mittelfristig Marktführer zu bleiben.
Flip erfolgreich, Auftrag verfehlt
Der Mittwochvorabend könnte eine einzigartige Chance sein, um zu demonstrieren, dass Sendeplätze im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nach reiner Verwertungslogik gestaltet werden müssen – sondern (wenigstens an einzelnen Tagen) auch nach dem, was aus Sicht der Zuschauer:innen ein informativer Gewinn wäre. Selbst wenn das bedeutet, dass Werbeunterbrechungen weniger optimal platziert wären (oder anderweitig ausgeglichen werden müssten).
Aber natürlich passen solche Experimente nicht zur derzeitigen Mainzer Fix-&-Flip-Logik. Und die Umbau-Expert:innen Robert und Joeline würden das ZDF-Projekt vermutlich als gelungen bewerten: Objekt günstig übernommen, kostensparend saniert, gewinnbringend vermarktet.
So wie am Ende jeder "Immo-Helden"-Folge, wenn die Protagist:innen noch mal flugs per pixeligem Videocall erfolgreich den Verkauf melden, und die Coaches einen ihrer hintereinander weg aufgezeichneten Glückwunsch-Sätze in die Kamera aufsagen. Um direkt zum nächsten Sanierungsfall überzugehen.
Nur dass sich die neuen Eigentümer des Objekts in diesem Fall auch die alten sind – und sich fragen müssen, ob sie die frisch errichteten Trockenwände zur Abtrennung des gesellschaftlichen Nutzens im ZDF-Vorabendprogramm wirklich dauerhaft so stehen lassen wollen.
Und damit: zurück nach Köln.
Korrektur: Die Off-Stimme der "Immo-Helden" stammt nicht von Thorsten Schorn. Entschuldigung!