Was die Vermögensvermehrung betrifft macht König Lustig so schnell keiner was vor. Gut abgehangene Einspielfilmkniffe und geriatrische Gags aus dem "TV total"-Archiv geringfügig abgefeudelt im Jahr 2020 an einen aufstrebenden Kölner Streaming-Anbieter zu verkaufen und nochmal mit Prominenten aus dem RTL-Universum durchzuspielen, zeugt zumindest von einem funktionierenden Vertriebsmanagement im Unterkönigreich des Entertainment-Magnaten Banijay, das den Namen Raab TV trägt.

Spätestens nach den ersten vier Ausgaben des neusten Show-Versuchs lohnt es sich aber, kurz über die Aussagekraft des Qualitätssiegels zu diskutieren, das die Sendung schmücken soll.

Raab fehlt dem Fernsehen – sogar sehr

"'Täglich frisch geröstet' wird Ihnen präsentiert von Stefan Raab – er sitzt wirklich in der Regie und frisst Chips", heißt es zu Beginn jeder neuen Folge, so wie zuvor bereits bei anderen Produktionen aus dem Hause seiner spaßigen TV-Exzellenz. Nur hat sich besagtes Siegel im Laufe der vergangenen Monate weniger als Prädikat, dafür um so eher als Warnhinweis an die Zuschauerinnen und Zuschauer erwiesen: Vorsicht, hier steckt weniger drin als die Verpackung verspricht.

Prädikat Raab © Screenshot TVNOW Prädikat: besonders raabvoll

Fast genau fünf Jahre ist es her, dass Stefan Raab schräg hinter den Heavytones die Hebebühne verlassen und sich mit der letzten Ausgabe "TV total" (und kurz darauf bei "Schlag den Raab") aus dem deutschen Fernsehen verabschiedet hat, um künftig darin weiterzuwirken. Und es hilft ja nichts zu lügen, also lass ich's einfach raus: Er fehlt dem Medium. Sogar sehr.

Während sein Haussender das hinterlassene Vakuum (und die zahlreichen frei gewordenen Samstagabendsendeplätze) im Laufe der Zeit zu füllen vermochte, liegt der von Raab zusammen mit der ARD neu aufgebaute Eurovision Song Contest aus deutscher Sicht inzwischen wieder so sehr in Trümmern, dass sich der ESC-Sondergesandte Thomas Schreiber zur Degeto schreckbeförden lassen wird. Schlimmer noch: Eine ganze Generation junger Medienkonsumierender ist inzwischen tatsächlich der Ansicht, bei einem Wok handele es sich um eine gewölbte Pfanne aus der asiatischen Küche, und nicht etwa um ein Sportgerät.

Die Schwäche der Raab'schen Formatmaschine

In seiner sturköpfigen Konsequenz wird sich Raab wohl kaum dazu überreden lassen, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Nicht mal, wenn ihm richtig langweilig geworden ist. Und es spricht vieles dafür, dass es dieses Jahr endgültig soweit war – zumindest wenn man den produktionstechnischen Output seiner Produktionsfirma als Indiz dafür heranzieht.

Im Frühjahr lief im Auftrag von ProSieben der erste "Free ESC" im deutschen Fernsehen, kürzlich folgte mit "FameMaker" eine Mischung aus Rate- und Musikshow und als TVNow verkündete, Raab würde im Spätherbst eine neue Late-Night-Show verantworten, produzierte das verheißungsvoll klingende Schlagzeilen. Die sind nun, pünktlich zur Erstausstrahlung, abgeebbt.

Dabei ist "Täglich frisch geröstet" ein typisches Raab-Format, nicht nur wegen der unübersehbaren Verwandtheit mit "TV total", sondern schon in seiner Anlage als Verschmelzung zweier Genres, die so bislang nicht zusammengehörten. (Wie Raab es schon immer gemocht hat.) Gleichzeitig demonstriert die Show auch so gut wie keine andere die Schwäche der Raab'schen Formatmaschine, die in der deutschen TV-Branche bislang erstaunlich unausgesprochen bleibt, weil der Hofnarr dem König ja auch nicht Bescheid sagt, wenn der wieder die Socken falsch herum angezogen hat.

Ein 45-minütiges "TV total"-"Déjà-vu"

Um's kurz zu machen: "Täglich frisch geröstet" ist leider keine besonders gelungene Sendung. Einen ersten Schwung guter Gründe dafür hat Kollege Alexander Krei hier schon nach der Premiere aufgeschrieben. Danach ist es nicht viel besser geworden. Evelyn Burdecki oder Jorge González dabei zuzusehen, wie sie sich beim Vorlesen mittelmäßiger Gagtexte vom Teleprompter verstolpern, produziert eher Fremdscham als Entertainment. Im Jahr 2020 abwechselnd Angela Merkel und zufällig ausgesuchte YouTube-Schnipsel nochmal mit Quatschtexten nachzusynchronisieren, braucht eher Mut als Mühe. Und wer glaubt, dass in der ersten Show schon alle "Haialarm auf Mallorca"-Gags mit und über Ralf Möller gemacht worden sind, der wartet vielleicht besser noch mal die kommenden Wochen ab.

Täglich frisch geröstet © TVNOW / Willi Weber Ralf Möller (r.) war Host der ersten Ausgabe von "Täglich frisch geröstet"

Das heißt nicht, dass es bei "TFG" nicht auch unterhaltsame Momente gäbe – so lange Mickie Krause nicht gerade denselben Gag nochmal zu machen versucht ("Schön, dass ich hier sein muss"). Die Besonderheit der Show soll allerdings darin bestehen, dass die rotierenden Gast-Moderierenden während ihres Scheiterns von so genannten "Roastern" mit höflichem Spott eine zusätzliche Verbaldemontage erfahren. Das hat bislang spekatkulär gar nicht funktioniert – und ist als Konzept in Folge vier mit dem als "Roaster" im Sidekick-Mantel viel zu freundlichen Kai Pflaume, der seinen Twitch-Kumpel Jens "Knossi" Knossalla eher an- als verfeuerte, auch direkt über den Haufen geworfen worden.

Bislang ist "Täglich frisch geröstet" vor allem ein einziges 45-minütiges "Déjà-vu" – aber nicht, weil hinter jede Ecke fünfzehneinhalb Jahre Raab'sche Late-Night-Routine hervorlugen, sondern weil das Grundproblem der Show dasselbe ist wie das vieler neuer Raab-Formatentwicklungen: Hört sich erstmal lustig an, hält den Erwartungen aber in den allerseltensten Fällen stand.

Treibstoff für einen launigen TV-Abend

Bei "FameMaker", das im Herbst bei ProSieben lief, sollte eine Jury aus Comedians raten, ob unter einer schalldichten Kuppel performende Kandidatinnen und Kandidaten wirklich gut singen – oder bloß so tun. Schöne Idee. Bis man das Prinzip als Zuschauer nach einer Stunde verstanden hatte und es sich als nicht so wahnsinnig interessant erwies, den ganzen Abend über Leute nicht beim Singen zu hören. (Dafür, dass "FameMaker" nicht komplett abgerauscht ist, kann sich der Sender bei Carolin Kebekus, Luke Mockridge und Teddy Teclebrhan bedanken, die sich mächtig ins Zeug gelegt haben, um Abwechslung in den immer selben Ablauf zu bringen.)

FameMaker © ProSieben / Willi Weber Bei "FameMaker" sangen Kandidatinnen und Kandidaten unter einer schalldichten Kuppel

Ein Grundprinzip vieler Raab-Produktionen besteht darin, bestehende Formate nochmal neu in sehr viel raabischer zu machen. Das ist ja auch über zwei Jahrzehnte gut gegangen, als der Meister noch selbst vor der Kamera stand und mit seinem unerschöpflichen Ehrgeiz den Treibstoff für manch launigen TV-Abend lieferte. Ohne ihn läuft das aber nicht automatisch genauso. (Fragen Sie mal Steffen Henssler.)

Natürlich kann man eine Show machen, in der Leute ihre mehr oder weniger nützlichen Erfindungen einer Jury präsentieren. Das gibt's zwar anderswo schon, nur halt, ohne dass Joko Winterscheidt, Lena Gercke und ein ein spröder Supermarkt-Einkaufschef was dazu gesagt haben. "Das Ding des Jahres" gehörte trotzdem eher nicht zu den Show-Höhepunkten der jüngeren TV-Geschichte. Und so okay das gewesen sein mag, das Publikum im Frühjahr mit einer selbst geklöppelten ESC-Alternative abzulenken – was genau spricht dafür, das nächstes Jahr so zu wiederholen?

Wo sind die neuen Raabs und Raabinnen?

Ich würde mir wünschen, dass Stefan Raab den Einfluss, den er unbestreitbar immer noch auf deutsche Senderchefs hat, dafür einsetzt, nicht bloß im Spaß neue Talente zu fördern. Und auch nicht nur die Lukes und Teddys, die bei den meisten Programmverantwortlichen ohnehin schon auf der Liste und im Programm stehen. (Am Donnerstag startet bei ProSieben die neue Raab-TV-Produktion "Teddy gönnt dir".) Sondern diejenigen, die danach kommen sollen – im Idealfall bevor ZDFneo sie versenkt, indem der Sender ihnen ihre eigene Late Night gibt. Wer könnte dem Fernsehen besser dabei helfen, neue Stefan Raabs und Raabinnen zu finden als – das Original?

Das wäre allemal innovativer als sich mit Formatentwicklungen weiter in der "Quizboxen"-Zeitschleife zu verheddern. Für den – von Raab moderierten – Genre-Clash wechselten sich anno 2012 Teilnehmer in zehn Runden, nun ja: beim Quizzen und Boxen ab. Mehr war da nicht, und nach fünf Ausgaben auch schon wieder Schluss. Spätestens seitdem ist klar: Eine Idee, die im Kopf von König Lustig funktioniert, wird im Studio nicht automatisch zu gutem Unterhaltungsfernsehen. Bleibt nur noch eins zu klären: Wer sagt's dem Chef?

Und damit: zurück in die Hauptstadt des Entertainments.

TVNow zeigt neue Folgen von "Täglich frisch geröstet" montags und mittwochs ab 20.15 Uhr.