Vor einem Jahr war Frank Rosin für den Kabel-Eins-Oldie "Rosins Restaurants" um die Ecke von meinem Büro in der Gastronomierettung aktiv. Die Produktionsfirma hat in der Nachbarschaft große Zettel mit Hinweisen auf die bevorstehenden Dreharbeiten und Drohnenaufnahmen aufgehängt, irgendwann rauschte Rosin mit Kamerateam im Schlepptau an und nach ein paar Tagen war der Spuk wieder vorbei.

Aber geholfen hat's: nix.

In der Monate darauf gesendeten Folge ließ sich begutachten, wie der Gastronom (bei dem Rosin schon dreizehn Jahre zuvor für ein anderes Format gedreht hatte) ein Konzept entwickelt bekam, das in den Augen Ortskundiger völlig an den Bedürfnissen des Kiezes vorbei lief, basierend auf einer wenig treffenden Konkurrenzanalyse.

Von wegen schöne Anschubhilfe

Weil der Besitzer einsichtig, lernbereit und offen für Veränderungen war, musste die für das Format notwendige Dramatik mühevoll künstlich erzeugt werden. "So würzt doch kein Koch! Würz mal, Alter!", brüllte Rosin. Und nach 4,5 Sternen für Rote-Beete-Semmelknödel mit gehobeltem Parmesan und Rinderfilet mit Kräuterseitlings-Ragout von Testesser:innen, die offensichtlich eher nicht aus der näheren Umgebung stammten, verabschiedete er sich mit den Worten: "Haha, ich bin happy! Das war 'ne schöne Anschubhilfe."

Wenige Wochen später war der Laden endgültig zu – auf "Großmutters Küche, neu interpretiert" hatte hier in der Ecke wirklich niemand gewartet. Oder wie fleißige Wikipedia-Chronist:innen es zuletzt öfter neben die Namen für "Rosins Restaurants" besuchter Stätten notieren: "Bei Ausstrahlung der Sendung bereits längere Zeit geschlossen."

Dabei weiß Rosin ja eigentlich ganz genau, worauf es ankommt – beim Kochen und beim Fernsehmachen: auf eine "überraschend neue, aber trotzdem bekannte Geschmacksstruktur"; und manchmal "braucht man einfach nur drei topproduzierte Produkte auf den Teller packen, die zueinander passen, und die auch alleine einfach sehr gut abgeschmeckt sind."

Auf Gastro-Tour bis nach New Orleans

Also, sagen wir: drei aus dem Fernsehen bekannte, aber grundverschiedene Sterneköche, die für vier Wochen in einem Riesencamper durch die USA reisen, um dort gemeinsam Abenteuer zu erleben und das Publikum auf Gastro-Sightseeing-Tour mitzunehmen? Wie gut, dass da bei Kabel Eins schon jemand drauf gekommen ist!

Im vergangenen Jahr schickte der Sender Frank Rosin erstmals mit den beiden Kollegen Alexander Kumptner und Ali Güngörmüş auf einen "Roadtrip Amerika", und weil das sowohl vor der Kamera als auch in der Quotenalanyse ganz hübsch miteinander harmonierte, trafen sich die drei jetzt einfach nochmal für eine Fortsetzung: 4.500 Kilometer, von New York City bis New Orleans.

Mit ihrem XXL-Camper, dem "Haus auf vier Rädern", sind die Köche kaum um die Kurven gekommen, mussten mit Polizeischutz über die Gegenfahrbahn unter zu niedrigen Brücken durcheskortiert werden und haben sich abends auf wechselnden Campingplätzen inmitten unberührter Natur zu Feierabendbierchen gegenseitig begrillt.

Ungestyled in der Unterbuchse

Trotz gelegentlichen Aneinanderrasselns haben sie sich schätzen gelernt, es gab Gerangel und Gefurze wie unter Teenagern, alberne und nachdenkliche Momente, und mit dem Ende-eines-Sommers-Gefühl am Schluss großes Bedauern: "Mir werden die Jungs irrsinnig abgehen, weil ich komm' mir wieder vor wie mit 16 und das macht's so fresh", bilanzierte Kumptner beim Auseinandergehen. Und Rosin, der ohne die Verbissenheit in seinem Stammformat so viel zugänglicher und sympathischer wirkt, meinte: "Camping – das ist philosophisch gesprochen Lebensbildung."

Vor allem aber ist "Roadtrip Amerika 2" Beleg dafür, wie essentiell eine ausgewogene Mischung ist, um Unterhaltungsfernsehen zu produzieren, über das man sich als Zuschauer:in jede Woche aufs Neue freut.

Das liegt nicht nur am Reiz, die prominenten Köche in Alltagssituationen beobachten zu können: Wie, verdammt, löst man in NYC ein U-Bahn-Ticket? Wie kriegt man "das Kacki und Lulu" aus dem Camper wieder raus? Was tankt das Schiff überhaupt? Wer hat schon wieder den Schlüssel stecken lassen? Und wer steht morgens als erstes ungestyled in Unterbuchse und Schlappen auf dem Platz und macht den Kaffee mit der besten Crema?

Wrestlingschule und Rotbarschangeln

Den Verantwortlichen ist das Kunststück gelungen, keines der formatrelevanten Elemente überzustrapazieren – sondern immer dann, wenn gerade genug herumgealbert wurde, zügig zur nächste Herausforderung überzuleiten – und zum Beispiel zu zeigen, wie die drei mit Jetskis um die Freiheitsstatue herumdüsen, ihrer Höhenhangst beim "City Climb" in New York erst erliegen ("Wir haben's – nicht geschafft") – und sie später auf einem 30-Meter-Sprungturm besiegen; wie sie im Nationalpark (erfolgreich) Goldschürfen, in Tennessee zur Wrestlingschule gehen und die Einheimischen anschließend mit Original-Mama-Rosin-Currywurst versorgen; wie sie in Philadelphia bei der Stadtführung die Rocky-Stufen erstürmen, in Nashville Axtwerfen und sich auf dem Flyboard zu halten versuchen, in Louisiana auf Alligatorensuche gehen, dann gemeinsam ins Tattoo-Studio und zum Schluss Rotbarschangeln für das Abschiedsessen am Lake Pontchartrain. "Sowas hab ich nicht mit vielen Menschen in meinem Leben", sagt Kumptner mit nachvollziehbarer Dankbarkeit.

Dass die Anschlüsse zwischendurch nicht immer stimmen, wenn etwa der Off-Sprecher behauptet, das Trio sei am nächsten Tag nochmal in die Stadt gefahren, alle aber noch dieselben Klamotten wie gestern anhaben – geschenkt. Abwechslung geht vor.

Kulinarisches entlang der Reiseroute

Dass Güngörmüş, Kumptner und Rosin die Kameras auch in Situationen zulassen, in denen sie sich überwinden und aus sich herausgehen müssen, ist genauso wichtig – weil dieser allürenfreie Auftritt für eine Erdung sorgt, die dem Format gut tut. Keiner der drei scheut sich, auch mal emotional zu werden; und alle machen den Spaß mit, in hochgradig albernen Kostümen als Elvis-Verschnitt oder Wrestling-Stars auf die Straße zu gehen, wenn's ein Gag ist.

Roadtrip Amerika 2 © Kabel Eins Wenn's ein Gag ist, schlüpfen auch seriöse Sterneköche gerne mal ins Wrestling-Outfit.

Landeskundliche Fallhöhe erhält der "Roadtrip" dadurch, dass die "three chefs from Europe" regelmäßig die kulinarischen Höhe- und Tiefpunkte entlang ihrer Reiseroute identifizieren. Bei Katz Delicatessen in New York werden gigantische Pastrami-Sandwiches verzehrt ("Am Schluss haste Food-Koma"), und zur Ziegenhirn-Verkostung in der Ada Indian Canteen gibt's vom Eigentümer den kulturellen Hintergrund gleich dazu erklärt.

In Philadelphia lassen sie sich im "Sam Jones" den riesigen Räucherraum mit dem Red-Oak-Feuerofen zeigen ("Die Umstände schmecken mit"), in Memphis werden die beeindruckenden Grillschächte im "Rendez-vous" bestaunt: "Das ist wie Arbeiten auf der Baustelle."

Kein "Duell", nirgends!

Im "Arcade-Diner bestellen sie auf dem Platz, auf dem Elvis immer saß, Peanutbutter-Banana-Sandwich; in einer Familienmetzgerei helfen sie bei der Herstellung von Boudin-Wurst, für die aus riesigen Kesseln alles herausgeschöpft wird, was das Schwein hergibt. Das Trio stürmt hustend aus der Mischhalle der Tabasco-Produktion in Süd-Louisiana raus, wo die Schärfe sprichwörtlich in der Luft liegt; und testet die Grill Cuisine des "Dooky's Chase", das für die afroamerikanische Community so wichtig ist und schon Präsidenten glücklich gemacht hat.

Vor allem aber erfahren die drei Profis, dass es vom unerwarteten Gastro-Highlight (mexikanischer Hausmannskost aus dem Foodtruck von "Maiz De La Vida") bis zum absoluten Tiefpunkt (zu Tode frittiertem Würzpasten-Hähnchen im "400 Degrees Hot Chicken") manchmal nur ein Katzensprung ist. "Das ist das Abartigste was ich je gesehen hab – und sorry, ich hab schon viel gesehen", klärt Rosin seine Kollegen nach einem kurzen Küchenbesuch dort auf – und erzählt den in Schockstarre Verharrenden, was sie gleich serviert kriegen. Nämlich, wie Kumptner später bilanziert: "Das war, wie wenn ich mir mit Schleifpapier die Zunge aufschabe und dann Chiliflocken draufgeb."

Roadtrip Amerika 2 © Kabel Eins Die Reise ist für Güngörmüs, Kumptner und Rosin auch ein Blick in fremde Küchen bzw. Öfen.

Tatsächlich wird in "Roadtrip Amerika" sonst erstaunlich selten gemault, es gibt auch kein "Duell" und Gastronom:innen werden ausnahmslos sich selbst überlassen, ohne dass irgendwem ein überflüssiger Tipp über die Lippen ginge – genau das hebt "Roadtrip Amerika" aus der Masse der Food-affinen Formate im Fernsehen heraus und macht das Zusehen so angenehm.

Weltzugewandte Neugier, ungläubiges Staunen

Hier fahren einfach drei, die sich sehr, sehr gut mit der Zubereitung von Lebensmitteln auskennen, mit offenen Augen durch ein Land, dessen Bewohner:innen und Mahlzeiten sie mit weltzugewandter Neugierde und ungläubigem Staunen begegnen.

Und auch wenn es einen gewissen Charme hatte, dass sich Güngörmüş, Kumptner und Rosin nachher mit etwas Abstand in der Heimat wiedertrafen, um sich bei gemeinsamem Kochen an die schönsten Momente zu erinnern – so richtig hätt's diese Zugabe nicht gebraucht.

Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Roadtrip Amerika" trotz des eingekauften Format-Rezepts wirklich ganz hervorragend hausgemachtes Light Entertainment ist – und beim nächsten Fernsehpreis nicht nur eine Nominierung verdient hätte. Auf die Zutaten kommt's halt an. Oder wie einer der drei Camper zwischenbilanziert: "Das sind Erlebnisse, die zusammenschweißen." Das Schöne ist: Publikum inklusive!

Und damit: zurück nach Köln.

Die bisher gesendeten Folgen von "Roadtrip Amerika" sind auf Joyn abrufbar.