Sie haben neulich Ihren 50. Geburtstag gefeiert, jetzt 20 Jahre eitelsonnenschein - was ist die größere Errungenschaft?

Also ich würd sagen: In dieser Branche mit 50 Jahren das zwanzigjährige Jubiläum einer Firma feiern zu können, ist schon fast die Errungenschaft.

Vielleicht kennen nicht mal alle in der Branche eitelsonnschein und selbst die, die es tun, wundern sich bei 20 Jahren möglicherweise, ob sie da was verpasst haben….

Ja, haben sie (lacht). Aber war auch geil als uns noch keiner aufm Schirm hatte. Also wenn wir ehrlich sind, dann wurde die Firma zwar vor 20 Jahren gegründet als eitelsonnenschein, Liebeslyrik und klassische Medien, weil mir damals diese ganzen "neuen Medienagenturen" so auf den Sack gingen. Wir hatten auf der Website auch tatsächlich Liebesgedichte, selbst geschrieben. Das war eine Zeit der kleinen Jobs, wir haben zum Beispiel das erste Logo für die Republica designed. Insgesamt war Werbung unser Ziel. Ich wollte immer schon Regisseur und Filmemacher werden, aber damals hätte ich nie gedacht, dass ich mal Serien oder Filme drehen würde. Und wenn mich keiner bucht, dachte ich mir, mache ich es halt selbst. Und als das ein bisschen Fahrt aufgenommen hat, haben wir uns überlegt: Wo wenn nicht in der Werbung herrscht eitelsonnenschein? Aber auch mit dem Namen sind wir noch einige Zeit unterm Radar geflogen. Erst vor zwölf Jahren haben wir mit „Endlich deutsch“ unsere erste fiktionale Serie produziert aus einem Innovationstopf, den der WDR damals ins Leben gerufen hatte.

Und wie kam es dazu?

Wir hatten damals eine Werbefilm für 1Live gemacht und dabei hab ich davon mitbekommen. Jetzt klingt das so unsympathisch, aber am Ende des Tages habe ich immer gemacht, worauf ich Bock habe. Und ich hatte parallel an der KHM nochmal so ein Post-Graduierten-Studium angefangen. Unter Henke hatte ich meine ersten Kurzfilme gemacht, die natürlich eitelsonnenschein dann produziert hat. Einer davon war auch ziemlich erfolgreich, lief auf vielen Festivals, eine Mockumentary namens „Spendensucht“. Da hatte ich Blut geleckt und zum ersten Mal den Blick über den Tellerrand dahin geworfen, wo ich ja eigentlich immer hinwollte: Zum Film. Das war nochmal ein Neuanfang.

Wonach?

Die Zeit zwischen 20 und 30 habe ich gar nichts gemacht ausser in Prenzlauer Berg rumzuhängen. Skijacken zu tragen, gelegentlich nen Joint oder ein Making-of für X-Filme zu drehen. Dann habe ich aus einem Liebeskummer raus und aus Trotz Eitelsonnenschein gegründet. So richtig wertvoll wurde es dann nach acht, neun Jahren mit „Endlich Deutsch“. Dafür haben wir auch einen Preis gewonnen, den Fernsehpreis der Deutschen Akademie für Fernsehen - und waren auf einmal für den Grimme-Preis nominiert. Und das gleich mit dem allerersten Ding - da denkt man sich natürlich: Da könnte man doch mehr machen. Dann kam „World of Wolfram“…

"...das lief in Amerika als HBO Original. Bis heute gucke ich mir diesen Vorspann gerne an, wenn ich mal traurig bin"


…und „Andere Eltern“ für TNT Comedy, was den Durchbruch brachte…

Ja, bei „Andere Eltern“ kam der awkward Moment, dass wir auf einmal gesehen wurden. Dass das, was man macht, plötzlich auch so eine Relevanz bekam. Erstmal eher von Kritikern und Jurys als vom ganz großen Publikum (lacht). Aber da hat sich was geändert. Bis dato war ich ganz gerne in meiner alten Fabrik in Köln-Nippes und habe unbeachtet vor mich hin gearbeitet. Dann kam die Anke (Greifeneder, Anm. d. Red.), hat das in notime durchgewunken, wir hatten alle Freiheiten und dann noch diese Rezeption! Ich mein, das lief in Amerika als HBO Original. Bis heute gucke ich mir diesen Vorspann gerne an, wenn ich mal traurig bin (lacht).

Das dürfte so ziemlich die Definition von Durchbruch sein…

Ja, aber ich bin noch bis heute verwundert, dass es damals plötzlich hieß „Ja, das ist vom Heineking“ - so als wenn mich plötzlich alle kennen müssten. 

Zum Kreativmensch kamen mehr unternehmerische Aufgaben. Wie bringt man das unter einen Hut? Und wie gut können Sie Verantwortung abgeben?

Wenn ich Danny, Marco und das Team nicht hätte, dann wäre alles so viel schwerer. Aber loszulassen bei Projekten, fällt mir nach wie vor sehr schwer. Dabei ist es inzwischen längst so, dass ich nicht mehr bei allem von eitelsonnenschein selbst mitmische. Das ist gesund für mich, auch für eitelsonnenschein. Trotzdem versuchen wir geschickt Projekte auszuwählen und zu forcieren, die uns allen passen, wollen dabei aber eine gewisse Größe gar nicht überschreiten mit der Firma. Wir sind eine Manufaktur und wollen das bleiben - und Danny, der hält den Laden echt zusammen. Ich sag mal so: Mit der Vorstellung in 20 Jahren das ganze Jahr in Holland am Meer oder im Coffee Shop zu sitzen, aber zu wissen, es gibt Eitelsonnenschein noch, hab ich kein Problem (lacht). Ich bin gar nicht so eitel (lacht). Ich bin Kölner, da behält man sich eine gesunde „Leck mich in der Täsch“-Haltung. 

Wenn Eitelsonnenschein als lustige Truppe und Sie als Unikat bezeichnet werden: Ist das dann Kompliment oder Geringschätzung?

Wenn die Auswärtsfans im Rheinenergie-Stadion singen „Ihr seid nur ein Karnevalsverein“ und die FC-Fans einstiegen mit „Wir sind nur ein Karnevalsverein“, fühle ich mich sehr zuhause. Dass man uns extrem oft unterschätzt hat und nach wie vor auch noch unterschätzt, muss ja kein Nachteil sein. Manchmal aber müssen wir bei Partnern, die uns noch nicht kannten, doch erstmal erklären, dass wir das alles durchaus ernsthaft betreiben. Aber die Situationen werden weniger. 

Und mit dem Image der Firma, also einer Expertise für schnelle, günstige und lustige Produktionen, sind Sie fein?

Das hätte vielleicht zu einem Problem werden können, wobei ich jetzt auch mal sagen möchte: Nur weil man etwas mit der Handkamera dreht; nur weil etwas sehr echt wirken sollen, ist doch günstig nicht gleich schlecht. Aber wir machen ja nicht nur Comedy. Wir haben ja inzwischen auch erfolgreich Dokumentationen und Reportagen gedreht, wollen das auch ausbauen und werden uns personell verstärken. 

Wie kam es eigentlich dazu? Von Comedy zu Doku…

Das fing an als wir mit mit Construction Film die Erlemann-Doku für RTL+ gemacht haben und mit 2pilots zusammen etwas zu „200 Jahre Kölner Karneval“. Als Rheinländer natürlich eine Herzensangelegenheit. Das kam über einen unserer langjährigsten Kunden, wozu neben der DFL auch der Kölner Karneval gehört. Und da ist unser Danny sehr engagiert. Wir haben jetzt aber auch viel über die lokale Bedeutung von Fußballvereinen in NRW gemacht und über Ruhrpott-Kioske. Es kommt noch was über Kölsche Büdchen. Da haben wir einfach Spaß dran - aber das ist jetzt keine Strategie. Die hab ich selten. Also eine klassische. 

Und im Fiktionalen? Verlockt da nicht auch mal ein anderes Genre?

Ja, klar! Aber auch wenn sie weniger geworden sind, waren uns da immer noch einige Türen verschlossen. Aber das wird sich ändern. Wir haben uns zum Jubiläum gedacht: Nach so viel lustig und günstig, machen wir jetzt zur Abwechslung mal ernst und teuer. (lacht) Wir freuen uns auf ein ganz besonderes neues fiktionales Projekt: Am 27. August erscheint der neue Thriller von Romy Hausmann; ihr erstes neues Buch seit dem weltweiten Erfolg der Netflix-Verfilmung von „Liebes Kind“. Der heißt „Himmelerdenblau“ und ist der Hammer! Wir haben uns die Rechte für die Verfilmung gesichert und schreiben auch bereits daran.

 

"Ein bisschen freut sich auch der Schalk in meinem Nacken, dass Romy Bock auf uns als Manufaktur hatte, statt mit großen Produktionshäusern zu gehen."

 

Bemerkenswert! „Liebes Kind“ wurde noch von Constantin Television verfilmt. Wie hat Eitelsonnenschein den Zuschlag bekommen? 

Authentisch sein. Und sich wirklich dafür interessieren. Romy und Ich kennen uns von Ihrem tollen Lyrik/Musik-Projekt mit meinen Freunden von Fortuna Ehrenfeld. Wir habe einfach gemerkt, dass das zwischen uns matcht. Es macht mich wirklich sehr stolz, dass wir gerade dieses fantastische Buch noch vor Erscheinen in eine Serie übersetzen dürfen. Und ein bisschen freut sich auch der Schalk in meinem Nacken, dass Romy Bock auf uns als Manufaktur hatte, statt mit großen Produktionshäusern zu gehen. Ich glaube auch, dass wir das Buch besonders behandeln - es ist nicht ein Projekt von sehr vielen. Also: 20 Jahre Eitelsonnenschein, Doppel-Serienpremiere beim Seriencamp und Romy Hausmanns neues Buch adaptieren - besser könnte dieser Sommer nicht sein.

Spannende News. Genau, zum 20. Geburtstag kommen mit „Rembetis - die Geisterjäger“ und „Club der Dinosaurier“ gleich zwei Serien neue Serien zu ZDFneo - und auch noch der „Andere Eltern“-Film beim ZDF….

Bei „Club der Dinosaurier“ haben wir mit Syrreal Entertainment zusammen produziert und die Idee dazu kam von Nils Gustenhofen, aber Nils und ich haben im Schulterschluss total toll miteinander gearbeitet. Und „Rembetis - die Geisterjäger“ ist eine originäre Idee, die wir mit Jasin Challah schon länger entwickelt haben. Das ist nach „Gong - Mein spektrakuläres Leben“ die zweite Produktion von Eitelsonnenschein, bei der ich meine Finger kreativ nicht mit im Spiel hatte. Das ist das kreative Werk von Jasin Challah, inszeniert von Sophie Averkamp. Hab mich sehr gefreut, dass die Idee Realität wurde, während ich die „Dinos“ gedreht habe.

Sind diese beiden Projekte jetzt der Beweis dafür, dass es weiterhin möglich ist, originäre Ideen ohne große IP oder Superstar verkauft zu bekommen?

Auf jeden Fall geht das. Es ist aber nicht mehr so einfach, wie es mal war. Ich würde gerne allen Streamern zurufen: Das IP-Gold ist längst geschürft. Es gibt vielleicht noch die ein oder andere Ausnahme, aber wie oft will man eine Idee noch damit verkaufen, dass sie auf irgendeinem Bestseller basiert? Sind wir nicht kreativ, weil wir Neues wollen? Und da haben wir Glück: Wenns originär - und ein bisschen ordinär - sein soll, da denken doch viele schon an Eitelsonnenschein.

Wenn Sie sagen, es ist nicht mehr ganz so einfach, neue Ideen zu verkaufen: Wie würden Sie denn die Stimmung im Markt beschreiben?

Die Stimmung ist ziemlich beschissen, aber ich habe mir immer in genau solchen Situationen gedacht: Jetzt erst recht. Ich bin jetzt 50 und das hat sich bisher immer wieder als guter Rat erwiesen. Wir haben ja auch in der Corona-Pandemie echt geliefert. Da hat die Eitelsonnenschein-Crew echt alles gegeben. Vom Zuhause rumsitzen und bedauern kann sich nichts bewegen. Instant-Serien, die Corona-Ausgaben der Serien-Talkshow „Seriös“, „KBV“… das einfach Bock gemacht. Der Satz ist alt, aber in jeder Krise steckt ne Chance sobald irgendjemand mal anders denkt als bisher. 

Wie kam es denn eigentlich nach Jahren zum „Andere Eltern“-Film beim ZDF, wo die Serie früher bei TNT Comedy bzw. Warner TV Comedy lief…

Weil mutige Redakteurinnen unsere Serie gut fanden. Also es ist fürs ZDF sicher auch ein spannendes Experiment auf dem Sendeplatz. Der Film steht erzählerisch einerseits für sich, ist aber auch eine Fortsetzung dessen was wir in den zwei Staffeln der Serie bisher erzählt haben. Deshalb finde ich es sehr schade, dass das ZDF nicht nochmal die beiden Staffeln eingekauft hat, um dem Publikum auch die Vorgeschichte des Films in der ZDF App zum Beispiel bereit zu stellen. Hätte mir im Vorfeld auch nicht vorstellen können, dass man das dann nicht tut.

"Auszeichnungen helfen meinem Ego bislang mehr als der Kontostand"


Ein preisgekrönte kleine unabhängige Produktionsfirma. Damit macht man sich ja durchaus auch interessant…

Also wenn ich in die Banking App schaue und dann auf die Preise im Regal, dann helfen die Auszeichnungen meinem Ego bislang mehr als der Kontostand. Aber wir machen das, was wir tun, nicht weil wir auf Preise schielen - nehmen sie aber natürlich gerne und haben uns sehr gefreut über die internationale Anerkennung und Sichtbarkeit für „Gong - Mein Spektrakuläres Leben“ dank der Nominierung für die International Emmys vergangenes Jahr. Das Team um Regisseurin Hannah-Lisa Paul und Corinna Poetter ist übrigens auch für den Goldenen Spatz nominiert, der am Freitag in Erfurt vergeben wird.

Hat denn schon mal jemand angeklopft und wollte eitelsonnenschein kaufen?

Ja, es wurde schon einige Mal angeklopft. Aber uns fehlt dann einfach schon die Zeit alles so aufzubereiten, damit sich irgendjemand nach Schema X oder Y ein Bild machen kann. Da müsste ich auch erstmal Vokabeln pauken, damit ich weiß wovon dann die Manager und Anwälte reden, wenn’s in vertragliche Details geht. Die Geschichte von Eitelsonnenschein ist bisher immer eine von Learning by Doing gewesen. Und dann haben wir bislang immer entschieden, dass uns diese Gespräche über Prozesse und Formalitäten viel zu lange abhalten von dem, was wir machen wollen.

Gibt es abschließend etwas, was Sie sich von der Branche wünschen würden?

Sich einfach mal entspannen, nicht immer so ernst zu nehmen. Ich bin Filmemacher, kein Weltverbesserer. Eine Aussage zu haben ist schön, aber nicht der Grund warum Menschen einschalten. Ich glaube daran, dass wir die Welt schöner machen können aber maße mir nicht an, sie mit unseren Arbeiten verändern zu können.

Herr Heineking, danke fürs Gespräch und herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum.