Grafik: DWDL.deIst der Nachmittags-Talk für Sie auch als Produzent ein interessantes Genre?

Selbstverständlich. Wir entwickeln auch in diese Richtung. Aber nur unter der Bedingung, dass man das entsprechende Niveau wahren kann. Man darf nicht die Gäste wie Holzscheite durch die Sendung jagen und verbrennen. Das geht nicht. Man kann solche Sendungen auch nicht mit einem Praktikantenheer stemmen. Journalismus braucht in erster Linie nicht Geld, sondern ein starkes Herz. Es braucht wieder Qualität unter den Machern und Chefs, die das beschützen.

Doch vor der Revolution am Nachmittag kommt ja erstmal der neue Sonntagabend im Ersten. Was denken Sie als Talk-Macher: Erwartet uns bei Anne Will auf Christiansens Sendeplatz etwas Neues?


Bei Christiansen hätte ohnehin ein Relaunch angestanden. Die Sendung erweckt heute oft den Eindruck, dass bestimmte Stereotypen und Gäste immer wieder auftauchen. Anne Will hat die schwierige Bürde, dass jeder argwöhnt, die Sendung könnte eine Doublette von Christiansen werden. Ich glaube schon, dass Anne Will als Person hervorragend für die Sendung geeignet ist. Man muss jetzt nur schauen, welche Schrauben sich ausgeleiert haben.
 
Welche Schrauben würden Sie neu justieren?

Heute muss man ein Thema authentisch durchleuchten und dem Zuschauer Perspektiven aufzeigen, bei denen er ruhig auch etwas dazulernen kann. Es wiederholen sich so viele Themen und Gäste. Wir leben in einer Zeit der großen Koalition. Die spektakulären Themen, die gerade auf der Straße liegen, lassen nicht mehr so viele polarisierende Diskussionen zu wie früher. Jeder ist gegen den Klimawandel, jeder findet das herumeiernde Gerede von Politikern oft unerträglich. Politiker müssen als Talkgäste wieder klarere Positionen beziehen. Sonst haben sie bald ausgedient als Talkgäste und verschleissen sich wie die Normalbürger der Day-Talkshows in den 90ern. Die meisten Menschen sind sich heute einig, was sie schlecht oder gut finden. Die Christiansen-Sendung ist aber kontrovers angelegt. Da sind drei Gäste dafür und drei dagegen. In dieser Form funktioniert das nicht mehr.
 
 
Könnte Bärbel Schäfer das auch? Sonntagabend viertel vor zehn?

Mit Sicherheit. Bärbel Schäfer ist eine exzellente Moderatorin. Sie könnte das sehr gut ausfüllen. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass Frau Will eine sehr gute Wahl ist.

Ist der Wirbel um den Sendeplatz gerechtfertig?

Das ist die renommierteste Talksendung, die es heute gibt. Da ist etwas Aufregung absolut gerechtfertigt, wobei ich den Wirbel um Günther Jauch nicht nachvollziehen kann. Hier ist einiges ein bisschen überinterpretiert worden. Was gibt es denn sonst für eine Talkshow bundesweit, die so einen Ruf hat, wie "Christiansen"?

"Hart aber fair" ist auf dem besten Weg. Die Sendung wird von Fernsehmachern, Kritikern und Publikum gleichermaßen gelobt.


Ich finde es erleichternd, dass mit "Hart aber fair" mal jemand eine Sendung macht, in der der Moderator sich auch mal traut, etwas zu sagen.