Frau Park, Disney+ wirbt immer wieder damit, mehr als die klassischen Disney-Marken im Programm zu haben, jetzt ist Hulu als Dachmarke für Serien dazu gekommen. Ist Disney+ erwachsen geworden?

Wir sind gewachsen, aber nicht erwachsen. Das geht nicht in fünfeinhalb Jahren (lacht). Wir haben aber schon verschiedene Lebenszyklen durchlebt. Wir sind mit Disney+ sehr nah an der Marke Disney gestartet, haben dann den Star-Bereich mit Serien ergänzt, den wir gerade als Hulu gerebrandet haben. Neben unseren starken Marken Disney, Pixar, Marvel, Star Wars und National Geographic ist jetzt Hulu ein Riesen-Asset für Serienfans weltweit und ein Versprechen für außergewöhnliches General Entertainment. Wir sind in lokale Produktionen eingestiegen und mit Partnern wie den ZDF Studios oder jetzt auch ARD Plus nochmal breiter im deutschen Programmangebot geworden. Dazu die UEFA Women‘s Champions League, da muss ich sagen, hat mich sehr überrascht wie positiv das angenommen wurde. 

Wie sehen Sie Disney+ damit im Wettbewerb der Streamimgdienste im deutschen Markt positioniert?

Disney ist immer ein Versprechen, Entertainment auf dem höchsten Level zu bekommen, wobei wir neben den Serien und unseren Inhalten für alle Familienmitglieder auch von dem sehr starken Slate an Kinofilmen profitieren, was uns qualitativ von anderen abhebt.

Welche Rolle spielen dabei die jüngsten Deals mit dem ZDF und offenbar auch der ARD?

Das ist eine Ergänzung für unser lokales Angebot, mit der wir uns am Wunsch der Konsumenten orientieren, gerne ganze Serien schauen zu können. Da haben wir mit ARD und ZDF einen guten Weg gefunden, der nochmal einen neuen Zugang zu starken Programmen ermöglicht und zu unserem Qualitätsversprechen passt, mit dem wir auch unsere Auftragsproduktionen realisieren. Beispiel „Deutsches Haus“: Da gab es eine Szene, die Anklageverlesung - und wir zeigen sieben Minuten lang nur den Staatsanwalt, der die Anklage runterliest. Normal wären Schnitte auf betroffene Gesichter oder das Zeigen der Angeklagten. Wir arbeiten eng mit den Kreativen gearbeitet und ermutigen sie, das Unerwartete zu tun. Deutschland hat eine große Tradition im fiktionalen Erzählen. Da wollen wir eine eigene Qualität reinbringen, um starke Geschichten anders zu erzählen. Deswegen sagen wir: Es wird nie um die Quantität gehen. Wir suchen gezielt nach Themen, die wir im Storytelling und der Ästhetik besonders angehen können. Auch „Call My Agent Berlin“ ist für mich ein solches Beispiel.

Obwohl es eine Adaption ist?

Es haben genügend Leute gesagt, wie schwer es sein wird an das so gute französische Original heranzukommen. Aber die Sache ist ja: Wie viele Menschen kannten die französische Serie? Nicht viele, also die Branche mal ausgenommen. Davon haben wir uns frei gemacht und einen ganz anderen Look gefunden; eine ganz tolle Arbeit des Produktionsteams. Darauf haben wir von Anfang an viel Wert drauf gelegt. Wir haben auch das Storytelling nach vorne gestellt, weil Workplace Drama in Deutschland sehr beliebt ist. Dazu haben wir die Charaktere gefunden, die das hervorragend tragen und, wie meine Kollegin Benjamina es nennt, zusammen mit den vielen deutschen Stars zu einer Liebeserklärung ans Schauspiel gemacht haben.

Das Ende ist recht offen. Geht „Call My Agent Berlin“ in eine zweite Staffel?

Wir sind sehr zufrieden mit den ersten Indikatoren, und werden dazu sicherlich nochmal sprechen.

Auch in Cannes sprachen gerade wieder vom Windowing oder „Hyper-Distribution“: „Sam - ein Sachse“ lief im MDR, gibt es darüber hinaus die Absicht, lokale Produktionen über Disney+ hinaus auszuwerten?

Wir sind grundsätzlich offen für alle Arten von Modellen, weil der Markt sich dynamisch ändert und wir alle offen sein sollten für Experimente. Dazu gehört auch ein neues Denken in der Distribution. Wir lassen sonst Zielgruppen liegen, was sich keiner in der Branche mehr leisten kann. Dafür spielen Rentabilitätsfaktoren längst eine zu große Rolle. Wir sind nicht mehr im Eldorado, wo alle Streamer um jeden Preis alles gemacht haben. Es gibt ein neues Miteinander, auch mit Broadcasting-Partnern. Wir haben in Großbritannien die Zusammenarbeit mit ITV, in Spanien Ähnliches mit Atresmedia. Da tauschen wir sehr zeitnah Content, das sind enge Partnerschaften. Das können wir uns auch in Deutschland vorstellen. Das habe ich vor zwei Jahren bei den Medientagen München angekündigt und wir sind wirklich fleißig dran. Wir sehen jetzt Stück für Stück wie es Früchte trägt.

Zählt dazu auch die eher ungewöhnliche Kooperation mit ProSiebenSat.1 bei „Die Cooking Academy“?

Wir probieren Neues aus. Wir haben bei ProSiebenSat.1 auch andere Programme eingekauft, zum Beispiel „Mein Lokal, Dein Lokal“. In den Gesprächen kamen wir auch auf neue Projekte und „Die Cooking Academy“ hat uns gleich gut gefallen. Wir sprachen ja eben schon mal über Workplace Drama - und wir reden über komplementäre Zielgruppen. Wir sind der jüngste Streamer im Markt, besonders stark in der Demografie der 18 bis 35-Jährigen. Damit sind wir nicht nur komplementär zu ARD und ZDF, auch zu ProSieben. Deswegen funktionieren solche Partnerschaften gut. Und das ist anders als früher. Früher gab es Content-Knappheit, die verteidigt werden musste. Heute gibt es ein sehr großes Angebot und dabei mit einer klugen Aussteuerung Sichtbarkeit zu erreichen, ist die große Herausforderung.

Selbst für Disney?

Wir hatten dieses Jahr zum Star Wars Tag eine Kooperation mit DAZN zu „Andor“, was passte, weil die Serie ein eher männliches Publikum anspricht. Oder unser Marvel-Tag kürzlich auf ProSieben - mit starken Quoten. Bei solchen Kooperationen hilft es, die vielen großen Franchises und IPs von Disney nutzen zu können. Wir profitieren auch sehr davon, wenn aus Kino-IPs erfolgreich Serien werden, wie zuletzt bei „Alien: Earth“. Das Zusammenspiel zwischen Kino, Streaming, Sendern und auch unseren Parks - das kann so nur Disney. Damit Hypes zu erschaffen und Popkultur zu prägen ist die Chance für aber auch Erwartung an Disney. Da binden wir auch stärker denn je die Creator Community ein.

Sie sagten eben, Disney setzt auf Qualität statt Quantität. Wolfram Weimer hätte von Streamern allerdings gerne eine gewisse Quantität: Wie steht Disney zum Thema Investitionsverpflichtung?

Oh, wie viel Zeit haben wir? (lacht) Disney gibt schon sehr lange ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland und das in vielen Facetten. Egal ob wir die Investitionen in lokale Produktionen nehmen oder allein die Kinofilme, mit denen wir die Kinosäle hier füllen. Da waren wir jetzt drei Jahre hintereinander Nummer eins und streben das dieses Jahr auch an.

Das allerdings mit Filmen, die nicht hier entstanden sind…

Aber auch diese Filme müssen vermarktet werden. Wir bringen sie ins Kino. Außerdem fließen erhebliche Investitionen an deutsche VFX-Studios für diese Filme. Aber zurück zu den lokalen Produktionen: „Call My Agent Berlin“ wurde komplett in Babelsberg produziert, „Vienna Game“ von Satel Film, einer Tochterunternehmen der Bavaria Film, produziert. Und wir würden sehr gerne mehr vor Ort machen, aber dazu muss der Standort Deutschland im europäischen Wettbewerb attraktiv sein - mit vergleichbaren Produktionsbedingungen. 

Also die Forderung nach einem von Weimer abgelehnten Tax Incentive Modell?

Die Erhöhung der Förderzulagen ist trotz einer kleinen Fußfessel ein guter Schritt, aber eine Investitionsverpflichtung? Die kann nur verpflichten, in der Europäischen Union zu investieren. Wir wollen aber doch eine Förderung des Standorts Deutschland. Da nützt bei einer Investitionsverpflichtung auch keine Subquote auf deutsch, denn bekanntermaßen sind wir nicht nicht das einzige Land, in dem Deutsch gesprochen wird. Noch mehr Regulierung macht Deutschland nicht attraktiver. Das Ziel muss doch sein, Interesse an Investitionen in Deutschland zu wecken, Talent hier zu fördern oder herzuholen - also: Neue Investments nach Deutschland zu holen, inklusive der Abstrahleffekte wenn große Produktionen realisiert werden. Wenn wir uns an dem Ziel orientieren würden, ließe sich schnell eine Lösung finden. Und Disney ist bereit zu investieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Das tun wir an anderer Stelle schon in Milliardenhöhe: In Papenburg wurden schon fünf Kreuzfahrtschiffe für uns gebaut und fünf neue Disney-Schiffe sind in Auftrag gegeben. Es braucht spannende Incentivierung zu Neuinvestments, nicht noch mehr Regularien.

Wir sprachen vorhin schon mal vom Erwachsenwerden. Auf den Disney Channel trifft das wohl zu: Erst am Vorabend, jetzt am Vormittag, setzen Sie künftig auf Programm für Erwachsene statt Kinder…

Diese Änderungen folgen unserem Erfolg bei den Erwachsenen. Man muss ganz realistisch sagen: Der Kindermarkt ändert sich, Kinder gucken auch woanders, z.B. auf YouTube. Wir sind in der sehr, sehr guten Position, dass wir trotz einer Stunde weniger, die wir jetzt in der letzten Zeit hatten, wirklich immer der größte kommerzielle Kindersender waren in Reichweite, was uns sehr happy macht. Aber wir merken, es gibt gewisse Zeiten auf denen sich das fokussiert. Dementsprechend passen wir das am Vormittag an.

Könnte der frei empfangbare Disney Channel auch eine Verwertungsplattform für Disney+-Produktionen werden?

Wir haben den Sender schon immer genutzt, um Programme auf Disney+ vorzustellen, indem wir sogar eigene Sendungen gemacht haben, wo wir neuen Disney-Content vorstellen. Im Moment nicht mehr, aber das kann sich noch weiterentwickeln. Der Disney Channel wird erwachsener, aber wir bleiben natürlich stark im Pre-School-Segment, weil da startet die Disney-Reise. Wir hatten im Sommer eine Brandkampagne mit dem Motto „Great Lifetime Stories“, weil wir Begleiter durchs Leben sind. Und der Disney-Channel hat Disney+ auch auf eine andere Art geholfen.

Auf welche? 

Wir haben beim Einstieg in die Werbevermarktung bei Disney+ davon profitiert, dass wir mit Disney Avertising durch den Channel bereits ein Team im Markt hatten. Wir sind super stolz, auch bei der UEFA Women‘s Champions League viele tolle Sponsoren dabei zu haben, vom Start weg. 

Welche Rolle spielen Sonderwerbeformen oder auch Branded Entertainment?

Bei „Call My Agent Berlin“ hatten wir eine sehr natürliche Integration von eBay. Product Placement kann manchmal authentischer wirken als wenn man überall Flaschenlogos abklebt. Aber das hängt vom Programm ab, ob sich das anbietet. Bei „Deutschen Haus“ wäre es unpassend gewesen. Branded Entertainment ist so eine Sache. Wenn ich an „Lego Star Wars“ denke oder die rasante Formatentwicklung im Creator Space beobachte, könnte die richtige Idee vielleicht auch zu uns passen.

Liegt die Zukunft des Streaming eher im AVoD oder SVoD?

Sie werden die Antwort erahnen: Ich glaube, es wird eine Kombination sein. Es gibt eine Generation, die mit SVoD aufgewachsen ist und gerne zahlt für Werbefreiheit. Aber wir haben auch viele Menschen, die Werbung nicht stört, weil sie entweder mit Free-TV aufgewachsen sind oder aber sehr preissensibel sind und das günstigere Angebot gerne annehmen.



Werfen wir zum Abschluss einen Blick nach vorne: Was kommt bei Disney+ in den kommenden Monaten?

Wir zünden ein Content-Feuerwerk aus allen Rohren, haben natürlich ein tolles Film-Slate, dann startet Anfang NovemberKim Kardashian in der fiktionalen Rolle einer Scheidungsanwältin in „All’s Fair“, very glossy und larger than life, weihnachtlich wird es mit „A Very Jonas Christmas Movie“ auch auch auf die zweite Staffel von „Percy Jackson: Die Serie“ können wir uns freuen. Bei den lokalen Produktionen freuen wir uns im Frühjahr sehr über das von Satel Film produzierte „Vienna Game“ über den berühmt-berüchtigten Wiener Kongress, jener opulenten, neun Monate andauernden Party, die erstmalig zu einem ganzen Jahrhundert Frieden in Europa führte. Das würde man sich gerade wieder wünschen. Wir werden uns dann nächstes Jahr auch ins Reality-Genre begeben, da kommt „Yacht Dream Monaco“ von i&u Studios. Die Bilder sind spektakulär. Ich sage nur: Larger than life. Und dann betreten wir wieder ein ganz neues Genre und widmen uns den Vampiren in „City of Blood“. Es wird heiß nächsten Sommer.

Frau Park, herzlichen Dank für das Gespräch.