Bild: RBB/Jenny SieboldtNicolas Sarkozy ist in Heiligendamm ganz frisch im Amt, und am Ende des Jahres kann man bereits eine Reihe sonderbarer Geschichten von ihm erzählen. Eine spannende Figur.

Er ist schon ein schön bunter Vogel. Er gefällt mir – aber ich bin auch ein großer Napoleon-Freund. Den Wahnsinn, manche krasse Eigenart teilen die beiden. Sarkozy ist eine aparte Gestalt und spricht eine klare Sprache. Natürlich sorgt er für Eklats, und es bleibt sein Geheimnis, warum er Ghaddafi vor dem Elysee-Palast zelten lässt. Andererseits gab es die schöne Wahlkampfbeobachtung von Sarkozy bei den französischen Weinbauern. Sarkozy hat eine 0-Promille-Grenze für Autofahrer angekündigt, und die Weinbauern schäumen vor Protest. Sarkozy fährt zu ihnen und beginnt das Gespräch mit dem Satz: ‚Kommen wir zuerst zu den Unannehmlichkeiten: Bei der 0,0-Grenze bleibt es’.

Zurück nach Deutschland: Im Juli tritt, kaum zu glauben, die neue deutsche Rechtschreibung in Kraft…

… und sorgt weiter für Desorientierung. Ich bekomme oft Mails mit dem Hinweis: „Es tut mir sehr leid, ich weiß nicht mehr genau, wie es geschrieben wird.“ Die Auseinandersetzung um die Rechtschreibung war eine sehr deutsche Geschichte. Irgendwelche Lehrer-Extremisten haben sich zu Wort gemeldet, interessant auch, wo die Fronten verlaufen sind. Dass plötzlich Verleger versuchen, eine gewisse Macht auszuspielen. Weitergebracht hat’s uns nicht.

Im August reist Angela Merkel nach Grönland und lässt sich vor Gletschern fotografieren.

Im roten Anorak, neben ihrem besten Freund Sigmar Gabriel, in Partnerlook. Ich konnte Gabriel bei der angesprochenen Veranstaltung damit ordentlich aufziehen. Merkel habe ich 1995 als Umweltministerin bei der Eröffnung der UN-Klimakonferenz hier in Berlin reden hören. Ich glaube ihr, dass sie sich für ökologische Fragen interessiert.

Als Merkels Erfolgrezept gilt, dass sie Themen besetzt, die nicht unbedingt den Leitlinien ihrer Partei entsprechen.

Eigentlich hat Merkel nicht viel mit ihrer Partei zu tun. Hätten wir eine sozialliberale Regierung, wäre sie eine wirtschaftsliberale FDP-Ministerin.

Im September stellt Klaus Wowereit in Berlin seine Memoiren vor. Titel, was sonst: „… Und das ist auch gut so.“ Ist nicht - trotz Problemschulen in Neukölln oder der Bürgerkriege um Eros Center – Klaus Wowereit das Schlimmste an Berlin?

Nein. Er ist was Gutes an Berlin. Wowereit kann zur Sache sprechen, er ist auch ein Zahlenmann. Er ist nicht zu allererst jemand, der aus Damenschuhen Sekt trinkt. Es ist ihm gelungen, sich im piefigen Gewese des Senats und des Abgeordnetenhauses seine Freiräume zu schaffen, ohne den Muff anzunehmen. Er strahlt auf eine fragile, kaputte Art und Weise etwas Weltstädtisches aus – wie diese Stadt. Er passt hier schon gut hin. Man kann sich gut über ihn ärgern – über Arroganz, Selbstzufriedenheit und so weiter. Aber das sind berlinische Eigenschaften.
 


Im Oktober sagt Johannes B. Kerner den Satz: „Ich entscheide mich für meine anderen drei Gäste und verabschiede Eva Herman“.

Ich habe Eva Herman kennen gelernt und bleibe dabei: Zuallererst ist sie eine sympathische Frau. In diesem Jahr habe ich sie einmal getroffen, da war sie schon relativ distanziert. Ihre Thesen sind verwegen. Was mich aber ärgert: In Sachsen-Anhalt geschieht eine Gewalttat nach der anderen. Und dann bemüht sich die Johannes B. Kerner-Show, Eva Herman ein geschlossenes, rechtsextremes Weltbild nachzuweisen. Mein Großvater, unsere Großväter waren bei der Wehrmacht. Wenn man sich wirklich für das Thema interessiert – was ich tue -, dann gibt es andere Aufgaben. Warum kann niemand aus dem Wohnblock der Aussiedlerin in Sachsen-Anhalt, die von Nazis misshandelt wurde, das Geschehen bezeugen? Hier sage ich, ausnahmsweise, in Richtung Schäuble: Okay, setzen wir die Bundeswehr im Inneren ein! Lasst die Soldaten Nazis jagen! Klingt grotesk, aber ich würde es mir fast wünschen. Soll Kerner doch mal Udo Voigt in die Sendung einladen und einen Historiker hinzuholen. Voigt hat kürzlich gesagt, dass er die neue Reichskanzlei auf dem Gelände des Holocaust-Mahnmals errichten will.

Würden Sie Udo Voigt oder Holger Apfel interviewen?

Wenn das gefordert wäre, ja. Das erforderte natürlich extreme Vorbereitung. Das sind Lügner, Demagogen, zum Glück sind sie relativ dumm. Ich bin eigentlich nicht bereit, diese Leute gleichberechtigt mit anderen Gästen zu interviewen. Ich würde sie auch nicht auf einem Stuhl Platz nehmen lassen. Sie genießen kein Gastrecht – ich würde sie lieber im Gefängnis sehen. Die kriegen von mir auch keinen Handschlag. Höchstens ins Gesicht.

Kommen wir zum angenehmen Abschluss des Jahres: Im November gibt der RBB bekannt, seine Zuschauer mit einer zweifolgigen Talkshow mit Jörg Thadeusz und Ildiko von Kürthy zu beschenken. Aufgezeichnet wurde die Sendung im ehemaligen Staatsratsgebäude, wo Egon Krenz, Erich Honecker, aber auch Gerhard Schröder zeitweise residierten. Haben Sie davon etwas gespürt?

Es herrscht eine besondere Atmosphäre, allerdings ist dort jetzt eine Eliteuniversität untergebracht. Alle sprechen Englisch. Offensichtlich sind noch die Glasmalereien mit Arbeiterbildern aus der DDR-Zeit. Ich habe mir während der Aufzeichnungen vorgestellt, wie der Erich in seinem fiesen Anzug durch den unangenehmen DDR-Geruch morgens zur Arbeit geschlichen ist.

Riecht man denn noch was?


Der Geruch ist wegsaniert.

Die Show ist nach einer Berlin-Hymne von „Seeed“ benannt: „Dickes B“. Darin heißt es: ‚In diesen eisigen Zeiten voll von durchgeknallten Leuten ist es unser Job, die heißen Hooks und Zeilen zu verbreiten.’ Wo genügt die Show den Ansprüchen dieser Vorlage?


Überall! (lacht). Den Titel hat sich unser Unterhaltungschef ausgedacht – ich finde ihn passend. Im Song geht es um die schnodderige Beschreibung von Berlin, eine sehr gegenwärtige Beschreibung. Ich finde Berlin in diesem Lied wieder: „Mama Berlin.“ Ich kann das mittlerweile nachvollziehen: Ich kehre zurück zu Mama, und dann kommt sie mir wieder doof. In unserer Sendungen sitzen dann Klaus Wowereit, Mieze von Mia., also Eingeborene, gemeinsam mit Zugezogenen und Brandenburgern.

Für „Der Norden umsonst“ sind Sie mit dem Rad durch Norddeutschland gefahren und bei den Leuten eingekehrt. Hat das mehr Freude gemacht als das Dasein im Fernsehstudio?

Nein. Für mich steht das nicht gegeneinander, es hat mir aber gut getan. Wir haben dort den Spieß umgedreht und die Leute dort besucht, wo sie nicht von Kameras eingeschüchtert werden. Zu hause. Da muss ich mich einfinden. Ich sehe darin keinen Trend, aber wenn es einen Überbau dafür gäbe, würde er lauten: Wir machen einen Gegenentwurf zum Daily Talk, die Leute sind nicht eingeschüchtert. Ich besuche sie. Da bin ich dann mal Gast.