Foto: Schwartzkopff TVWie verlief der Weg dorthin?

Unsere Aufgabe war es, nach der Absetzung von "Musikanten on tour" mit Marianne und Michael zu überlegen, was wir jetzt machen. Da wir auch weiterhin die Chance hatten, einmal im Jahr ein Open-Air zu machen, wollten wir es auch neu erfinden. Marianne und Michael hatten aber auch als Moderatoren die Aufgabe, ihrem Publikum vorzuleben, dass, wenn etwas zu ende geht, weil es nicht mehr funktioniert, und man noch genügend Kraft und Fantasie hat, man es immer noch einmal  probieren kann. Ins Risiko gehen, ohne zu wissen, wie es ausgeht.

Also haben sich auch Marianne und Michael neu erfunden, nachdem die alten Volksmusik-Formate beim ZDF ausgelaufen sind?

Ja, absolut. Weil sie gemerkt haben, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Es gehört natürlich auch erstmal eine Phase von Irritation und Kränkung dazu, wenn plötzlich etwas nicht mehr da ist, für das man über viele Jahre gelebt hat. Dann muss man aber dem Publikum erklären, dass man etwas Neues probiert, weil ewig zu lamentieren auch keinen Sinn macht. Marianne und Michael sind einfach starke Moderatoren, die vor allem dem älteren Publikum, das zum Teil sehr einsam ist, gegenüber eine Verantwortung haben und für sie Programm machen müssen. Nur weil sie älter sind, heißt das nicht, dass man sie vernachlässigen darf. Da bemühen wir uns um eine gesunde Mischung.
 

 
Derzeit läuft die auch die Produktion für die Primetime-Doku „Deutschland wird schwanger“, die Sat.1 im Herbst zeigt. Wie läuft es da?

Das läuft super. Wir stellen fest, dass sich das Thema in sehr vielen Facetten entwickelt, weil wir Geschichten erzählen, die nicht nur mit Babys zu tun haben, sondern auch mit dem Zusammenleben in der Familie, Wohnungssuche, Wochenendbeziehung, binationalen Beziehungen, gesetzlichen Regelungen und der Entbehrungsbereitschaft des Einzelnen für ein Kind: Also alles, was in unserer Gesellschaft gerade diskutiert wird. Und die Kandidaten öffnen für uns ihre Türen und Herzen so weit, dass wir zum Teil selbst überrascht sind, was für wundervolle Geschichten wir erzählen können.

Mit der Sendung springt die Daily-Talkerin Britt Hagedorn in die Primetime. Mehr als 1.500 Folgen ihrer Sendung haben Sie bereit produziert. Warum ist ausgerechnet Britt die letzte Überlebende der Talkshow-Ära?

Für uns ist wichtig, dass ein Format immer neue Werte mit neuen Ideen und neuen Dramaturgien entwickelt, damit es nicht berechenbar wird. Die Gerichtsshows haben zum Beispiel auch stark auf uns abgestrahlt. Dort bekommt der Zuschauer in Form des Urteils am Ende ein klares Ergebnis. Da gibt es richtig und falsch, gut und böse, Täter und Opfer. Das wurde dann auch von uns immer mehr verlangt. Im Talk ist das allerdings nicht immer so schwarz und weiß. Wir stellen aber fest, dass Sendungen mit einem klaren Ergebnis      –  zum Beispiel durch den Lügendetektor oder den Vaterschaftstest – besonders gut laufen. Diese Elemente haben wir über die Jahre erprobt und die Sendung damit verändert. Außerdem haben wir eine tolle, glaubwürdige Moderatorin und tolle Gäste.
 
Sie selbst könnte man als die Ute Biernat der Talkshows bezeichnen. So wie Frau Biernat von Grundy Light Entertainment immer wieder das Comeback der Gameshow beteuert, prophezeien Sie die große Rückkehr des Daily-Talks. Wie stehen derzeit die Chancen?

Talk wird mit der gleichen Regelmäßigkeit wiederkommen wie die Schlaghose. Natürlich behauptet das derjenige am Lautesten, der in dem Genre produziert. Die Frage lautet: Wann kommt er zurück und wie sieht das Schnittmuster aus? Das muss künftig ein anderes sein. Das Problem dabei ist, dass die aktuellen Ideen für das Tagesprogramm zu teuer sind. Im Moment sehe ich für eine Neuinszenierung leider keine Chance. Wir bleiben aber dran.

Wie könnten die neuen Talks denn aussehen?

Vorbilder sind US-Formate wie zum Beispiel die von Tyra Banks und Ellen DeGeneres. Es gibt viele Aktionen im Studio: Auftritte, Spiele, und unterschiedlichste Gäste. Das muss alles inszeniert und geprobt werden. Das lässt sich derzeit mit einer industriellen Produktionslogistik für die Daytime mit drei Aufzeichnungen am Tag nicht realisieren. Klar ist aber: Wenn man heute einen neuen Talk macht, muss es völlig anders aussehen als bisher bekannt. Das macht es auf der einen Seite allerdings teurer, auf der anderen Seite werden in der Daytime gerade die Budgets gekürzt.

Herr Roeder, vielen Dank für das Gespräch.