
Wir werden bei den Dokus im Ersten künftig vor allem auf zeitgeschichtliche Stoffe in Reihenbespielung setzen. Die Redaktionsgruppe hat das Know-How, die richtigen Inhalte auszuwählen, um der extremen Konkurrenz am Montagabend stand zu halten. Unsere Dokus laufen gegen sehr erfolgreiches RTL-Formate und den starken Fernsehfilm des ZDF. Wir sind aber klar der Ansicht, dass wir in der Lage sein müssen, für uns ein besseres Ergebnis zu erzielen – auch wenn es schwer wird.
An welche Stoffe denken Sie derzeit konkret für den Sendeplatz?
Eine Fokussierung auf zeitgeschichtliche Inhalte entspricht dem öffentlich-rechtlichen Auftrag und hat eine gute Aussicht auf Erfolg. Grundsätzlich gilt: Wir wollen künftig Stoffe einsetzen, die neben dem Infocharakter, den jede Doku haben muss, vor allem auch emotional sind. Sie müssen spannend und nachvollziehbar erzählt werden – in einem verträglichen Tempo. Momentan planen wir die Reihe "Deutsche Dynastien", in der wir Familien wie die Weizsäckers und die zu Guttenbergs vorstellen. Das sind Inhalte mit politischem Charakter, die emotional erzählt werden können.
Das ZDF konnte Erfolge feiern mit Doku-Inhalten, die von prominenten Gesichtern präsentiert werden. Gehen Ihre Überlegungen auch in diese Richtung?
Ich schließe das nicht restlos aus, halte es aber für sehr unwahrscheinlich. Wir haben im vergangenen Jahr auch am Montag mit Presentern gearbeitet – zum Beispiel mit Jörg Pilawa und Sandra Maischberger. Die Presenter haben das alle sehr gut gemacht, es hat aber bisher nicht dazu geführt, dass die Dokus auf dem harten Sendeplatz besser gelaufen wären. Wir müssen mit rein filmischen Formaten punkten. Das Problem ist ein anderes: Wenn wir am Montag Reihen zeigen wie "Mahlzeit Deutschland", "Legenden" oder ein Stück zu Demjanjuk, dann ist die Spreizung der Themen so groß, dass das Publikum nicht mehr weiß, was es erwarten kann.
Trotz des klaren Bekenntnisses zur Doku am Montagabend: Die neue Ausrichtung ist auch eine Bewegung hin zu leichteren Inhalten – weg von der harten, politischen Doku. Ist das der Kompromiss, den man machen muss, um den Sendeplatz zu halten?
Kompromisse haben wir bisher auf diesem Sendeplatz gemacht. Jetzt wollen wir ein klares, für die Zuschauer wieder erkennbares Profil schaffen. Was nicht bedeutet, dass die aktuelle politische Dokumentation aus dem Ersten verschwindet.
Als Chefredakteur der ARD ist ihr Aufgabenbereich sehr stark moderativ. Bei den Dokus geht es vornehmlich um die inhaltliche Entwicklung. Lacht da Ihr Journalistenherz?
Ja, das tut es. Wenn man sich neben dem reinen Programmmanagement wieder mit Inhalten und filmischen Angeboten konkret auseinander setzen kann, ist das eine schöne Abwechslung. Das war aber nicht ausschlaggebend für die Entscheidung, sondern ist nur ein willkommener Seitenaspekt.
Um welche weiteren Baustellen wollen Sie sich neben dem Montagabend künftig noch kümmern?
Der Montag ist momentan die größte Baustelle. Weder beim Dokumentarfilm, noch auf der Doku-Schiene am späten Mittwochabend haben wir derzeit Akzeptanzprobleme. Wichtig ist, dass wir in absehbarer Zeit einen zweiten Dokumentationsplatz im Ersten bekommen, auf dem wir härtere, eher aktuell-politische Stoffe, die wir am Montag weniger zum Einsatz bringen werden, senden können. Das geht natürlich nach wie vor am Mittwoch, aber es wäre nicht schlecht, wenn es noch einen zusätzlichen Sendeplatz nach den "Tagesthemen" um 22:45 Uhr gäbe. Das ist aber bislang nicht mehr als ein Wunsch.
Herr Baumann, vielen Dank für das Gespräch.